Ökologische Transformation in der EU und in den USA – Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland

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Das Ziel ist klar formuliert: Sowohl die EU als auch die USA wollen bis 2050 klimaneutral werden, Deutschland will das sogar schon fünf Jahre vorher schaffen. Unterschiedlich sind allerdings die dafür eingeschlagenen wirtschaftspolitischen Wege – und das kann erhebliche Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft haben.

Zwei Wege, ein Ziel: Klimaschutz in der EU und den USA

In puncto Klimaschutz setzen die EU und Deutschland primär auf einen CO2-Preis. Er basiert auf dem Gedanken, dass für die gesamtgesellschaftlichen Zusatzkosten, die von Treibhausgasemissionen verursacht werden, die Verursacher aufkommen müssen. Entsprechend dürfen Treibhausgasemissionen nur ausgestoßen werden, wenn sich der Emittent vorher eine erforderliche Erlaubnis in Form eines Zertifikates „erkauft“ hat. Und für diese Zertifikate gibt es einen Preis, der folgendermaßen wirkt: Je höher der Preis für Emissionen, desto größer der Anreiz, emissionsarme Produkte und Technologien anzubieten und einzusetzen, was das Emissionsvolumen der EU reduziert.

In den USA sind es dagegen vor allem Subventionen, mit denen die ökologische Transformation gefördert wird. Staatliche Transferzahlungen und Steuererleichterungen reduzieren die Preise für emissionsarme Produkte und Technologien. Auch das erhöht den Anreiz, diese Produkte und Technologien zu nutzen – und so den Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen zu verringern.

Beide Wege führen also zu Emissionsreduzierungen, allerdings gibt es einen zentralen Unterschied: In der EU und in Deutschland bringt die ökologische Transformation höhere Preise für Konsum- und Investitionsgüter mit sich, während diese in den USA tendenziell sinken. Für Deutschland kann das gravierende ökonomische Konsequenzen haben.

US-Subventionen führen zu Handels- und Investitionseffekten für Deutschland

Die skizzierten Maßnahmen der USA zur Förderung der ökologischen Transformation beeinflussen vor allem zwei Bereiche: die internationalen Handelsbeziehungen und das Investitionsverhalten der Unternehmen.

Mit Blick auf die Handelseffekte ergeben sich aus den US-Subventionen für Deutschland sowohl Vor- als auch Nachteile. Positiv ist, dass Deutschland für die subventionierten US-Produkte einen geringeren Preis zahlt. So erhöht sich die Kaufkraft der Bürger und die Preise sinken, was sich inflationsdämpfend auswirkt. Außerdem reduziert der Import subventionierter klimaschonender Produktionsanlagen aus den USA die Kosten der ökologischen Transformation in Deutschland.

Negativ ist hingegen, dass deutsche Produkte auf den internationalen Märkten gegenüber subventionierten US-Produkten an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Sinkende Exporte und steigende Importe sind die Folge und reduzieren in Deutschland die Produktion, die Beschäftigung und das Einkommen.

Durchgehend negativ sind allerdings die Investitionseffekte, die sich für Deutschland aufgrund der US-amerikanischen Subventionierung der ökologischen Transformation ergeben. Können deutsche Unternehmen in subventionierten Bereichen in den USA investieren, ist dies für sie sehr attraktiv, da so ihre Produktionskosten sinken und ihre zu erwartenden Gewinne steigen. Andersherum dürften US-Investoren ihre Investitionen in Deutschland aus dem gleichen Grund reduzieren – und die Investoren aus dem Rest der Welt tun es ihnen gleich. Folglich ist ein Kapitalabzug aus Deutschland zu erwarten, der aus mehreren Gründen problematisch ist.

Kapitalabzug schwächt Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum

Wenn deutsche Unternehmen in den USA investieren, reduziert das in Deutschland die Nachfrage nach Investitionsgütern (also nach Gebäuden, Maschinen etc.). Zwangsläufig passen sich die Unternehmen, die diese Güter herstellen, an die geringere Nachfrage an. In Deutschland gehen daher Produktion und Beschäftigung zurück – ein Effekt, der unmittelbar eintritt.

Nachlassende Investitionen führen außerdem dazu, dass die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten weniger stark wachsen und sich die zukünftigen Produktionsmöglichkeiten der deutschen Volkswirtschaft damit abschwächen. Da diese angebotsseitige Wachstumsdämpfung mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auftritt, wirkt sie mittel- und langfristig.

Zudem spielt ein zweiter angebotsseitiger Effekt eine wichtige Rolle: Investitionen bringen in der Regel eine Steigerung der Produktivität hervor, weil alte Produktionsanlagen durch produktivere Anlagen ersetzt werden. Fallen diese Investitionen aus, fallen auch die mit ihnen verbundenen Produktivitätszuwächse aus. Entsprechend schwächt ein wegen nachlassender Investitionen alternder gesamtwirtschaftlicher Kapitalstock die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft.

Welche wirtschaftspolitischen Handlungsoptionen gibt es?

Vor allem aufgrund des drohenden Kapitalabzugs ist es wichtig, dass Deutschland wirtschaftspolitisch reagiert. Dabei sollte jedoch eine flächendeckende Förderung durch Subventionszahlungen und Steuergutschriften vermieden werden. Besser sind gezielte Maßnahmen, die zukunftsträchtige Bereiche mit positiven Effekten für die gesamte Volkswirtschaft fördern.

US-Subventionen fördern Technologien und Produkte, die für die ökologische Transformation wichtig sind (z. B. Batterieproduktion, Solarenergie, Wasserstoff) – daher sollten sich auch die deutschen Subventionen auf diese Bereiche konzentrieren. Tun sie es nicht, ist zu befürchten, dass sich einige dieser Sektoren nicht in Deutschland entwickeln bzw. halten können und Deutschland somit in eine Abhängigkeit von entsprechenden Importen aus den USA gerät. Momentan mag das noch keine echte Gefahr sein. Aber sollte sich Donald Trump bei den kommenden US-Wahlen durchsetzen, sind protektionistische Maßnahmen zur Durchsetzung amerikanischer geopolitischer Ziele durchaus denkbar.

Wenn Deutschland mit Subventionen auf die amerikanische Klimaschutzpolitik antwortet, sollte die staatliche Unterstützung keinen dauerhaften Charakter haben. Deshalb sind bei der zukünftigen Gewährung von Subventionen sowie bei der Umgestaltung bestehender Subventionen mindestens drei Dinge zu beachten.

  • Subventionen sollten nur befristet erfolgen. Das signalisiert ihren Empfängern, dass sie ihre Aktivitäten so ausgestalten müssen, dass sie langfristig ohne eine staatliche Unterstützung wettbewerbsfähig sind.
  • Subventionen sollten degressiv ausgestaltet werden, d. h., die Subventionshöhe sollte im Zeitablauf sinken. Nach und nach erhöht dies den Druck auf die Subventionsempfänger, die eigenen Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten zu können.
  • Es sollte eine begleitende Evaluation der Subventionen geben, bei der regelmäßig überprüft wird, ob die Subventionen ihr angestrebtes Ziel erreichen, ob sie überhaupt noch erforderlich sind und ob sie mit anderen Subventionen und wirtschaftspolitischen Zielen harmonieren.

Es ist keine leichte Aufgabe, diese drei Mindestanforderungen umzusetzen sowie zukunftsträchtige – und damit förderungswürdige – Bereiche zu identifizieren. Ohne eine entsprechende Identifikation droht jedoch die Gefahr, dass der Staat eine Förderung nach dem Gießkannenprinzip durchführt und damit knappe Gelder – zumindest teilweise – verschwendet.

Für die Finanzierung von klimafreundlichen Subventionen – sei es in Form von staatlichen Mehrausgaben wegen Transferzahlungen oder in Form staatlicher Mindereinnahmen wegen steuerlicher Vergünstigungen – bieten sich die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung genauso an wie die Minderausgaben infolge der Streichung von klimaschädlichen Subventionen.

  • Die Einnahmen aus der Bepreisung klimaschädlicher Emissionen sind in Deutschland stark gestiegen: Im Jahr 2023 betrugen die staatlichen Einnahmen aus dem europäischen und dem nationalen Emissionshandelssystem in Deutschland rund 18,4 Milliarden Euro. Das sind knapp 40 Prozent mehr als die bisherigen Rekordeinnahmen in Höhe von 13,2 Milliarden Euro im Jahr 2022. Zu beachten ist jedoch, dass diese Einnahmen auch dafür genutzt werden sollten, übermäßig hohe finanzielle Belastungen für private Haushalte abzumildern, die durch die CO2-Bepreisung entstehen. Anderenfalls drohen soziale Spannungen und politische Polarisierungen.
  • Das Volumen der klimaschädlichen Subventionen liegt in Deutschland sogar bei rund 65 Milliarden Euro pro Jahr.

Diese Zahlen zeigen, dass grundsätzlich erhebliche finanzielle Mittel zur Förderung der ökologischen Transformation in Deutschland bereitliegen. Doch gerade der Abbau klimaschädlicher Subventionen dürfte auf erhebliche Widerstände derjenigen treffen, die gegenwärtig von ihnen profitieren. Ein deutliches Indiz für diese Befürchtung zeigt sich etwa in dem massiven Widerstand gegen die Ende 2023 von der Bundesregierung angekündigten Pläne zum Abbau der Steuerentlastungen beim Agrardiesel und bei der Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge.

Eine weitere Herausforderung besteht in der Auswahl der zu fördernden Bereiche. Dafür sollte die Gesellschaft transparente Kriterien entwickeln, mit deren Hilfe die wirtschaftlichen Aktivitäten identifiziert werden können, die staatlich gefördert werden sollen. Natürlich ist die Entscheidung darüber, welche Produkte die Gesellschaft im Kontext der ökologischen Transformation als besonders förderungswürdig einstuft, letztendlich weitestgehend eine Frage der gesamtgesellschaftlichen Präferenzen und Werturteile – doch können transparente Kriterien den Einfluss von Partialinteressen auf den politischen Entscheidungsprozess verringern. Zudem könnte ein unabhängiges Expertenteam – z. B. ein noch zu gründender „Rat für Industriepolitik“ – den Entscheidungsprozess mit Blick auf industriepolitische Maßnahmen begleiten.

Schließlich sollte Deutschland bei der Ausgestaltung seiner wirtschaftspolitischen Antworten auf die aktuellen US-Subventionen auch den wirtschaftlichen Zusammenhalt der EU berücksichtigen. Deutschland verfügt über finanzielle Möglichkeiten, um mit eigenen Transferzahlungen und Steuererleichterungen auf die Subventionen der USA zu reagieren und damit die heimische Wirtschaft zu fördern. Viele Mitgliedstaaten der EU haben diese Spielräume wegen der erreichten Schuldenstände jedoch nicht. Wenn diese Volkswirtschaften ihre Unternehmen daher nicht in gleichem Ausmaß unterstützen können wie Deutschland, ist eine Zunahme der ökonomischen Divergenzen vorprogrammiert – und damit eine Schwächung der EU.

Diese Entwicklung wäre auch für Deutschland aus mindestens zwei Gründen negativ: Ökonomisch betrachtet ist die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft auf einen funktionierenden EU-Binnenmarkt angewiesen. Und geopolitisch kann Deutschland seine Interessen gegenüber den USA und China nur gemeinsam mit den übrigen EU-Ländern durchsetzen, weil die eigene Wirtschaftskraft, die die Basis für politische Macht darstellt, im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt der USA und Chinas zu gering ist.

 

Dr. Thieß Petersen