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Ungeachtet der Spannungen der vergangenen Jahre verbindet die Vereinigten Staaten und Deutschland weiterhin eine gute transatlantische Beziehung. Ein großer Verdienst gebührt Bundeskanzlerin Merkel, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten Garantin für eine stabile Beziehung war, während in den USA die Regierungen und mit ihnen die Prioritäten kamen und gingen.

Sowohl die USA als auch Deutschland sehen im jeweils anderen einen gleichgesinnten Verbündeten. Die USA sind der größte Exportmarkt für deutsche Firmen außerhalb Europas, schon deshalb sind die beiden Wirtschaftsräume unglaublich eng miteinander verflochten. Die Trump-Regierung hat versucht, diese wirtschaftliche Verflechtung als Druckmittel einzusetzen, letztlich aber erfolglos.

Die Biden-Administration hat erkannt, dass eine Zusammenarbeit für beide Seiten bessere Ergebnisse bringt. Dabei war es für die Beziehungspflege sehr wichtig, dass sich die deutsche Regierung in diesem Jahr sehr schnell daran gemacht hat, die Spannungen in den Handelsbeziehungen mit den USA abzubauen. Die momentane Ruhephase bietet dafür ein kurzes Zeitfenster, ehe angesichts eines möglicherweise bevorstehenden Regierungswechsels in Berlin und eines möglichen Machtwechsels im US-Repräsentantenhaus die nächste Phase der Ungewissheit folgt.

Und nicht nur bei den Handelsbeziehungen, auch bei anderen Schlüsselthemen haben beide Nationen in jüngster Zeit Bereitschaft gezeigt, kurzfristige Zugeständnisse zu machen, um langfristige Ziele zu erreichen. Wir haben dies beim globalen Mindeststeuerabkommen beobachten können, und ich erwarte ähnliche kooperative Bemühungen in Bezug auf den wachsenden chinesischen Einfluss in Afrika und Lateinamerika, vor dem politische Entscheidungsträger zunehmend warnen.

Einig sein sollten sich beide Seiten unbedingt auch beim Kampf gegen den Klimawandel und dem notwendigen Übergang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft in den kommenden Jahren. Bei diesem Thema können die USA viel von Deutschland lernen, dessen politische Entscheidungsträger die potenziellen Risiken erkannt und viel früher gehandelt haben.

Wie die meisten wegweisenden Maßnahmen ist auch die Energiewende in Deutschland nicht genau nach Plan verlaufen, dennoch sind die Ergebnisse bemerkenswert. Von der Einführung im Jahr 2011 bis 2018 – neuere Daten liegen noch nicht vor – hat Deutschland den Anteil grüner Energieträger am Energiemix von 16,7 Prozent auf 35 Prozent erhöht.

Die Energiewende ist der Beweis dafür, dass eine konzertierte, staatlich geführte Politik einen schnellen Fortschritt hervorbringen kann. Wobei man einräumen muss, dass dieser Fortschritt auch Nebenwirkungen hat: Die Energiepreise in Deutschland sind hoch, und der immer noch hohe Anteil von Kohle könnte den weiteren Fortschritt gefährden.

Hier wiederum kann und sollte Deutschland von den USA lernen. Wenn man die deutsche Politik und Planung mit der Innovationskraft der USA verbinden würde, würde man bessere und schnellere Ergebnisse erzielen.

Ich habe vor kurzem mehrere Wochen in Deutschland verbracht und mich mit Gesprächspartnern in Frankfurt, Berlin, München und vielen anderen Städten ausgetauscht. Dabei wurde deutlich, dass es eine große Lücke gibt zwischen der Fachkompetenz, die benötigt wird, um Lösungen für den Klimawandel zu entwickeln, und den Finanzierungsmöglichkeiten, die es für Innovationen in großem Maßstab braucht.

Auf der einen Seite macht Deutschland seinem Ruf alle Ehre: Das Land verfügt über ein tiefes technisches Wissen, das bahnbrechende Innovationen im Kampf gegen den Klimawandel ermöglichen kann und sollte. Von effizienteren Technologien für die Nutzung von Solar- und Windenergie bis hin zu Plattformen zur Kohlenstoffabscheidung – es gibt kaum ein Land, das bessere Voraussetzungen hat als Deutschland, um Lösungen für die Zukunft zu entwickeln.

Auf der anderen Seite steht nach wie vor die Unfähigkeit, Innovationen über das Entwicklungs-Stadium hinaus zu finanzieren. Wie ich immer wieder höre und auch selbst erlebt habe, ist Risikokapital für die frühe Phase in Deutschland zunehmend verfügbar – doch es fehlt Kapital, um weitere Fortschritte zu finanzieren.

Ich glaube, die Politik könnte dieses Problem lösen. Und ich stimme der Aussage im SPD-Positionspapier „Made in Germany“ zu, dass wir dringend bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen in Deutschland schaffen müssen, um Innovationen zu fördern. Nicht überzeugt bin ich hingegen von der vorgeschlagenen aktiven Rolle des Staates.

Was deutschen Innovatoren vor allem fehlt, ist der Zugang zu anspruchsvolleren und skalierbaren Kapitalquellen – und das schließt letztlich einen einheitlichen europäischen Kapitalmarkt ein. Als Folge davon werden innovative Unternehmen häufig bereits in der Frühphase aufgekauft, in den vergangenen Jahren häufig von Unternehmen oder so genannten SPACS mit Sitz in den USA.

Um besser zu verstehen, warum sich Deutschland in dieser Position als Exporteur von Innovationen befindet, muss die Politik erkennen, dass Amerika zwei entscheidende Vorteile gegenüber Deutschland hat, wenn es um Unternehmensfinanzierung geht:

Der erste Vorteil ist kultureller Natur und mag simpel erscheinen – es ist Amerikas Fähigkeit, Scheitern anzuerkennen. Die Möglichkeit des Scheiterns und die Notwendigkeit, Rückschläge zu überwinden, sind tief in der amerikanischen Psyche verankert.

In den USA gilt es als ehrenhafter, etwas zu versuchen und damit zu scheitern, als es gar nicht erst zu versuchen. Und diese Einstellung kann den Unterschied ausmachen, wenn es um etwas Unsicheres wie Innovationen geht. Die Deutschen müssen das Scheitern von seinem Stigma befreien, wenn sie Innovationen effektiv fördern wollen. Start-ups sind riskant, aber Risikoträger sollten gesellschaftlich nicht dafür bestraft werden, wenn sie etwas versuchen.

Der zweite Punkt, der Amerika ausmacht, ist der breite und liquide Markt für Wagnis- und Hochrisikokapital. Die Wirtschaft braucht spezialisierte Investoren – nämlich dort, wo Banken und traditionelle Aktieninvestoren das Risiko nicht tragen können oder dürfen.

Wie gesagt: Wir sehen vielversprechende Entwicklungen, beispielsweise in Berlin, und für Entwicklungsphasen ist zunehmend Kapital verfügbar. Aber es fehlen noch gute Wachstumsbedingungen in der Breite. Die aktuellen Fortschritte sollten unterstützt und gefördert werden. Aber der nächste Schritt muss darin bestehen, Private Equity und andere Mid-Stage-Investoren anzulocken, die dabei helfen, Innovationen zu skalieren.

Auf lange Sicht brauchen innovative Unternehmen Zugang zu einem tiefen und liquiden Kapitalmarkt – über Deutschland hinaus. Der weltweit führende Kapitalmarkt der Vereinigten Staaten treibt das Wachstum an und fördert Innovationen auf einem Niveau, mit dem Europa nicht mithalten kann.

Deshalb sollten die politischen Entscheidungsträger in der gesamten EU einem gemeinsamen Kapitalmarkt Vorrang einräumen. Eine Kapitalmarktunion, die Bürokratie abbaut und letztlich Kosten senkt, würde einen Kapitalfluss über die Grenzen hinweg freisetzen und Investoren effizienter mit denjenigen verbinden, die Finanzmittel benötigen. Nur große, gut funktionierende und integrierte Kapitalmärkte können das Ausmaß an Unterstützung bieten, das nötig ist, damit sich die Wirtschaft von der Corona-Krise erholen und Europa den grünen Wandel meistern kann.

Ein wichtiger Teil jeder Zusammenarbeit besteht darin, voneinander zu lernen. Die Vereinigten Staaten sollten sich von Deutschland den Top-Down-Ansatz für die nachhaltige Transformation abschauen. Sonst werden sie es nicht schaffen, die Kohlenstoff- und Treibhausgasemissionen im erforderlichen Ausmaß zu reduzieren. Umgekehrt sollte sich Deutschland die starke amerikanische Innovationsförderung zum Vorbild nehmen und damit seine ureigenen Potenziale bestmöglich nutzen.

Nur indem beide Seiten ihre jeweiligen Stärken und Schwächen erkennen und angehen, können sie die Grundlage für Fortschritte bei den Schlüsselthemen der Zukunft legen – mit dem Klimawandel an vorderster Stelle.

 

Christiana Riley