Stärkung der standortgebundenen Wertschöpfung gewünscht – Beispiel: Biotechnologie

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Deutschlands Standort braucht bessere Rahmenbedingungen

Innovative Unternehmerinnen und Unternehmer wirken mit ihren neuen Geschäftsideen und Entwicklungen erfrischend auf die Märkte. Sie sorgen dafür, dass eine Innovation zur Wertschöpfung direkt am Standort beiträgt. Und sie schaffen Arbeitsplätze. Die Biotechnologieunternehmen in Deutschland sind solche forschenden, kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Sie tragen entscheidend zur Wertschöpfung am Standort Deutschland bei. Die Bruttowertschöpfung der Biotechnologieunternehmen in der industriellen Gesundheitswirtschaft (iGW) ist über die letzten zehn Jahre überdurchschnittlich gewachsen – stärker als die Gesundheitswirtschaft selbst. Damit ist die Biotechnologie ein Werttreiber der Gesundheitswirtschaft (vgl. dazu Bruttowertschöpfung der Biotechnologie in Deutschland in BMWi, Gesundheitswirtschaft – Fakten & Zahlen Ausgabe 2019). Der Beitrag der Biotechnologieunternehmen für die Stärkung des Standortes zeigt sich zudem deutlich in den Arbeitsplatzzahlen. In den vorwiegend mittelständisch geprägten Biotechnologie-Unternehmen wächst die Anzahl der Arbeitsplätze vom Jahr 2010 bis heute überdurchschnittlich um rund fünf Prozent per anno (vgl. BMWi, Gesundheitswirtschaft – Fakten & Zahlen Ausgabe 2019).

Die Entwicklung von Hightech-Produkten ist mit einem hohen Risiko behaftet, vor allem für die Unternehmerinnen und Unternehmer sowie ihre Mitarbeitenden. In der Biotechnologie-Branche wird das unternehmerische Risiko meist durch gründungswillige Forscherinnen und Forscher getragen und von einem hohen und langfristigen Bedarf an Kapital auf einem risikobehafteten Entwicklungs-Prozess bis zum Markt begleitet. Bis zum Beispiel die Prüfung von Wirkstoffkandidaten für die Arzneimitteltherapie so weit gediehen ist, dass sich abschätzen lässt, ob sich weitere Investitionen lohnen (sog. proof of concept), vergehen viele Jahre und es werden rund 50 Mio. EUR gebraucht. Die Entwicklung eines neuen Biopharmazeutikums, also eines biotechnologischen Arzneimittels durchläuft verschiedene Phasen, bis es die Patientin/den Patienten erreicht.

Zunächst werden im Rahmen der präklinischen Phase die Sicherheit und Verstoffwechselung erprobt. Im Rahmen der klinischen Phasen (II bis III) werden Therapien in Studien mit größter Sorgfalt getestet, um die Wirksamkeit, Sicherheit und Unbedenklichkeit eines Medikaments nachweisen zu können. Statistisch gesehen erreicht nur eines von zehn in der Klinik erprobten Medikamenten die Patientin/den Patienten. Diesem einen Arzneimittel stehen am Ende Entwicklungskosten von durchschnittlich mehreren Hundert Millionen Euro bis zu über eine Milliarde Euro gegenüber. Um die Entwicklung von Innovationen am Standort Deutschland zu halten, sind Verbesserungen auf mehreren Ebenen notwendig.

Finanzierung von Forschung und Entwicklung (FuE)

Die Möglichkeiten zur Finanzierung der Forschung und Entwicklung muss nachhaltig verbessert werden. Hier sprechen wir von einen funktionierenden Investitionsökosystem, damit die Unternehmerinnen und Unternehmer neben der schon gut funktionierenden Gründungsfinanzierung auch die Wachstumsphasen hinreichend finanzieren und einen Markteintritt auf internationalem Niveau sicherstellen können. Dafür muss Deutschland für Wachstumskapital interessant sein. Für Investorinnen und Investoren sollte ein Investment in deutsche Biotech-Unternehmen attraktiv und perspektivisch wertvoll sein. Gleichzeitig brauchen wir Rahmenbedingungen, die den Ausstieg der Investierenden (exit) und damit eine Weiterentwicklung der Unternehmen ermöglichen. Dafür ist u. a. ein IPO (initial public offering – Börsengang), Trade Sale (Unternehmensverkauf) oder eine Finanzierungsrunde mit Investorenwechsel notwendig. Die „Exits“ der letzten Jahre gingen vielfach mit dem Weggang der Biotech-Unternehmen ins Ausland einher. Es muss das Ziel sein, das Know-how und die Entwicklungskraft am Standort zu halten.

Sicherung der Fachkräfte

Eine passende Finanzierung ist ein Baustein des Erfolges. Ein weitere sind bei der forschungsintensiven Biotechnologie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Fachwissen. Daher sind beispielsweise Mitarbeiterkapitalbeteiligungen für biotechnologische Gründerinnen und Gründer sowie Unternehmerinnen und Unternehmer sowohl eine Maßnahme qualifizierte „Köpfe“ anzuziehen und im Unternehmen zu halten. Es gibt den Unternehmen aber gleichzeitig die Möglichkeit, ihre Mitarbeitenden an der Entwicklung des Unternehmens teilhaben zu lassen und dadurch eine direkte Identifikation mit dem Unternehmen zu erreichen. Bei den Regelungen zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung sind wir in Deutschland noch längst nicht auf dem internationalen Niveau. Die von der Bundesregierung angestoßenen Änderungen mit dem sich aktuell in der Gesetzgebung befindenden Fondsstandortgesetz greifen bisher leider viel zu kurz. Es besteht erheblicher Nachbesserungsbedarf bei den Themen „keine Besteuerung von dry income“, „Zeitpunkt der Versteuerung“ und „Anwendungsbereich“ der Regelung.

Das Fondsstandortgesetz sieht eine Versteuerung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung nicht zum Zeitpunkt des Erwerbs, sondern bei Eintreten verschiedener Ereignisse oder spätestens nach Ablauf von zehn Jahren vor. Wenn aber nach zehn Jahren aus der Mitarbeiterkapitalbeteiligung keine Erlöse fließen, spricht man von einer Besteuerung des dry income. Wie bereits erwähnt, ist die bspw. die Therapieentwicklung langwierig und mit hohem Kapitaleinsatz und Aufwand verbunden. Entwicklungsprojekte laufen oft länger als 10 Jahre. Aufgrund der eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten (zumeist ist nur Venture Kapital eine Option) verlängern sich insbesondere Therapieinnovationsentwicklungen in Deutschland.

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden ihre Beteiligungen aber erst veräußern (wollen), wenn ein Erfolg des Unternehmens/des Projektes und damit auch ein Gewinn aus der Beteiligung in Aussicht steht. In den späten Entwicklungsphasen (klinische Prüfungen der Phasen II und III) ist es durchaus normal, dass die Unternehmensbewertung je nachdem, wie das Zwischenergebnisaus den klinischen Prüfungen ausfällt, stark schwankt. Sollte in diese Phase das Ende der Zehn-Jahresfrist fallen, würden Mitarbeitende gezwungen ihre Anteile – zumindest anteilig – unter Wert zu verkaufen, wenn sie die Steuern nicht anderweitig ausgleichen können. Der Regelung im Fondsstandortgesetz liegt demnach eine gewisse Unberechenbarkeit zugrunde, die den Zielen dieser Neuregelung deutlich entgegensteht.

Zudem privilegiert das Fondsstandortgesetz nur tatsächliche Kapitalbeteiligungen. Um ausreichend attraktiv für Biotech-KMU zu sein, sollten auch die im internationalen Kontext sehr verbreiteten, erst zu einem späteren Zeitpunkt ausübbaren Anteilsoptionen sowie nicht nur direkte, sondern auch indirekte Beteiligungsformen, z.B. über sog. Pool-Instrumente einbezogen werden.

Fazit

Dass die deutsche Biotechnologie Großes leisten kann, hat sich nicht zuletzt in der Corona-Pandemie gezeigt. Neuartige und sehr wirksame Impfstoffe aus deutschen Biotechunternehmen, erste PCR-Tests von deutschen Diagnostikunternehmen samt Weiterentwicklungen und einer Skalierung im großen Maßstab – alles in kürzester Zeit. Ein wenig aus den Augen verloren wurden dabei jedoch weitere sehr wichtige Forschungs- und Entwicklungsprojekte für die Pandemiebewältigung, wie z. B. COVID-19-Therapien – gerade für die schweren Verläufe der Erkrankung.

Darüber hinaus bedarf es eines neuen Innovationsgeistes in der deutschen Bundesregierung, um auch die vielen weiteren Biotech-Geschäftsmodelle zum Wohle des Standortes Deutschland voran zu bringen. Eine „Biotechnologie-Agenda“ ist seit Jahren überfällig und sollte so umgesetzt werden, dass sie den Namen auch verdient.

 

Oliver Schacht PhD