19.07.2022Geopolitik

Friend-Shoring und das Ende des Multilateralismus? Große Herausforderungen für die Handelsnation Deutschland

©
iStock bluejayphoto

 

 

„Die wirtschaftlichen Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine könnten ein entscheidender Moment für die Globalisierung im 21. Jahrhundert sein,“ warnte jüngst die Chefin der Europäischen Zentralbank, EZB, Christine Lagarde.[1] Der 24. Februar 2022 stellt eine Zäsur in den internationalen Beziehungen und der Weltwirtschaft dar. Nach Russlands Einmarsch in die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Eine Rückkehr zum Status Quo wird es nicht geben. Mitte März 2022 warnte der Internationale Währungsfonds (IWF): „Längerfristig könnte der Krieg die globale wirtschaftliche und geopolitische Ordnung grundlegend verändern, wenn sich der Energiehandel verlagert, die Versorgungsketten umgestaltet werden, die Zahlungsnetze zersplittern und die Länder ihre Währungsreserven überdenken. Wachsende geopolitische Spannungen erhöhen das Risiko einer wirtschaftlichen Fragmentierung, insbesondere in den Bereichen Handel und Technologie.“[2] Der Handel und die multilaterale Handelsordnung befinden sich in einer entscheidenden Phase.

Seit Jahrzehnten ist der Handel ein wichtiger Motor für Wirtschaftswachstum und Wohlstand sowie für die Schaffung von Arbeitsplätzen. In den vergangenen Jahrzehnten hat er dazu beigetragen, Millionen von Menschen weltweit aus der Armut zu befreien, und in vielen Fällen hat er neben der wirtschaftlichen auch die politische Freiheit gefördert. Handel ermöglichte die Verbreitung von Wissen und Ideen und schuf Interdependenzen, die zwar nicht immer Konflikte und Kriege verhinderten, wie der Krieg in der Ukraine schmerzlich zeigt, aber zur internationalen Stabilität beitrugen. Das multilaterale Handelssystem mit der Welthandelsorganisation (WTO) in seinem Zentrum hielt Machtpolitik in Schach und ermöglichte die Beilegung von Handelsstreitigkeiten auf der Grundlage von Regeln in einem weitgehend fairen Verfahren.

Doch diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Großmachtpolitik, ein Wettbewerb der Ideen und Systeme, kalte und heiße Konflikte sowie Kriege drohen die Welt in neue Blöcke zu spalten – große Autokratien auf der einen und liberale Demokratien auf der anderen Seite. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Freedom House stellte in ihrem jüngsten Bericht von Ende Februar 2022 fest, dass die Freiheit weltweit im 16. Jahr in Folge abgenommen hat.[3] Darüber hinaus bemerkte es eine wachsende Zusammenarbeit zwischen Autokratien weltweit, „um ihre Macht zu konsolidieren und ihre Angriffe auf Demokratie und Menschenrechte zu beschleunigen“.[4] Der Präsident von Freedom House, Michael J. Abramowitz, warnte: „Die Demokratie ist überall auf der Welt in echter Gefahr. […] Autoritäre Herrscher werden immer mutiger, während sich die Demokratien zurückziehen.“[5]

Internationaler Handel wird mehr und mehr unter dem Aspekt der Sicherheit gesehen: als Quelle nationaler Schwachstellen einerseits und als strategisches Zwangsinstrument andererseits. Dies wird sich massiv auf die Handelsströme auswirken und die Re-Regionalisierung und Re-Nationalisierung von Wertschöpfungsketten beschleunigen, die vor einigen Jahren begonnen hat. Gleichzeitig droht die ohnehin schon schwache WTO noch weiter geschwächt zu werden – und das zu einem Zeitpunkt, an dem eine starke Institution wichtiger denn je ist.

Schlechte Aussichten für die Weltwirtschaft

Der Ausblick für die Weltwirtschaft ist alles andere als rosig. Die Welt steht vor einer dreifachen Krise: einer Energiepreiskrise, einer Nahrungsmittelkrise und einer Finanzkrise. Diese dreifache Krise kommt zusätzlich zur Gesundheitskrise und Klimakrise. Sie alle verstärken sich gegenseitig. Die Weltbank erwartet, dass die Energiepreise im Jahr 2022 um mehr als 50 Prozent steigen werden.[6] Der Nahrungsmittelpreisindex der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) erreichte im März seinen höchsten Stand seit seiner Einführung.[7] Die Düngemittelpreise sind seit Anfang 2022 um fast 30 Prozent gestiegen, nachdem sie im letzten Jahr um 80 Prozent zugelegt hatten.[8] Besonders betroffen sind die armen Länder und die ärmeren Bevölkerungsschichten. Schon bevor Russland die Ukraine angegriffen hat, war die Zahl der hungernden Menschen weltweit aufgrund von Klimawandel, Kriegen und den Folgen der Corona-Pandemie stetig gestiegen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte, dass der Konflikt einen „Wirbelsturm des Hungers und einen Zusammenbruch des globalen Nahrungsmittelsystems“ verursachen könnte.[9] Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) könnte die Zahl der unterernährten Menschen im Laufe dieses und des nächsten Jahres um acht bis 13 Millionen Menschen ansteigen.[10] In vielen, von der Covid-19 Pandemie besonders gebeutelten Ländern, ist der Spielraum für fiskalpolitische Stützmaßnahmen eng. Aufgrund der hohen Inflation müssen zudem viele Zentralbanken die geldpolitische Bremse ziehen. Dies dämpft die Konjunktur weiter.

Vor Russlands Angriff auf die Ukraine und dem Lockdown in China hatte der World Economic Outlook des IWF vom Januar 2022 noch ein Wachstum des globalen BIP von 4,4 Prozent im Jahr 2022 und von 3,8 Prozent im Jahr 2023 prognostiziert.[11] In seiner Prognose vom April 2022 senkte der IWF das erwartete Wachstum auf 3,6 Prozent für sowohl 2022 als auch 2023.[12] Im Januar 2022 hatte die deutsche Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht noch mit einem Plus des BIP von 3,6 Prozent 2022 gerechnet.[13] In der aktuellen Frühjahrsprojektion von April 2022 erwartete sie nur noch einen Anstieg des BIP um 2,2 Prozent im Jahr 2022 und 2,5 Prozent 2023.[14] Die WTO hat ihre Wachstumsprognose für den Welthandel für 2022 deutlich nach unten revidiert, von 4,7 Prozent auf 3 Prozent.[15] Neben Russlands Krieg gegen die Ukraine tun Covid-Lockdowns in China, Engpässe gerade bei der Container-Schifffahrt, hohe Transportkosten und ein Arbeitskräftemangel ihr übriges, um den Welthandel zu bremsen.

Hinzu kommt – wie schon zu Beginn der Covid-19 Pandemie – ein weiteres Problem: Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine ist die Zahl der Länder, die Ausfuhrbeschränkungen für Lebensmittel verhängen, von 3 auf 16 gestiegen (Anfang April 2022).[16] Die Gesamtmenge der von den Beschränkungen betroffenen Ausfuhren entspricht laut dem International Food Policy Research Institute etwa 17 Prozent der weltweit gehandelten Kalorienmenge.[17] Zu den Ländern, die Ausfuhrbeschränkungen verhängen, gehören Russland (Weizen), Indonesien (Palmöl), Argentinien (Rindfleisch) sowie die Türkei, Kirgisistan und Kasachstan (Getreideprodukte).[18] Mitte Mai verbot Indien die Ausfuhr von Weizen, nachdem die Preise gestiegen waren und eine Hitzewelle die Ernte beschädigt hatte.

Ein weiterer Trend wird immer sichtbarer, der den Welthandel mittel- bis langfristig deutlich verändern könnte. Die jüngsten Ereignisse haben westlichen Ländern – Regierungen und Unternehmen – schmerzvoll vor Augen geführt, wie problematisch hohe, einseitige Abhängigkeiten bei kritischen Waren sein können. Das neue Risikobewusstsein wird drei Trends im Welthandel befeuern und zentrale Veränderungen in den Wertschöpfungsketten nach sich ziehen: 1. von Abhängigkeit zu Diversifizierung, 2. von Effizienz zu Sicherheit und 3. von Globalisierung zu Regionalisierung.

Was treibt die Re-Regionalisierung der Wertschöpfungsketten?

Die Neustrukturierung der globalen Wertschöpfungsketten ist kein ganz neues Phänomen. Während die 1990er und frühen 2000er Jahre durch eine stetige und schnelle Globalisierung der Wertschöpfungsketten gekennzeichnet waren, hatte dieser Trend im zweiten Jahrzehnt der 2000er Jahre – bereits vor der Covid-Pandemie – an Schwung verloren. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Erstens verändert die Digitalisierung die industrielle Produktion in einer Weise, die den internationalen Warenhandel zumindest in Teilen überflüssig macht. Neue Technologien wie der 3D-Druck oder auch das Selektives Laserschmelzen (SLM) erleichtern die Produktion vor Ort. Ein zweiter Faktor ist der technologische Aufholprozess der großen Schwellenländer. Vor allem China ist technologisch unabhängiger geworden und stellt zunehmend selbst Hightech-Produkte her, anstatt sie zu importieren.

Drittens ist seit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007-2010 eine stetige Zunahme protektionistischer Barrieren zu verzeichnen. Zwischen 2012 und 2019 registrierte die WTO im Jahresdurchschnitt 138 neue Maßnahmen. Im Zeitraum von Mitte Oktober 2019 bis Mitte Oktober 2020 führten die WTO-Mitglieder 89 neue handelsbeschränkende Maßnahmen ein; im Zeitraum von Mitte Oktober 2020 bis Mitte Oktober 2021 stieg die Zahl der restriktiven Maßnahmen noch einmal an.[19] Während sich die WTO-Mitglieder im weiteren Verlauf der Covid19-Krise mit neuen protektionistischen Maßnahmen zurückhielten und sogar eine höhere Zahl handelserleichternder Maßnahmen umsetzten, ist der Appetit, den eigenen Markt weiter zu öffnen, gering. Darüber hinaus waren die Jahre 2017 bis 2020 durch eine wachsende Zahl an Handelskonflikten gekennzeichnet, von denen viele auf die US-Regierung von Präsident Donald Trump zurückgingen. Einige prominente Beispiele waren die US-Zölle auf Stahl und Aluminium sowie die Zolleskalation zwischen den USA und China. Neue und strengere Gesetze in Bezug auf Exportkontrollen für Produkte mit doppeltem Verwendungszweck sowie Investitionsprüfungen in beiden Ländern veranlassten Unternehmen in einer Vielzahl von Branchen – darunter Halbleiter, Autos und medizinische Geräte – ihre Lieferketten neu zu denken.

Viertens stehen die Anfälligkeit für angebotsseitige Schocks und wirtschaftlichen Zwang sowie die Frage, wie Abhängigkeiten verringert werden können, seit einigen Jahren ganz oben auf der Agenda vieler westlicher Regierungen. Viele Regierungen erhöhen ihre Investitionen in Häfen, Flughäfen und andere Infrastruktur und unterstützen Forschung und Entwicklung sowie die Produktion kritischer Materialien. Die Vereinigten Staaten, die EU und Japan streben eine größere technologische Souveränität an. Beispiele hierfür sind der U.S. CHIPS Act und der European Chips Act. Beide zielen darauf ab, die Abhängigkeit von Taiwan und Südkorea bei Halbleitern zu verringern. Die US-Regierung drängt seit einigen Jahren darauf, die Abhängigkeit von China zu verringern (ein weiteres Beispiel ist die Entity List), aber die EU holt schnell auf. Das Motto der neuen Handelsstrategie der EU lautet „offene strategische Autonomie“. Die EU will selbstbewusster gegen unfaire Handelspraktiken im Ausland vorgehen, indem sie bestehende und neue handelspolitische Schutzinstrumente wie das Anti-Coercion-Instrument (Instrument gegen wirtschaftlichen Zwang) stärkt.

Schließlich werden der Einmarsch Russlands in die Ukraine und die Sanktionen gegen Russland die Re-Regionalisierung der Wertschöpfungsketten beschleunigen. Die Produktionskapazitäten der Ukraine sind stark beeinträchtigt.[20] Die westlichen Länder haben sich auf eine Reihe von Sanktionen gegen Russland geeinigt. Westliche Unternehmen ziehen sich wegen der Sanktionen aus Russland zurück. Viele weitere boykottieren das Land, auch wenn sie nicht gesetzlich dazu gezwungen sind. Unternehmen auf der ganzen Welt modernisieren ihre Beschaffungsstrategien, um die Abhängigkeit von Russland bei Transport und Rohstoffen und von China bei Komponenten und Fertigwaren zu verringern.[21] Hohe Transportkosten sind ein weiterer Motivationsfaktor.

Was bedeutet dies für Deutschland?

Deutschland ist wie kaum eine andere Industrienation abhängig von der Weltwirtschaft. Mit einer Außenhandelsquote von 89,4 Prozent (2021) ist Deutschlands Volkswirtschaft die ‚offenste‘ und somit am stärksten in den Welthandel eingebundene unter den G7-Staaten.[22] Gerade in den letzten Jahren wurde Deutschland seinem Ruf als Exportnation gerecht. 2020 behauptete Deutschland seine Position als drittgrößter Warenexporteur der Welt nach den USA und China.[23] Die enorme Bedeutung der Exporte für Deutschland spiegelt sich auch in der Außenbeitragsquote wider (Differenz zwischen Exporten und Importen von Waren und Dienstleistungen am BIP). Hatte Deutschland im Jahr 2000 eine Außenbeitragsquote von 0,2 Prozent, lag diese 2021 bei 5,5 Prozent.[24] Deutschland hat einen massiven Leistungsbilanzüberschuss. Dieser betrug 2021 7,5 Prozent des BIP.[25] Auch der deutsche Arbeitsmarkt ist stark von Deutschlands Exporten abhängig. Etwa 28 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland sind direkt oder indirekt vom Export abhängig, im verarbeitenden Gewerbe sind es sogar 56 Prozent.[26] Wichtigster Handelspartner für Deutschland war dabei 2021 abermals China.[27] Nun bereits zum sechsten Mal in Folge. Nach vorläufigen Ergebnissen der Statistischen Bundesamtes wurden zwischen Deutschland und China im Jahr 2021 Waren im Wert von 245,7 Milliarden Euro gehandelt.[28] Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Niederlande und die USA mit 206 beziehungsweise 194,1 Milliarden Euro.[29] Nichtsdestotrotz bleibt die EU Deutschlands wichtigster Markt. So lag der Anteil der Exporte beziehungsweise Importe von Waren und Dienstleistungen in die EU 2021 bei 51,0 Prozent beziehungsweise 53,5 Prozent.[30]

Handel und die Verflechtung in die Weltwirtschaft sind wichtig für Deutschland – für Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze – und werden es auch in Zukunft bleiben. Der europäische Markt ist zu klein, um allein das derzeitige Wohlstandsniveau zu halten. Das globale Wirtschaftswachstum wird vor allem in Asien stattfinden. Darauf wird auch die EU angewiesen sein. Die hohe Abhängigkeit macht Deutschland jedoch auch verwundbar. Deshalb ist es wichtig, dass Politik und Wirtschaft an einem Strang ziehen. Dabei muss eine gute Balance zwischen internationaler Verflechtung und Stärkung der heimischen und europäischen Produktion gefunden werden.

Die Sicherheit der Lieferketten liegt in erster Linie in der Verantwortung der Unternehmen. Dazu gehören: ein deutlich besseres Risikomanagement und ein neues Kosten-Nutzen-Kalkül; Diversifizierung von Bezugsquellen und Materialeinsatz; mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung; verbesserte Lagerhaltung (Just-In Time Lieferungen sind nicht mehr zeitgemäß); sowie eine Verbesserung der Nachhaltigkeit und Transparenz in Lieferketten.

Doch auch der Regierung kommen wichtige Aufgaben zu. Auf der To-Do Liste der Bundesregierung stehen unter anderem folgende Punkte:

  1. Investitionen: Dazu gehören Investitionen in Infrastruktur und Bildung in Deutschland und der EU. Ein weiteres wichtiges Element ist die Förderung von Forschung und Entwicklung gerade für alternative Materialien sowie Recycling. Dies würde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit stärken, sondern auch die heimische Nachfrage stärken und so den hohen Leistungsbilanzüberschuss abbauen.
  2. Erschließung neuer Bezugsquellen: Gerade beim Thema Rohstoffe – Energie, Metalle und Mineralien – kann die Bundesregierung helfen, neue Bezugsquellen zu öffnen. Dies zeigt sich aktuell besonders bei Gas und Öl. Rohstoffpartnerschaften können dabei ein hilfreiches Instrument sein, um längerfristig stabile Lieferbeziehungen aufzubauen. Wichtig ist, dass die Bundesregierung dies nicht im Alleingang versucht, sondern im Verbund mit den europäischen Partnern. Dies würde auch die Verhandlungsposition der EU-Mitglieder deutlich stärken.
  3. Vollendung des EU-Binnenmarktes: Der Binnenmarkt ist eine der großen Stärken der EU. Allerdings gibt es noch viele Bereiche, in denen Barrieren die europäische Wirtschaft behindern. Dies gilt besonders für die Gesundheitswirtschaft aber auch die Energiemärkte und viele Bereiche des Dienstleistungssektors. Um wettbewerbsfähig und ein attraktiver Produktionsstandort zu bleiben, muss der Binnenmarkt vollendet werden. Die Bundesregierung sollte hier eine Vorreiterrolle einnehmen.
  4. Unterstützung der EU-Handelspolitik: Mit der neuen Handelsstrategie ist die EU auf dem richtigen Weg, sich besser aufzustellen und so unfairen Handelspraktiken im Ausland selbstbewusster entgegentreten zu können. Erfolgreich wird sie jedoch nur sein, wenn es der EU gelingt, neue Handelsabkommen abzuschließen und diese auch zu ratifizieren. Auch hier sollte die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen und endlich das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada, das bereits in der vorläufigen Anwendung ist, ratifizieren. Dies hätte eine positive Signalwirkung für die laufenden Verhandlungen, unter anderem mit Australien und Neuseeland.
  5. Beitrag zur Sicherheit und Nachhaltigkeit von Lieferketten: Mit dem Lieferkettengesetz von 2021 will die Bundesregierung den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten verbessern. Dabei nimmt sie die Wirtschaft noch mehr als in der Vergangenheit in die Pflicht. Nun muss es darum gehen, gerade kleine und mittelständische Unternehmen in der Umsetzung zu unterstützen. Sie sind nicht nur eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft. Zudem muss verhindert werden, dass Unternehmen aus Angst vor Rechtsverletzungen und aus „overcompliance“ ganze Märkte verlassen. Aus entwicklungspolitischer Perspektive wäre dies kontraproduktiv. Zudem sollte sich die Bundesregierung noch stärker für ein gemeinsames Vorgehen in der EU zu nachhaltigen Lieferketten einsetzen.
  6. Gemeinsam international mit Partnern: Weder Deutschland noch die EU werden sich im neuen geopolitischen Umfeld allein behaupten können. Sie brauchen verlässliche Partner. Umso wichtiger ist es, die Verhandlungen mit den USA im neuen Handels- und Technologierat (TTC) weiter voranzutreiben. Der Blick sollte jedoch auch noch stärker auf die Region Indo-Pazifik geworfen werden. Dort liegen viele Chancen aber auch viele Risiken. Die neue „Nationale Sicherheitsstrategie“, an der die Bundesregierung zurzeit arbeitet, ist eine Chance, den Blick zu schärfen und Strategien für und mit alten und neuen Partnern zu entwickeln.

Vieles davon ist bereits auf einem guten Weg – und steht auch auf der Agenda der deutschen G7-Präsidentschaft. Doch die Zeit drängt. Umso wichtiger ist es, dass die Transformation der Wertschöpfungsketten nicht ins Stocken gerät. Es wäre nicht das erste Mal, dass nach einer Krise schnell wieder Selbstgefälligkeit eintritt und wichtige Reformen ausblieben.

Stormy-Annika Mildner

 

[1] EZB, Keynote Speech by Christine Lagarde, President of the ECB, at the Peterson Institute for International Economics, 22. April 2022, https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2022/html/ecb.sp220422~c43af3db20.en.html#:~:text=The%20economic%20fallout%20from%20Russia’s,dependencies%20in%20our%20globalised%20economy (abgerufen am 03.05.2022).

[2] Alfred Kammer, Jihad Azour, Abebe Aemro Selassie, IIan Goldfajn und Changyong Rhee, How War in Ukraine is Reverberating Across the World’s Regions, IMF Blog, 15. März 2022, https://blogs.imf.org/2022/03/15/how-war-in-ukraine-is-reverberating-across-worlds-regions/ (abgerufen am 03.05.2022).

[3] Sarah Repucci, Amy Slipowitz, Freedom in the World 2022, The Global Expansion of Authoritarian Rule, Freedom House, https://freedomhouse.org/sites/default/files/2022-02/FIW_2022_PDF_Booklet_Digital_Final_Web.pdf (abgerufen am 07.06.2022).

[4] Freedom House, New Report: The Global Decline in Democracy has Accelerated, press release of 24 February 2022, https://freedomhouse.org/article/new-report-authoritarian-rule-challenging-democracy-dominant-global-model (abgerufen am 30.05.2022).

[5] ebd.

[6] World Bank, Food and Energy Price Shocks from Ukraine War Could Last for Years, Press Release of 26 April 2022, https://www.worldbank.org/en/news/press-release/2022/04/26/food-and-energy-price-shocks-from-ukraine-war (abgerufen am 07.06.2022).

[7] FAO, FAO Food Price Index posts significant leap in March, https://www.fao.org/newsroom/detail/fao-food-price-index-posts-significant-leap-in-march/en (abgerufen am 25.05.2022).

[8] John Baffeswee, Chian Koh, Fertilizer Prices Expected to Remain Higher for Longer, World Bank Blogs, https://blogs.worldbank.org/opendata/fertilizer-prices-expected-remain-higher-longer (abgerufen am 25.05.2022).

[9] Euractiv, How Russia’s War in Ukraine Rocked the Global Economy, 23. März 2022, https://www.euractiv.com/section/global-europe/news/how-russias-war-in-ukraine-rocked-the-global-economy/ (abgerufen am 07.06.2022).

[10] ebd.

[11] IMF, Rising Caseloads, A Disrupted Recovery, and Higher Inflation, World Economic Outlook, Januar 2022, https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2022/01/25/world-economic-outlook-update-january-2022 (abgerufen am 25.05.2022).

[12] IMF, War Sets Back the Global Recovery, World Economic Outlook, April 2022, https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2022/04/19/world-economic-outlook-april-2022 (abgerufen am 03.06.2022).

[13] Bundesregierung, Kriegsfolgen dämpfen wirtschaftliche Entwicklung, https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/bundesministerien/bundesministerium-fuer-wirtschaft-und-klimaschutz/fruehjahrsprojektion-2022-2028350 (abgerufen am 25.05.2022).

[14] ebd.

[15] WTO, Russia-Ukraine Conflict Puts Fragile Global Trade Recovery at Risk, Press Release of 12 April 2022, https://www.wto.org/english/news_e/pres22_e/pr902_e.pdf (abgerufen am 03.06.2022)

[16] Joseph Glauber, David Laborde and Abdullah Mamun, From Bad to Worse: How Russia-Ukraine War-related Export Restrictions Exacerbate Global Food Insecurity, International Food Policy Research Institute, 13 April 2022. https://www.ifpri.org/blog/bad-worse-how-export-restrictions-exacerbate-global-food-security (abgerufen am 20.05.2022)

[17] ebd.

[18] ebd.

[19] WTO, Overview of the Development in the International Trading Environment, Jahresbericht des Generaldirektors, 22. November 2021, S. 18-19(abgerufen am 20.03.2022).

[20] Tobias Korn, Henry Stemmler, Russia’s War against Ukraine Might Persil Shift Global Supply Chains, VoxEU, March 31, 2022, https://voxeu.org/article/russias-war-against-ukraine-might-persistently-shift-global-supply-chains (abgerufen am 01.04.2022).

[21] David Simchi-Levi und Pierre Haren, How the War in Ukraine is Further Disrupting Global Supply Chains, 17. März 2022, Harvard Business Review, https://hbr.org/2022/03/how-the-war-in-ukraine-is-further-disrupting-global-supply-chains (abgerufen am 20.03.2022).

[22] Statistisches Bundesamt, Globalisierungsindikatoren, Außenwirtschaft, https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Globalisierungsindikatoren/aussenwirtschaft.html (abgerufen am 03.06.2022); BMWi, Facts about German Foreign Trade, September 2019, https://www.bmwk.de/Redaktion/EN/Publikationen/facts-about-german-foreign-trade.pdf?__blob=publicationFile&v=10 (abgerufen am 03.06.2022).

[23] BMWi, Fakten zum deutschen Außenhandel, https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Aussenwirtschaft/fakten-zum-deuschen-aussenhandel.pdf?__blob=publicationFile&v=20 (abgerufen am 07.06.2022).

[24] Statistisches Bundesamt, Globalisierungsindikatoren, Außenwirtschaft, https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Globalisierungsindikatoren/aussenwirtschaft.html (abgerufen am 03.06.2022).

[25] Bundesbank, Deutscher Leistungsbilanzüberschuss 2021 auf 265½ Milliarden Euro gestiegen, 21.3.2022, https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/themen/deutscher-leistungsbilanzueberschuss-2021-auf-265%C2%BD-milliarden-euro-gestiegen-887504#:~:text=Der%20deutsche%20Leistungsbilanz%C3%BCberschuss%20ist%20im,%C2%BD%20Prozentpunkt%20auf%207%C2%BD%20Prozent(abgerufen am 07.06.2022).

[26] BMWi, Facts about German Foreign Trade, https://www.bmwk.de/Redaktion/EN/Publikationen/facts-about-german-foreign-trade.pdf?__blob=publicationFile&v=10 (abgerufen am 03.06.2022).

[27] Statistisches Bundesamt, Die Volksrepublik China ist erneut Deutschlands wichtigster Handelspartner, https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Aussenhandel/handelspartner-jahr.html (abgerufen am 07.06.2022).

[28] ebd.

[29] ebd.

[30] Statistisches Bundesamt, Globalisierungsindikatoren, Außenwirtschaft, https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Globalisierungsindikatoren/aussenwirtschaft.html (abgerufen am 03.06.2022).