Innovationen sind der Motor unseres Wachstums. Diese Aussage ist politisches Mantra und ökonomischer Fakt zu gleich. Ein Großteil der Innovationen entsteht in Unternehmen, die jedes Jahr große Summen in die Forschung und Entwicklung (FuE) neuer Produkte und Prozesse investieren. FuE führt dazu, dass Unternehmen wachsen, sich ihre Produktivität steigert und neues Wissen generiert wird. All das lässt unsere Wirtschaft wachsen.

Die Politik sollte daher die Innovationstätigkeit von Unternehmen möglichst wenig durch staatliche Eingriffe beeinträchtigen. Im Gegenteil, es gibt gute ökonomische Gründe, die FuE-Aktivitäten von Firmen sogar zu fördern. Und hier kommen Steuern auf Unternehmensgewinne ins Spiel. Sie sind ein fester Bestandteil des Steuersystems und tragen zur Finanzierung der Staatsausgaben bei. Gleichzeitig lassen höhere Steuern auf Unternehmensgewinne Investitionen schrumpfen. Dieser negative Zusammenhang sollte im Fall von Investitionen in FuE sogar besonders stark sein, weil diese risikoreicher sind. Dies erschwert die Finanzierung mit Fremdkapital, so dass ein großer Teil der FuE-Tätigkeiten von Unternehmen eigenkapital-finanziert ist. Höhere Gewinnsteuern belasten allerdings besonders stark Investitionen, die durch Eigenkapital finanziert werden, da diese Finanzierungskosten schwerer abzugsfähig sind. So zumindest die Theorie.

Aber lässt sich dieser erwartete Zusammenhang tatsächlich empirisch belegen? Bisher gibt es hierzu wenig Evidenz. In einer neuen Forschungsarbeit mit meinen KollegInnen Andreas Lichter, Max Löffler, Ingo E. Isphording, Thu-Van Nguyen und Felix Pöge gehen wir daher dieser Frage nach und schätzen den kausalen Effekt höherer Gewinnsteuern auf FuE-Ausgaben von Firmen.

Als WirtschaftswissenschaftlerInnen können wir in diesem Fall (leider!) nicht einfach in ein Labor gehen, eine Versuchs- und eine Kontrollgruppe auswürfeln und in einem Experiment den kausalen Effekt bestimmen. Wir benötigen – das wissen viele Leser spätestens seit der Kür der jüngsten Wirtschaftsnobelpreiseträger – ein Quasi-Experiment, also eine Umgebung, die einem Laborexperiment gleichkommt.

Unser Labor ist Deutschland und unser Versuchspräparat die Gewerbesteuer. Die Höhe der Gewerbesteuer wird von den gut 11.000 deutschen Gemeinden maßgeblich beeinflusst. Jedes Jahr entscheidet der jeweilige Gemeinderat eigenständig über die Höhe der Gewinnsteuer für Kapital- und Personengesellschaften für das kommende Jahr. Etwa 10% aller Gemeinden ändern den Steuersatz zum nächsten Jahr – in aller Regel steigt dabei die Steuerlast. Wir machen uns diese Umgebung zu Nutze und betrachten alle Steuererhöhungen westdeutscher Gemeinden zwischen 1987 und 2013. Jede dieser 7300 kommunalen Steueränderungen ist ein Versuch, in dem die ansässigen Firmen in unterschiedlicher Höhe von Steuererhöhungen betroffen sind. Firmen in Gemeinden, die ihre Steuer konstant ließen oder Gemeinden, die die Steuer in einem anderen Jahr änderten, bilden die jeweilige Kontrollgruppe. Verbleibende Änderungen zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe bereinigen wir statistisch.

Neben einem quasi-experimentellen Design braucht es detaillierte und qualitativ-hochwertige Daten. Diese erhalten wir vom Stifterverband, der alle zwei Jahre nahezu alle Unternehmen mit FuE-Tätigkeit in Deutschland zu ihren FuE-Ausgaben befragt. Die Zahlen meldet Deutschland als offizielle Statistiken über die FuE-Landschaft an die EU und die OECD.

Unsere empirischen Ergebnisse bestätigen die theoretischen Vorhersagen: Höhere Gewerbesteuern reduzieren die FuE-Ausgaben betroffener Unternehmen. Der Rückgang an FuE-Ausgaben hat darüber hinaus Auswirkungen auf die reale Innovationstätigkeit – die Anzahl angemeldeter Patente von Unternehmen mit erhöhter Belastung durch die Gewerbesteuer sinkt mittelfristig im Vergleich zu Unternehmen ohne Steuererhöhung.

Interessant ist, welche Unternehmen besonders stark auf höhere Gewerbesteuern reagieren. Die Analyse zeigt, dass vor allem junge und – der Theorie folgend – kreditbeschränkte Unternehmen ihre FuE-Aktivitäten zurückfahren, wenn die Belastung durch die Gewerbesteuer steigt. Firmen mit mehreren Betriebsstätten und Einzelunternehmen reagieren ähnlich. Darüber hinaus scheint der negative Effekt der Besteuerung nicht von der Betriebsgröße abzuhängen.

Der empirische Befund ist letztlich eindeutig, aber was sind die wirtschaftspolitischen Implikationen? Sollte die Politik nun die Unternehmenssteuerlast senken, um die FuE-Aktivität von Unternehmen ankurbeln und Wachstumsimpulse zu setzen? Im Prinzip lautet die Antwort „ja“. Allerdings sollte der Steueranreiz zielgenau sein. Eine pauschale Absenkung der Gewerbesteuer begünstigt auch Unternehmen, die niemals innovativ tätig sein werden. Diese freuen sich zwar über die Steuerentlastung, tragen aber nichts zur Stärkung Deutschlands als FuE-Standort bei.

Konkret würde nach unseren Schätzungen eine Absenkung der Gewerbesteuerbelastung um einen Euro die FuE-Aktivitäten von Unternehmen um 34 Cents erhöhen – eine vergleichsweise ineffektive Operation. Effektivere Alternativen sind gezielte steuerliche Anreize für FuE. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass derart steuerliche Anreize hoch wirksam sind – sei es durch Steuergutschriften, verbesserte steuerliche Abzugsmöglichkeiten oder direkte Zulagen. Studien aus dem Vereinigten Königreich zeigen beispielsweise, dass verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten für FuE-Aufwendungen sehr effektiv sind: Für ein Pfund an geringerer Steuerbelastung, entstehen zusätzliche FuE-Investitionen FuE-Investitionen von bis zu 1,7 Pfund – ein Effektivitätsgrad, der etwa fünf Mal höher ist als der von uns ermittelte Effekt durch das pauschale Absenken der Gewerbesteuer.

Lange Zeit befand sich Deutschland im Dornröschen-Schlaf und verzichtete als eines der wenigen hoch-entwickelten Länder auf gezielte steuerliche Förderung von FuE. Seit dem 1. Januar 2020 gibt es nun aber die Forschungszulage, die 25% der FuE-Personalkosten bis zu einem Deckel von 500.000 Euro übernimmt. Die Förderung richtet sich grundsätzlich an alle Unternehmen – und nicht nur an kleine und mittlere Firmen, wie in vielen anderen hochentwickelten Ländern. Dieser Umstand ist zu begrüßen, zeigt unsere Analyse ja keine signifikant unterschiedlichen Effekte nach Firmengröße auf. Im Zuge der Corona-Krise wurde im Sommer 2020 der Deckel für die Zulage für FuE-Aufwendungen, die bis zum Sommer 2026 entstehen, auf 1 Million Euro erhöht. So können auch größere Unternehmen mit hohen FuE-Ausgaben stärker von der Zulage profitieren.

Die Ampel-Koalition hat sich zum Ziel gesetzt bis 2025 den Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt auf 3,5 Prozent zu erhöhen. 2014 lag der Anteil noch bei 2,9 Prozent, 2019 schon bei 3,2 Prozent. Unsere Studienergebnisse lassen einen weiteren Anstieg durch die Einführung der Forschungszulage erwarten, der Deutschland näher an den Zielwert bringen sollte.

 

Prof. Dr. Sebastian Siegloch