Wie kann die grüne Transformation finanziert werden?

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Die genauen Summen kennt niemand. Aber es ist klar, dass die umfassende grüne Transformation große Mengen an Kapital benötigen wird. So beziffert der Internationale Währungsfonds (IWF) die notwendigen Investitionen in den nächsten beiden Dekaden auf bis zu 20 Billionen Dollar, die Boston Consulting Group (BCG) geht bis zum Jahr 2050 sogar von 100 bis 150 Billionen Dollar aus.

Im Zentrum stehen dabei vor allem die beiden Herausforderungen, die die bedeutendsten planetaren Grenzen darstellen. Dabei handelt es sich zum einen um den Klimawandel und zum anderen um den Verlust der Biodiversität. Der Klimawandel steht bereits seit längerer Zeit im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Denn der weltweite Anstieg der Temperaturen und die damit verbundenen Umweltkatastrophen wie Dürren, Unwetter und Überschwemmungen haben sich immer tiefer im globalen Bewusstsein verankert. Der Verlust der Biodiversität ist ebenso wichtig, aber deutlich schwerer zu messen. Denn niemand weiß, wie der Verlust einer bestimmten Tierart oder einer bestimmten Fläche Regenwalds zu quantifizieren ist. Daher beginnt das Bewusstsein zur Bedeutung des Verlusts von Biodiversität sich erst allmählich zu entwickeln, nicht zuletzt durch die im Dezember anstehende Weltnaturkonferenz der Vereinten Nationen in Montreal. Das schärfste und präziseste Instrument bei der Bepreisung der externen Kosten von Treibhausgasen, nämlich die CO2-Bepreisung, steht im Bereich der Biodiversität aufgrund fehlender verlässlicher Messbarkeit noch nicht zur Verfügung. Daran wird aber im engen Schulterschluss mit den Naturwissenschaften intensiv gearbeitet.

Wer kann also die notwendigen massiven Investitionen stemmen, um den Klimawandel aufzuhalten und die globale Biodiversität zu bewahren? Unweigerlich wird zunächst der Ruf nach dem Staat laut. Angesichts einer sich verschärfenden staatlichen Haushaltslage und der engen Grenzen weiterer Verschuldung wird aber schnell klar, dass der Staat alleine diese Investitionen nicht wird leisten können, selbst wenn er seine Investitionen massiv ausweiten sollte. Staatliche Investitionen sind aber dennoch wichtig, gerade bei den Grundlageninvestitionen und weil sie weitere private Investitionen beflügeln können.

Klar ist angesichts der beschriebenen Größenordnungen daher auch, dass die Hauptaufgabe bei der Mobilisierung privaten Kapitals liegen wird. Dazu können verschiedene mögliche Quellen beitragen. Erstens werden die Unternehmen ihren braunen durch einen grünen Kapitalstock ersetzen müssen – und zwar umso schneller und umfassender, je näher der Preis für CO2 und andere Treibhausgase an den tatsächlichen Kosten der durch unternehmerisches Handeln verursachten externen Effekte liegen wird. Beträchtliche interne Mittel werden für diese massive Transformation über die kommenden Jahre notwendig sein.

Zweitens werden der Preismechanismus für CO2 im Klimabereich und ein ähnlicher Mechanismus für die Biodiversität bedeutende Beträge erzielen, die auch für die Transformation zur Verfügung stehen. Drittens können Stiftungen deutlich größere Beiträge für die Transformation leisten. Viele dieser Stiftungen haben sich bereits dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben, weitere Mittel außerhalb des Stiftungssektors könnten genau für diesen Zweck mobilisiert werden.

Viertens können gerade aktive Investorinnen und Investoren wesentliche Beiträge leisten. Im Bereich Venture Capital und Private Equity gibt es große Zuflüsse in Fonds, die sich der grünen Transformation verschreiben. Diese Fonds haben damit nicht nur das notwendige Kapital zur Transformation an der Hand, sondern können direkten Einfluss auf das Management ihrer Unternehmensbeteiligungen ausüben. Mit diesem Einfluss und ihrem Know-how können sie diese Unternehmen und deren Management dazu drängen, die Unternehmen nachhaltig aufzustellen. Ähnlichen Einfluss können Banken ausüben, die ihre Kreditvergabe zunehmend an grünen Kriterien orientieren und Unternehmen mit braunen Technologien dabei auf die Sprünge helfen können, zu nachhaltigeren Prozessen zu kommen.

Alle diese Entwicklungen bekommen derzeit deutlichen Rückenwind durch das ausgeprägte und weiterhin wachsende Interesse von Anlegerinnen und Anlegern, ihr eigenes Kapital nachhaltig zu investieren. So stieg die Summe des weltweit in nachhaltige Finanzanlagen investierten Kapitals von 30,7 Billionen Dollar im Jahr 2018 auf 35,3 Billionen Dollar im Jahr 2020. Für das Jahr 2025 werden bereits 50 Billionen Dollar in diesem Segment erwartet.

Aber es ist Vorsicht geboten. Denn neben vereinzelten Anklagen gegen Unternehmen, bestimmte Investitionen nur zum Greenwashing zu nutzen, stehen ernstzunehmende methodische Fragen, welchen tatsächlichen Nutzen auch legale grüne Finanzierung bewirken kann. Diese Fragen können am besten an einem Beispiel der Staatsfinanzierung illustriert werden. Im September 2020 emittierte die Bundesrepublik Deutschland zum ersten Mal grüne Staatsanleihen. Wer aber glaubte, dass damit neue, also zusätzliche grüne Investitionen auf staatlicher Ebene getätigt wurden, sah sich getäuscht. Der Bund als Emittent kommunizierte nämlich klar, dass die Höhe der Emissionen dieser grünen Staatsanleihen danach bestimmt wurde, wie hoch insgesamt die bereits bestehenden grünen Ausgaben im Bundeshaushalt ausfielen. Die Höhe der grünen Emissionen wurden also durch die Höhe der bestehenden grünen Ausgaben bestimmt – und nicht etwa neue grüne Ausgaben durch die neuen grünen Emissionen ermöglicht.

Dieses Beispiel, das sich leicht auf Unternehmen übertragen lässt, zeigt die wesentlichen Fragen, die Anlegerinnen und Anleger bei grünen Investitionen stellen müssen. Erstens müssen sie sich die Frage stellen, ob das von ihnen einem Unternehmen oder dem Staat überlassene Geld tatsächlich einem bestimmten grünen Investitionsprojekt zugerechnet werden kann. Das ist in der Regel nicht der Fall, siehe das Non-Affektationsprinzip bei öffentlichen Haushalten.

Zweitens müssen sie prüfen, ob das investierte Kapital tatsächlich zusätzliche grüne Investitionen ermöglicht. Das war im Fall der grünen Bundesanleihen ebenso wenig der Fall, wie es im Unternehmenssektor der Fall ist, wenn zum Beispiel eine bestehende Anleihe durch eine neue Anleihe mit identischem Volumen abgelöst wird.

Drittens müssen sie zur Bestimmung der Wirkung ihrer vermeintlich grünen Investition sicherstellen, dass ihre Wahl zwischen einer grünen und einer braunen Investition tatsächlich mit Auswirkungen für die braunen Investitionen versehen ist. Denn wer glaubt, dass das eigene Abziehen von Mitteln aus einer braunen Investition deren Chancen auf Realisierung reduziert, kann schnell überrascht werden. Denn an ihre Stelle treten häufig Investorinnen und Investoren mit anderen Präferenzen. Dieser Ersatz ist gerade in globalen Finanzmärkten leicht zu finden.

Viertens müssen sie sich überlegen, ob sie überhaupt in die grünsten verfügbaren Unternehmen investieren wollen. Denn den größten Beitrag zur Transformation werden sie dadurch erzielen, dass vorher braune Unternehmen nun grüne Technologien anwenden und damit ihre CO2-Bilanz und ihren sonstigen ökologischen Fußabdruck verändern. Interessanterweise könnte damit eine besonders auf Nachhaltigkeit orientierte Investition gerade auf den Kauf brauner Unternehmen setzen – aber nur, wenn bei diesen ein klarer Pfad zum Erreichen von Nachhaltigkeitszielen absehbar ist.

Das setzt aber als fünfte und letzte Überlegung die Frage auf, ob Anlegerinnen und Anleger bereit sind, ihr Kapital aktiv anlegen zu lassen. Das hieße, sie würden sich dem großen Trend der letzten Jahre widersetzen und ihre Mittel nicht mehr im selben Umfang breit streuen, sondern bestimmte Unternehmen meiden und bei den Unternehmen, die sie für ihre Investitionen auswählen, entweder selbst oder über Kapitalsammelstellen Druck auf ihr Management ausüben. Sowohl der Verzicht auf vollständige Diversifizierung der eingesetzten Mittel als auch die Interaktion mit dem Management können aber Kosten verursachen.

Die Finanzierung der grünen Transformation ist eine massive Herausforderung. Umso wichtiger ist es, dass bei ihrer Umsetzung die richtigen Fragen gestellt werden und die richtigen Handlungsoptionen gezielt eingesetzt werden. Grünes Marketing hilft hier nicht weiter, sondern nur eine ehrliche Bestandaufnahme mit einem aufgeklärten Wissen über Wirkungsmechanismen der Kapitalmärkte und Finanzinstitutionen. Der aktive Einfluss der Kapitalmärkte auf das Management von Unternehmen, diese nachhaltig aufzustellen, wird weiter steigen. Ähnlich werden sich die Erwartungen in den Arbeits- und Gütermärkten entwickeln. Denn immer weniger Menschen möchten für Unternehmen arbeiten, die nicht nachhaltig aufgestellt sind – oder deren Produkte kaufen.

 

Prof. Dr. Jörg Rocholl