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KI hat in den vergangenen Jahren enorm an wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung gewonnen. Gleichzeitig hat sich der internationale Wettbewerb in Wissenschaft und Wirtschaft verschärft. Die Industriestaaten haben deshalb ihre öffentlichen Förderprogramme angepasst und weiter auf KI-Forschung zugeschnitten. Durch die Veränderung des internationalen Umfelds und durch das starke Wachstum der großen Internetplattformen, die KI sehr intensiv einsetzen, ergeben sich neue Herausforderungen auf allen Ebenen.

KI ist gleichzeitig eine Spitzen- und eine Querschnittstechnologie, wobei Spitzenforschung auch Spitzenfortschritt und Innovationen ermöglicht, die in der Breite der Anwendungen erhebliche ökonomische und ökologische Mehrwerte haben. Als eine der größten Volkswirtschaften der Welt muss Deutschland die Anwendungschancen von KI realisieren, darf dabei seine Souveränität aber nicht aufgeben. Exzellenz ist der Weg. Die gute Nachricht ist, dass die deutsche KI-Forschung international herausragende Anerkennung findet.

Deutschland hat eine hervorragende Ausgangssituation, weil die vom Bund geförderten 6 nationalen KI-Kompetenzzentren die gesamte Breite der KI abdecken. Wir brauchen „All of AI”, denn aktuell ist noch nicht abschließend entscheidbar, welche KI-Lösungen noch notwendig sein werden. Dieses Alleinstellungsmerkmal sollte Deutschland zukünftig noch stärker nutzen, um gezielt Forschungsthemen mit hohem Disruptionspotenzial zu identifizieren und koordiniert anzugehen. Aktuelle wissenschaftliche Fragestellungen müssen deshalb mit dem Ziel verfolgt werden, wichtige Beiträge zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu leisten und gleichzeitig den Transfer dieser Ergebnisse zu beschleunigen. Es geht um die Gestaltung einer Zukunft, in der KI zum Wohl der Menschen eingesetzt wird, und bedeutet auch, dass man sich der damit verbundenen ethischen Verantwortung jederzeit bewusst sein muss.

In Deutschland findet man exzellente Forschung in der gesamten Breite der KI. Ich bin der Überzeugung, dass in der Kombination von wissensbasierter und datenbasierter KI mit weiteren (Teil-)Disziplinen, insbesondere aber der Robotik, große Erfolgschancen für Deutschland und Europa liegen. Eine solche „Integrative KI“, die mit ihrem Umfeld und insbesondere dem Menschen intelligent interagiert und sich in unterschiedlichen Domänen als sicher und alltagstauglich erweist, bietet enorme Erfolgspotenziale.

Wir sollten dabei die mittel- und langfristige Bedeutung neuer KI-Forschungsfelder im Auge behalten und die entscheidenden Zukunftsthemen der KI forcieren. Eine besondere Bedeutung sollte dabei auf Verlässlichkeit und Erklärbarkeit von KI liegen. Dieses Forschungsfeld mit der Bezeichnung TrustedAI zielt darauf ab, sicherzustellen, dass KI-Systeme zuverlässig, sicher, robust, fair, inklusiv und transparent sind. Dies beinhaltet das Design von KI-Systemen mit intrinsischen Garantien, die Verwendung externer Tools zur Analyse von KI-Systemen, das menschliche Verständnis von KI-Systemen und die menschliche Interaktion mit KI-Systemen. Dies kann unter anderem mit Neuro-expliziten KI-Modellen erreicht werden, die traditionelle symbolische Verfahren mit neuronalen Modellen kombinieren und so die Ergebnisse von Deep Learning-Systemen erklärbar und nachvollziehbar machen. Deutschland hat in dem Bereich TrustedAI hervorragende Voraussetzungen.

KI-Systeme müssen menschliche Absichten erkennen und sich an menschliche Anforderungen anpassen. Ziel ist die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses und einer gemeinsamen Wahrnehmung von Menschen und künstlichen Systemen. Diese shared Perception verbessert den Nutzen von KI-Werkzeugen und befördert eine Mensch-Roboter-Kollaboration, die Werker entlastet und die Produktqualität sichert. Diese kollaborativen Anwendungen sind aber nicht nur begrenzt auf die für Deutschland wichtige industrielle Produktion, sondern sind auch von herausragender Bedeutung für die Sicherstellung der flächendeckenden Gesundheitsversorgung und die Qualität und Leistbarkeit der ambulanten Pflege.

Die deutsche KI-Forschung adressiert aber auch KI-spezifische Methoden der Software-Verifikation, Ansätze mit einem höheren Forschungsanteil wie Quantencomputing oder neuromorphe Rechenmodelle, ressourcenbewusste neue Algorithmen, Softwarearchitekturen und Datenstrukturen und ist dabei einer nachhaltigen KI verpflichtet. Für eingebettete Lösungsansätze, wie sie z.B. in der Robotik erforderlich sind, ist die Überbrückung der Lücke zwischen KI-Algorithmenforschung und Hardwaredesign essenziell. Deutschland sollte nicht ungeschützt auf die Stabilität von Lieferketten vertrauen, die Voraussetzung für die notwendige Compute-Infrastruktur sind, sollte nicht ausschließlich aktuell und medial sehr prominente KI-Ansätze verfolgen.

Die deutsche KI-Forschung hat die Anwendungsdomänen im Blick. Dort, wo ein Forschungsfeld auf eine Anwendungsdomäne wie z.B. Produktion & Industrie 4.0, Medizin & Gesundheit, Umwelt & Energie trifft, entsteht ein Zukunftsfeld. An diesen Schnittstellen liegt ein großer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedarf und KI-Kompetenzen sind besonders gefragt. Diese Potenziale sollte Deutschland in Zukunft noch stärker nutzen. Wir sollten deshalb in der deutschen KI-Entwicklung konzertiert mehr auf Big-Bet-Projekte setzen, die manchmal auch als Moonshot bezeichnet werden, und bedeutende Herausforderungen adressieren, in denen KI klare und ambitionierte Ziele verfolgt, die ein erhebliches Anwendungspotenzial bergen und Chancen auf einen Gewinn für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft haben. Solche Projekte wird man nur in großen Konsortien erfolgreich bearbeiten können, in denen fachspezifische und interdisziplinäre Exzellenz zusammen über einen längeren Zeitraum an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Solche Vorhaben verlangen ein hohes Investitionsvolumen und können nur gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und unterstützt von der öffentlichen Hand realisiert werden. Neben der wissenschaftlichen Exzellenz und der Transferfähigkeit spielen dabei natürlich solche KI-Forschungsthemen eine besondere Rolle, die das Leben von Menschen sicherer oder besser machen. Ziel ist, internationale Leuchttürme für eine zuverlässige und vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz zu etablieren, damit die technologischen Vorteile nicht zu gesellschaftlichen Nachteilen werden. Auf diese Weise trägt Deutschland dazu bei die KI-Souveränität Europas zu stärken und erhält sich die Möglichkeit einer aktiv selbstbestimmten Zukunft.

Deutschland sollte seine Forschungsergebnisse deutlich besser als bisher nutzen, wichtige Trends setzen oder diese mitbestimmen und dabei international sichtbarer werden. Letztendlich geht es auch darum, talentierte Köpfe anzuziehen und international noch wettbewerbsfähiger zu sein. Dazu gehört auch, dass herausragende KI-Konferenzen in Deutschland stattfinden. Den Bremer DFKI-Kolleginnen und -Kollegen z.B. ist es gelungen, die Weltkonferenz für KI – IJCAI 2026 – nach Bremen und damit nach mehr als 30 Jahren wieder nach Deutschland zu holen. Darauf können wir aufbauen, sollten überlegen, welche weiteren Tagungen mit globalem Ausstrahlungspotenzial wir nach Deutschland holen wollen.

Die deutsche KI-Forschung legt großen Wert auf die Einhaltung ethischer Standards. Daher ist verantwortungsvolle KI ein eigenes wichtiges Forschungsfeld. Als DFKI engagieren wir uns für die Definition und Umsetzung von Schutzmaßnahmen und ethischen Richtlinien, setzen uns für die Schaffung branchenweiter Best Practices für verantwortungsbewusste KI ein und befürworten die Einführung relevanter Normen und Standards. Wir brauchen KI-Forschung mit sozio-ökonomischer Relevanz, orientiert an den Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Delvelopment Goals, SDG) der Vereinten Nationen.

Es gibt zwar viele Herausforderungen, aber Deutschland ist auf einem guten Weg. Wir können auf den bereits entwickelten Strategien und Strukturen aufbauen und die Ziele und operativen Maßnahmen jetzt konkretisieren. Dabei wird es darum gehen, sowohl die exzellente Forschung zu intensivieren als auch einen erfolgreichen Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft umzusetzen.

 

Prof. Dr. Antonio Krüger ist seit November 2019 Vorsitzender der Geschäftsführung des DFKI, leitet als wissenschaftlicher Direktor den DFKI-Forschungsbereich Kognitive Assistenzsysteme, hat 2010 den Studiengang Medieninformatik an der Universität des Saarlandes etabliert und ist bis heute für diesen verantwortlich. Er war Mitglied der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz des Deutschen Bundestags, hat mehr als 200 Beiträge in anerkannten Fachzeitschriften und Konferenzen veröffentlicht und ist in internationalen und nationalen Fachgremien aktiv.