Für einen wettbewerbsfähigen Mittelstand, eine lebhafte Gesellschaft und gleichwertige Lebensverhältnisse

Mittelständische Unternehmen wurzeln oft seit Generationen in ländlichen Räumen. Mangelhafte Infrastrukturen und fehlende Fachkräfte setzen Unternehmen, Beschäftigte und deren Familien vor Ort unter Druck. Die Rahmenbedingungen müssen spürbar attraktiver werden – für Arbeiten, Wohnen und Leben. Es lohnt auch gesellschaftlich, ländlichen Räumen neuen Schub zu geben und neue Anreize zum Bleiben und Kommen zu setzen.

Mittelstand und Familienunternehmen sind wesentliche Erfolgsfaktoren für ihre Regionen: Eingebunden in innovative Wertschöpfungsverbünde wirtschaften sie vor Ort nachhaltig erfolgreich und sind oft gleichzeitig international tätig. Unternehmerischer Erfolg ermöglicht es Betrieben, attraktive Aus- und Weiterbildung sowie soziale Leistun­gen zu bieten. Wenig überraschend sind die Arbeitslosenzahlen in Regionen mit einer hohen Dichte an Familienunternehmen niedriger, das lokal verfügbare Steueraufkommen und die Kaufkraft höher.

Eigentümerinnen und Eigentümer von Familien­unternehmen sind häufig an den traditionellen Stammsitzen ihrer Betriebe heimisch. Was in der Region geschieht, betrifft sie auch als Bürgerinnen und Bürger. Das moti­viert dazu, sich in die Entwicklung der Region aktiv ein­zubringen. Sie unterstützen etwa Sportvereine sowie Kunst- und Kulturveranstaltungen und tragen so zum gesellschaftli­chen Leben vor Ort bei. Tatsächlich gäbe es ohne unternehmerisches Engagement wohl viele Leerstellen in Deutschlands Kulturatlas. Diese lokale Verankerung trägt nicht zuletzt zur besonderen Verbundenheit und Wertschätzung zwi­schen Belegschaft, Führungsebene und weiteren Akteu­ren vor Ort bei.

Für Unternehmen wird die traditionelle Standorttreue aber zunehmend nachtei­lig. Mangelhafte oder gar fehlende Infrastrukturen – von Straße und Schiene bis zum digitalen Netz – for­dern immer stärker heraus. Qualifiziertes Personal ist an vielen Stellen kaum zu finden oder schwer zu halten. In Kombination mit Effekten des demografischen Wandels und zu wenigen öffentlichen Zukunftsinvestitionen trägt das zur Abkopplung ganzer Landstriche bei. Das gefährdet soziale Stabilität, gesellschaftlichen Zusammenhalt und politische Toleranz.

Es gilt, die letztlich bekannten Strukturschwächen entschlossen zu beheben und die Stärken ländlicher Räume gezielt auszubauen. In den eher übersichtlichen Strukturen liegt das Potenzial, Ideen schneller umzusetzen, etwa Gewerbe- und Wohnungsbauflächen unbürokratisch auszuweisen. Überbordende Regularien von Bundesebene sollten pragmatische Lösungen vor Ort nicht untergraben – auch um die nächste Unternehmensgeneration mit Mut und Lust am Standort zu halten.

Heute stehen ländliche Regionen für etwa 46 Prozent der Bruttowert­schöpfung Deutschlands und sind Heimat für etwa 57 Prozent der Bevölkerung. Wer den industriellen Mittelstand als wesentlichen Erfolgsfaktor am ländlichen Standort erhalten will, sollte:

Flächendeckend modernste Infrastrukturen im Digitalen schaffen

Die Attraktivität ländlicher Räume hängt entscheidend von leistungsfähigen und sicheren digitalen Infrastrukturen ab. Unternehmen müssen an jedem Standort im Land umfassende digitale Prozesse nutzen und mit Kunden, Partnern und Zulieferern aus aller Welt digital interagieren können. Die Breitbandversorgung reicht in vielen ländlichen Regionen allenfalls aus, um einige Beschäftigte gleichzeitig in Videokonferenzen zu halten.

Es gilt, die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen in der Fläche zu sichern und Deutschland endlich flächendeckend an die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts anzukoppeln. Netze müssen in der Lage sein, Datenübertragungen im Gigabitbereich und in Echtzeit zu bewältigen. Dafür müssen in den nächsten Jahren hunderttausende Kilometer Glasfaserkabel verlegt und zehntausende Mobilfunkstandorte für 5G-Netze neu errichtet oder modernisiert werden.

Dies wird nur gelingen, wenn bestehende Ausbauhürden konsequent reduziert, mutig alternative und innovative Verlegemethoden genutzt und unnötige Bürokratieanforderungen in Planungs- und Genehmigungsverfahren vermieden werden.

Verkehrsinfrastrukturen modernisieren und ausbauen

Mangelhafte Verkehrsinfrastrukturen – bei Straße, Schiene, Brücke und Schleuse – setzen den industriellen Mittelstand zunehmend unter Druck. Wer in tief gestaffelten und grenzüberschreitenden Wertschöpfungsverbünden agiert, ist auf effiziente Logistikprozesse von jedem Unternehmensstandort aus angewiesen. In der Praxis bemängeln 72 Prozent von rund 2600 befragten Unternehmen, dass Infrastrukturmängel im Straßenverkehr ihre Geschäftstätigkeit beeinträchtigen.

Seit Jahren werden die Produktionsprozesse schlanker, die Zahl der Produktionsorte steigt, die Arbeitsteilung nimmt zu. Um wettbewerbsfähig zu wirtschaften, müssen Vorleistungen zeitgerecht die Produktion erreichen und fertige Produkte zügig die Werke verlassen. Oberste Aufgabe im Güterverkehr muss es sein, die wiederkehrenden Engpasslagen durch massiven Ausbau sowie Modernisierung des Netzes dauerhaft in den Griff zu bekommen. Transporte müssen trotz vieler Baustellen planbar bleiben.

Auch Fachkräfte achten bei der Wahl des Arbeitgebers auf moderne Mobilität vor Ort inklusive guter Anbindungen an größere Städte. Vor dem Hintergrund des enormen Sanierungs- und Modernisierungsstaus sollte das Investitionsniveau im Bundeshaushalt für die Verkehrsinfrastruktur möglichst verstetigt und bereitgestellte Mittel zügig verwendet werden – für bedarfsgerechte und bezahlbare Mobilität vor Ort sowie für effiziente Anbindungen an weltweite Exportmärkte.

Fachkräfteversorgung sichern und Bildungsmöglichkeiten flächendeckend anbieten

Hirn, Herz und Hand der Belegschaft sind einige der wichtigsten Produktionsfaktoren im rohstoffarmen Deutschland. Die meisten Mittelständler unternehmen viel eigenverantwortlich, um Personal zu gewinnen und zu halten, aber noch immer verlassen gerade junge und gut ausgebildete Menschen zu häufig ländliche Regio­nen. Oft kommen drei Faktoren zusammen, die den teilweise akuten Fachkräftemangel verstärken: die Urbanisierung, der Trend zur Akademisierung und der demografische Wandel. Notwendig bleibt ein Gesamtkonzept zur Erschließung aller inländischen Potenziale sowie die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte – aus Nachbarländern und darüber hinaus.

Die Politik ist gefordert, dringend gesuchte Talente durch attraktive Rahmenbedingungen und den Abbau unnötiger Bürokratie anzuwerben. Dafür müssen auch Visastellen und Ausländerbehörden personell und technisch auskömmlich ausgestattet sein und ausländische Abschlüsse unkomplizierter anerkannt werden.

Moderne Bildungsmöglichkeiten – ob in Schule oder Berufsschule – müssen flächendeckend und wohnortnah zur Verfügung stehen, um Abwanderung in Städte vorzubeugen. (Fach-) Hochschulen auch in ländlichen Gebieten zu halten, erlaubt es Unternehmen, Studierende frühzeitig anzusprechen. Zudem profitieren Mittelstand und Familienunternehmen von gemeinsamen Forschungsprojekten mit der Wissenschaft. Grundlagenforschung und industrielle Anwendung können sich befruchten. Orientieren sich Lehrangebote und Forschungsschwerpunkte auch an der lokalen Wirtschaftsstruktur, fördert das eine innovative und zukunftsorientierte Gestaltung der Region.

 

Link zur BDI-Broschüre: https://bdi.eu/publikation/news/laendliche-raeume-staerken/

 

Vanessa Wannicke, Fabian Wehnert