Die Welt ist seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine andere geworden. Es ist nicht nur ein völkerrechtswidriger, brutaler Krieg. Putin und seine Schergen führen auch einen Angriff auf die Freiheit und unsere westlichen Werte – ja gegen unsere Art zu leben. Neben der menschlichen Betroffenheit entwickelt sich ebenso eine wirtschaftliche Betroffenheit, die von Tag zu Tag stärker spürbar wird.
Unser Respekt und unsere Unterstützung gelten den Menschen in der Ukraine, die ihre Freiheit verteidigen – und auch den Menschen in Russland, die sich kritisch zur Politik des Präsidenten äußern.
Die Wirtschaft unterstützt die Bundesregierung ausdrücklich in den Maßnahmen, die ergriffen worden sind. Es ist richtig, dieser Aggression gegenüberzutreten. Im Zuge dessen werden auf Deutschland große wirtschaftliche und soziale Herausforderungen zukommen. Doch das sollte uns nicht verunsichern, sondern in unserem Kurs bestärken: Freiheit und Demokratie gibt es nun einmal nicht umsonst.
Unsere Unterstützung gilt auch für die Bewältigung der humanitären Folgen des Krieges. Wir Arbeitgeber helfen den Menschen aus der Ukraine ganz konkret, etwa mit Unterkunft, Nahrung und Kleidung. Viele Unternehmer leisten zudem ihren Beitrag zur Integration in den Arbeitsmarkt und in Ausbildung. Es gilt nun, bestehende und bewährte Verfahren zur Aufnahme zu nutzen, damit diese unbürokratisch, aber rechtssicher organisiert und vorbereitet werden können. Dazu brauchen wir eine enge Abstimmung aller Akteure. Insbesondere die Kommunen, die die Unterbringung organisieren, stehen vor einer großen Herausforderung.
Mit unserem Portal #WirtschaftHilft haben wir zusammen mit BDI, DIHK und ZDH eine Anlaufstelle im Internet geschaffen. Unternehmen bekommen hier Unterstützung bei Fragen wie:
- Wo und wie kann ich spenden?
- Welche Unterstützung bekommen Betriebe und ihre Beschäftigten?
- Wie kann ich Geflüchtete in Ausbildung und Beschäftigung integrieren?
Der Krieg in der Ukraine ist eine sicherheitspolitische Zäsur. Viele von uns lebten im festen Glauben, dass diese Art von Krieg in Europa für immer der Vergangenheit angehört. Putin hat das geopolitische Schachbrett umgeworfen. Wir spüren eine tiefe Unsicherheit, wenn wir in die Zukunft blicken. Gleichzeitig sind wir mit unseren Bündnispartnern und den Nationen, die unsere Werte von westlicher Demokratie und Freiheit teilen, wieder enger zusammengerückt.
Dennoch müssen wir erkennen: Das Fundament, auf dem wir die Zukunft geplant haben, ist über Nacht umgekippt. Das gilt für unsere international stark vernetzten Unternehmen, die in diesen Tagen mit Energie-, Rohstoff- und Lieferkettenfragen zu kämpfen haben. Das gilt aber auch für die Politik.
Diese Ampel-Koalition ist beeindruckend geräuschlos und dynamisch in die neue Legislatur gestartet. Ausgangspunkt der Zusammenarbeit war der Koalitionsvertrag. Dieser Koalitionsvertrag hat jetzt allerdings maßgebliche Teile seiner Grundlage verloren. Ein Abarbeiten der Kapitel des Vertrages – wie wir es in den zurückliegenden Legislaturperioden erlebt haben – ist nicht mehr möglich. Wir müssen unser Handeln der Situation anpassen. Wir müssen neu denken. In der Außen- und Energiepolitik ist das schon passiert.
Eine starke, global vernetzte Wirtschaft ist ein geopolitisches Machtinstrument. Das können wir in diesen Tagen sehen. Wirtschafts- und finanzmarktpolitische Sanktionen haben die russische Wirtschaft hart getroffen. Im Gegenzug werden auch unsere Unternehmen und ihre Beschäftigten getroffen. Die Stärke und die Resilienz der Wirtschaft werden damit zum entscheidenden Faktor in Krisen. Daher brauchen wir jetzt eine entschiedene Prioritätensetzung.
Kurzfristig müssen wir unsere Wirtschaft stabilisieren. Die Arbeitgeber und ihre Beschäftigten werden in den kommenden Monaten viel schultern müssen – und das nach einer für viele Unternehmen zehrenden Phase der Pandemie. Wir brauchen jetzt ein Belastungsmoratorium. Unnötige neue Regulierungen und Belastungen sollten unterbleiben.
Erinnern wir uns an Worte von Helmut Schmidt, der in seiner ersten Regierungserklärung 1974 gesagt hat: „In einer Zeit weltweit wachsender Probleme konzentrieren wir uns in Realismus und Nüchternheit auf das Wesentliche, auf das, was jetzt notwendig ist, und lassen anderes beiseite.“ Ich ermutige die politisch Verantwortlichen dazu, auch jetzt nach diesem Satz zu handeln.
Um Unternehmen Luft zum Atmen zu verschaffen, werden wir – ähnlich wie während der Corona-Pandemie – Wirtschaftshilfen und staatliche Kreditlinien für die Betriebe benötigen. Anschließend müssen wir uns dem Strukturwandel unserer Wirtschaft zuwenden. Vieles von dem, was wir uns für die kommenden Jahre vorgenommen hatten, etwa mit Blick auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz, muss jetzt sehr viel schneller gehen – und das unter erschwerten Bedingungen.
In dieser Zeit brauchen die Unternehmen eine klare Perspektive. Nur ein Unternehmer, der einen positiven Ausblick hat, wird in Zukunftstechniken investieren und neue Arbeitsplätze schaffen. Kurz: Die Wirtschaft braucht ein klares Aufbruchssignal. Die Ampel hat sich mit ihrem Koalitionsvertrag die Überschrift „Mehr Fortschritt wagen“ gegeben. Jetzt ist die Zeit, damit beherzt anzufangen.
Außerdem brauchen wir zwingend eine vorrausschauende Vorbereitung auf die nächste Pandemie. Das kann gelingen durch ein verlässliche, nach bundeseinheitlichen Kriterien ausgerichtete Prävention und einen Gesundheits- und Arbeitsschutz, der Betrieben Planungssicherheit gibt. Wir müssen weiterhin gemeinsam engagiert für eine Verbesserung des Impfschutzes der Bevölkerung werben. Die Corona-Pandemie ist noch nicht überwunden.
Es gibt viel anzupacken: Die Schulden, die wir aufnehmen, müssen zurückgezahlt, die Sozialversicherungssysteme stabilisiert und Arbeitsplätze gesichert werden. Die Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land wissen, dass sich die Prioritäten in unserem Land verschieben. In einer aktuellen repräsentativen Forsa-Umfrage für die BDA sagen sie uns mit breiter Mehrheit, was sie von der Ampel in der Sozial- und Wirtschaftspolitik erwarten. Und das ist:
- mehr Digitalisierung
- mehr Bildung
- weniger Bürokratie
- Entlastungen für Bürger und Unternehmen – auch um die Sozialsysteme resilient zu machen
Und besonders wichtig: Deutschland braucht starke Eigentümer. Sie geben den Beschäftigten die Sicherheit, die sie zu Recht erwarten. Respekt für die Risikoübernahme durch Eigentum ist die Grundvoraussetzung für eine nachhaltige und generationenübergreifende Unternehmensführung. Daran mangelt es in Deutschland, gerade auch von Seiten der Politik. Wir brauchen wieder eine Gründer- und Eigentumskultur statt einer Neid- und Vollkaskokultur. Eine allumfassende Staatsgläubigkeit führt nirgendwo hin, außer in den wirtschaftlichen Abgrund.
Wenn wir Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung in Deutschland weiterhin auf einem guten Niveau halten wollen, dann führt an einer Politik, die die Wirtschaft stärkt, kein Weg vorbei. Und das ist auch die Voraussetzung für eine außenpolitische Resilienz: Eine starke Wirtschaft ist die Grundlage für Sicherheit in unserem Land.
Dr. Rainer Dulger