In diesen Tagen jährt sich – außerhalb der Fachöffentlichkeit weitgehend unbemerkt – zum 50. Mal die Einführung der Städtebauförderung in Deutschland.

Das Inkrafttreten des „Gesetzes über die städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden (Städtebaufördergesetz)“ am 1. August 1971 markierte ohne Zweifel einen Wendepunkt in der Städtebaupolitik. In der Rückschau erweist sich dieses Datum als Geburtsstunde einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik als Gemeinschaftsaufgabe aller föderalen Ebenen. Die Städtebauförderungsprogramme sollten das Gesicht von Städten und Gemeinden nachhaltig verändern, und sie sollten die Grundlagen schaffen für ein Fördersystem, das bis heute – auch und gerade im Lichte immer neuer Herausforderungen – als Vorbild für andere Politikfelder dient.

Entsprechend euphorisch klingen die Stellungnahmen und Veröffentlichungen im Jubiläumsjahr seitens der Fachöffentlichkeit und der Politik. Da ist von der Städtebauförderung als starkem Programm für die Transformation unserer Städte die Rede und von einem einzigartigen Zukunfts- und Erfolgsmodell für Städte und Gemeinden.

Beeindruckende Zahlen rechtfertigen das Lob: 9.314 Gesamtmaßnahmen wurden im Zeitraum von 1971 bis 2020 durch die Städtebauförderung gefördert. Mehr als 3.900 Kommunen erhielten oder erhalten Städtebauförderung. Nach 50 Jahren beträgt das Gesamtvolumen der Bundesförderung ca. 19,3 Mrd. Euro. 790 Mio. Euro Bundesförderung fließen im Jahr 2021 in die Städte und Gemeinden. Und nicht zuletzt generiert 1 Euro Städtebauförderung durchschnittlich 7 Euro private oder öffentliche Investitionen.

Wegmarken der Programmentwicklung waren zunächst die städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen und der Denkmalschutz als Herzstücke der Städtebauförderung zugunsten einer behutsamen Stadterneuerung.

Das 1991 eingeführte Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz Ost“ trug dazu bei, die historischen Altstädte in Ostdeutschland vor dem Verfall zu retten und zu revitalisieren. Ab 2009 wurde es folgerichtig auch auf Westdeutschland ausgeweitet.

2002 wurde das Programm „Stadtumbau Ost“ mit dem Ziel gestartet, Plattenbausiedlungen aufzuwerten und in von Leerstand betroffenen Wohnvierteln vermehrt Rückbau vorzunehmen. 2010 folgte das Programm „Stadtumbau West“. Beide Programme sind seit 2017 zusammengeführt und firmieren nun im Rahmen einer neuen Programmstruktur, auf die sich Bund und Länder 2020 verständigt haben, unter der Überschrift „Wachstum und nachhaltige Erneuerung – Lebenswerte Quartiere gestalten“. Dahinter verbirgt sich der Schwerpunkt, bei der Brachflächenentwicklung zur Unterstützung des Wohnungsbaus bzw. zur Entwicklung neuer Quartiere umwelt- und klimapolitische Aspekte noch stärker zu berücksichtigen.

Stadt- und Ortskerne zu attraktiven, multifunktionalen und identitätsstiftenden Standorten für Arbeiten, Wirtschaft, Wohnen, Bildung und Kultur weiter zu entwickeln ist Anliegen des neuen Städtebauförderungsprogramms „Lebendige Zentren – Erhalt und Entwicklung der Stadt- und Ortskerne“. In ihm werden insbesondere die Schwerpunkte der bisherigen Programme „Städtebaulicher Denkmalschutz“ und „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ (seit 2009) gebündelt.

Die in den 1990er Jahren weiter fortschreitenden Tendenzen sozialer Polarisierung und sozialer Segregation in benachteiligten Stadtquartieren führten 1999 zur Einführung des Programms „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf – Die Soziale Stadt“.

Dabei handelte es sich zweifellos um einen Meilenstein auf dem Weg zu einer ganzheitlichen, integrierten, sozialräumlich ausgerichteten und in der Konsequenz nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik: Baulich-investive und sozial-integrative Maßnahmen ergänzten sich. Verwaltungseinheiten auf allen Ebenen, die bis dato in der Regel nebeneinanderher gearbeitet hatten, kooperierten. Finanzielle und personelle Ressourcen wurden gebündelt. Soziale Träger, Wohnungsunternehmen und Immobilieneigentümer entwickelten sich zu Partnern der Quartiersentwicklung, die lokale Ökonomie wurde gestärkt. Bewohnerinnen und Bewohnern waren nicht mehr länger nur Betroffene, sondern wurden zu Beteiligten. Und schließlich wurde das Quartier eine bedeutende Handlungsebene für Politik und Verwaltung – all das macht die Erfolgsgeschichte des Programms bis heute aus.

Umso heftiger fielen die Reaktionen auf die drastischen Kürzungen des Programms durch die schwarz-gelbe Bundesregierung 2011 aus, die die bis dahin erzielten Erfolge gefährdeten. Ein von zahlreichen Organisationen getragenes „Bündnis für die Soziale Stadt“ war der sinnfälligste Ausdruck für die bundesweit erhobenen und erfolgreichen Proteste gegen die Mittelkürzungen, die dann glücklicherweise eine unrühmliche Episode blieben.

2016 wurde die Ressortübergreifende Strategie „Soziale Stadt – Nachbarschaften stärken – Miteinander im Quartier“ auf den Weg gebracht. Sie bildet die Grundlage für eine kontinuierliche Zusammenarbeit der beteiligten Bundesressorts. Das Programm „Soziale Stadt“ fungiert seitdem als Leitprogramm für soziale Integration, Verringerung von Ungleichheiten und sozialer Ausgrenzung. Heute wird das Programm unter dem neuen Label „Sozialer Zusammenhalt – Zusammenleben im Quartier gemeinsam gestalten“ fortgeführt.

Ohne gleich Wasser in den Wein gießen zu wollen: Die Klagen der Kommunen darüber, aufgrund angespannter Haushaltslagen mitsamt den daraus resultierenden Personalengpässen die Programme nicht kofinanzieren und administrieren zu können, müssen ernst genommen werden. Die dauerhaft hohe Mittelausstattung der Programme der Städtebauförderung ist eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für ungetrübte Freude. Für eine verlässliche Finanzausstattung vor allem der strukturschwachen Kommunen zu sorgen ist eine Aufgabe, die in der nächsten Legislaturperiode dringend erledigt werden muss.

Dennoch gilt: 50 Jahre Städtebauförderung sind ein Grund zu feiern. Wir haben es mit einer enorm widerstands- und zugleich anpassungsfähigen „Institution“ zu tun, die für vielfältige Transformations- und Integrationsaufgaben unserer Gesellschaft in Anspruch genommen werden kann. Und die ganz nebenbei ein geradezu leuchtendes Beispiel für einen kooperativen oder gelingenden Föderalismus ist. Wenn sie nicht längst gäbe, müsste man sie erfinden.

 

Petra Weis