Für eine bessere und zukunftssichere digitale Infrastruktur muss die Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) jetzt den richtigen regulatorischen Rahmen setzen. Das TKG sollte Alternativen zu den überteuerten Frequenzauktionen zulassen und so die Basis legen, um privatwirtschaftliche Investitionen in den Netzausbau deutlich zu steigern. Außerdem sollte es Impulse zur Stärkung der digitalen Souveränität Europas liefern.
Als Wirtschaftsnation und als Gesellschaft stehen wir vor enormen Herausforderungen – nicht nur, aber insbesondere gerade im vergangenen Jahr. Uns nährt die Hoffnung, dass wir die Pandemie noch in der ersten Jahreshälfte 2021 zumindest beginnen zu überwinden. Die ersten Impfungen konnten uns bereits zum Ende des Jahres 2020 etwas zuversichtlicher stimmen.
Eine wichtige Erkenntnis nach dem vergangenen Jahr ist sicher folgende: Die Digitalisierung und die digitalen Infrastrukturen sind und waren der Schlüssel, um unser Land zusammen zu halten. In einer Zeit, in der Abstand oberstes Gebot war, haben wir zumindest für digitale Nähe gesorgt: Im Berufs- und im Privatleben. Die Netze in Deutschland haben den Stresstest bestanden. Wir als Telefónica Deutschland / o2 haben alles getan, um dazu unseren Beitrag zu leisten. Neben dem massiven Ausbau unseres 4G-Netzes haben wir auch mit dem 5G-Start im Oktober die Tür zu neuen virtuellen Welten aufgestoßen – und das zu Preisen, die allen die digitale Teilhabe ermöglicht.
Bis 2022 werden wir vier Milliarden Euro in unser o2 Netz investieren. Wir bauen so 4G konsequent weiter aus, um immer mehr Menschen auch im ländlichen Raum mit schnellem Internet zu versorgen. Die vierte Mobilfunkgeneration wird noch über Jahre das Rückgrat der Digitalisierung bilden. Parallel errichten wir unser 5G Netz. Es wird 2025 bundesweit verfügbar sein – so schnell wie keine Netztechnologie zuvor.
Der Mehrwert von 5G ist gewaltig: Die allumfassende Vernetzung ermöglicht smarte Konzepte für Verkehr und Städte sowie für neue Formen des Wohnens, Lernens und Arbeitens. In der Industrie werden Produktion und Logistik mit 5G dank einer 100mal schnelleren Geschwindigkeit als 4G und einer Verzögerungszeit von bis zu einer Millisekunde effizienter und günstiger. Das Konzept Industrie 4.0 wird durch 5G Realität. Außerdem verbraucht die 5G-Technologie bis zu 90 Prozent weniger Energie in der Datenübertragung pro Byte. So leisten wir einen wichtigen Beitrag für die große Klimaherausforderung unserer Generation.
Damit wir als Land die Chancen dieser Digitalisierungstechnologien vollständig ausschöpfen und mit einer noch besseren digitalen Infrastruktur unsere Zukunft sichern können, benötigen wir einen regulatorischen Rahmen, der Investitionen fördert und Europas digitale Souveränität stärkt.
Regulatorische Vorgaben auf den Prüfstand bringen
Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, um die Weichen dafür zu stellen. Den regulatorischen Rahmen gilt es richtig zu definieren. Zum einen hat die Bundesnetzagentur mit ihrem Frequenzkompass eine neue Runde im Frequenzbereitstellungsverfahren eröffnet. Im Jahr 2025 laufen die Nutzungsrechte für die Frequenzen im 800 Megahertz (MHz) Bereich aus. Dieses Spektrum ist entscheidend, um die Bevölkerung insbesondere im ländlichen Raum mit mobilem Breitband zu versorgen und gleiche Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu schaffen.
Ohne ausreichende Frequenzen, in die Betreiber langfristig investieren können, lässt sich jedoch eine weiter steigende Versorgungsqualität nicht realisieren. Nun geht die Diskussion darum, wie diese intensiv genutzten 800 MHz Frequenzen bereitgestellt werden sollen. Zum anderen arbeitet die Bundesregierung und der Gesetzgeber daran, das Telekommunikationsgesetz (TKG) zu erneuern und die Vorgaben aus dem EU-Kodex für elektronische Kommunikation 2018 (EECC) in deutsches Recht zu überführen. Diese Gesetzesanpassung befasst sich ebenfalls mit der Frequenzregulierung.
Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen
Wir müssen jetzt eine neue Frequenzpolitik wagen und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Die Versteigerung des Spektrums für 5G im vergangenen Jahr hat erneut den ökonomischen Irrwitz solcher Bieterverfahren aufgezeigt. Dem Markt wurden wieder viele Milliarden Euro für Nutzungsrechte entzogen, die in der Folge für den Netzausbau fehlen. Die nur zu Abschreibungen und dann riesigen steuermindernden Verlustvorträgen bei den Unternehmen der Branche führen. Große Summen werden so bewegt – aber der Effekt eines effizienten Netzausbaus bleibt aus.
Insgesamt haben die deutschen Netzbetreiber in den vergangenen 20 Jahren mehr als 65 Milliarden Euro für Lizenzen, also für ein Stück Papier bezahlt – weit mehr als sie im gleichen Zeitraum in den eigentlichen Netzausbau investieren konnten. Hätte das gesamte Geld direkt in die Infrastruktur fließen können, könnte schon heute in jedem Winkel Deutschlands ein Hochgeschwindigkeitsnetz stehen, das dem Anspruch einer führenden Wirtschaftsnation gerecht würde.
Alternativen zu Auktionen zulassen
Nicht nur wir als Wirtschaftsunternehmen kritisieren diese Unverhältnismäßigkeit scharf. Der Bundesrat hat im Oktober 2019 die Bundesregierung mit einer Entschließung aufgefordert, alternative Modelle für die Frequenzbereitstellung zu prüfen. Und selbst der EU-Kodex lässt ausdrücklich Alternativen zur bisherigen Praxis zu. Dennoch will die Bundesregierung beim Überarbeiten des TKG weiterhin Versteigerungen als bevorzugtes Bereitstellungsverfahren festschreiben. Anstatt mit zunehmender Digitalisierung den Spielraum für neue Ansätze zu vergrößern und sich für Alternativen zu öffnen, schränkt der Staat mit diesem Gesetz die Möglichkeiten schon im Vorfeld unnötig ein. Und das in einer Zeit, in der wir durch die Pandemie erleben, wie entscheidend es ist, flexibel und schnell auf neue Situationen reagieren zu können. Wenn weiterhin Milliarden für Nutzungsrechte anfallen anstatt dem Netzausbau zu dienen, verlieren wir in Deutschland in der Digitalisierung endgültig den Anschluss.
Anstelle von überteuerten Auktionen sprechen wir uns vielmehr dafür aus, Bestandsfrequenzen als Regelfall gegen neue Ausbauzusagen zu verlängern – wie schon einmal. Vor fast 15 Jahren wurden GSM-Frequenzen verlängert, um den Ausbau schneller voranzutreiben. Ein ähnliches Verfahren sollte jetzt ebenfalls ins Gesetz aufgenommen werden, um Deutschland voranzubringen. Es darf nicht darum gehen, wer das meiste Geld für die Frequenzen ausgibt, sondern dass möglichst viele private Investitionsmittel der Betreiber unmittelbar in den Netzausbau fließen. Denn davon würden Industrie und Verbraucher in Deutschland schnell und unmittelbar profitieren. Auch andere europäische Länder haben uns vorgemacht, wie es geht. Laut einer Studie der GSMA verfügen Länder mit hohen Frequenzkosten über eine schlechtere Netzversorgung als Länder mit niedrigen Lizenzgebühren.
Entwicklung der Telekommunikation in Europa stärken
Für eine bessere und zukunftssichere digitale Infrastruktur in Deutschland kommt es neben den Investitionen auch auf die digitale Souveränität in Europa an. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Hardware-Entwicklung wieder verstärkt in Europa stattfindet und damit den europäischen Sicherheitsvorgaben unmittelbar Rechnung tragen kann. Ein stärkerer globaler Wettbewerb, der auch von europäischen Unternehmen maßgeblich gestaltet wird, würde zudem für eine größere Dynamik beim Technologie-Ausbau sorgen.
Industriepolitisch müssen wir hierfür die richtigen Akzente setzen und es in Zukunft besser machen als bisher. Denn während wir heute 5G in Deutschland ausrollen, werden wir morgen schon über 6G reden. Die Zeit drängt. Wir müssen uns jetzt in Europa für den nächsten Technologieschritt optimal aufstellen und einen zukunftsorientierten regulatorischen Rahmen feststecken. Das Ziel muss sein: privatwirtschaftliche Investitionen in den massiven Infrastrukturausbau zu sichern und die Hardware-Entwicklung in Europa zu stärken. Um diese zwei Ziele zu erreichen, müssen wir die Weichen für unsere digitale Zukunft jetzt richtig stellen. Die Novelle des Telekommunikationsgesetztes in diesem Jahr 2021 ist der erste Meilenstein auf diesem Weg.
Markus Haas