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In Deutschland sollen ab 2045 nur noch so viele Treibhausgase emittiert werden, wie an anderer Stelle eingespart werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Energieversorgung in höchstem Tempo von fossilen Energieträgern auf erneuerbare umgestellt werden. Die Bundesregierung hat das Ziel ausgegeben bis 2030 mindestens 80 Prozent des Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien – vor allem aus Wind- und Solarenergie zu decken. Mit der im Mai 2022 beschlossenen Novellierung des EEG ist dieses Ziel auch gesetzlich untermauert. Der Ausbau der erneuerbaren Energien liegt im überragenden öffentlichen Interesse.

Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden […].[1]

Der Klimawandel ist als Gefahr für zukünftige Wirtschaftsleistung und unsere allgemeine Lebensgrundlage erkannt und die Ziele für die Eindämmung sind klar definiert. Wenn Deutschland sie erreichen will, muss es einen bedeutenden Teil seiner Wirtschaftskraft in den Ausbau der erneuerbaren Energien lenken. Neben Arbeitskraft und finanziellen Investitionen wird dabei besonders die Bereitstellung der notwenigen Rohstoffe eine Herausforderung darstellen.

Rohstoffbedarf der Energiewende

Mit dem Fortschritt der Technik hat sich auch die Anzahl der eingesetzten Rohstoffe stetig erweitert. Während vor der industriellen Revolution noch hauptsächlich Metalle wie Eisen und Kupfer eingesetzt wurden, nutzt die Industrie heute 90 von 118 Elemente des Periodensystems und damit alle technisch einsetzbaren Elemente des Periodensystems. Die weiteren Elemente sind in der Regel nicht technisch nutzbare, vielfach kurzlebige Radionuklide.[2]

 

Bildquelle: Faulstich, M.: Circular Economy – Herausforderungen und Perspektiven. Nachhaltige Industrie 1. Jg. (2020) Nr. 1, S. 6-14
Daten: Zepf, V.; Reller, A.; Rennie, C.; Simmons, J.; Ashfeld, M.: Materials critical to the energy industry. An introduction. 2nd Edition. BP, London 2014

 

Für den Bau von Windkraftanlagen, Solarpanelen und Elektroautos werden nicht nur viele Rohstoffe benötigt, die bei der fossilen Energiegewinnung kaum eine Rolle gespielt haben, wie Lithium, Kobalt und Seltene Erden, der gesamte Rohstoffbedarf ist auch wesentlich höher. Der Bau eines typischen Elektroautos benötigt sechsmal mehr mineralische Rohstoffe als ein herkömmliches fossilbetriebenes Auto, und ein Onshore-Windkraftwerk neunmal mehr als ein Gaskraftwerk mit gleicher Leistung. Die Transformation der Energieerzeugung wird also zunächst den Rohstoffbedarf massiv ansteigen lassen. Die IEA rechnet mit einem Anstieg der Nachfrage nach Lithium um das 40-fache bis 2040, Kobalt und Nickel werden 20- bis 25-fach stärker nachgefragt werden. [3]

Woher kommen die Rohstoffe für die Transformation?

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) verfolgt für die Rohstoffversorgung eine drei Säulen Strategie. Um die langfristige Nachfrage nach Rohstoffen zu decken, soll der heimische Abbau ausgebaut, internationale Kooperationen gestärkt und eine Kreislaufwirtschat aufgebaut werden.

In Deutschland und auch der gesamten EU kommen viele der für die Transformation unabkömmlichen Rohstoffe wie Kobalt und Seltene Erden kaum oder gar nicht vor. Und auch international ist die Versorgungslage kritisch, da das Angebot sich oft auf wenige Länder konzentriert. Seltene Erden werden aktuell fast ausschließlich in China verarbeitet und veräußert, Kobalt kommt zu einem überwiegenden Teil aus dem Kongo und Lithium aus Chile. Das Angebot für Iridium und Platin beschränkt sich fast ausschließlich auf Südafrika.[4]

Die Versorgungslage ist aber nicht nur höchst fragil, sie ist langfristig gesehen auch endlich. Denn neben der Menge an Treibhausgasen, die wir in die Atmosphäre emittieren können, ist auch die Menge der Rohstoffe, die wir abbauen können, langfristig begrenzt. Mit zunehmendem Abbau sinkt die Konzentration der Stoffe in den verbleibenden Lagern. Weltweit wird der Abbau so lange fortgesetzt werden, bis die Preise die Grenzkosten erreichen.

Rohstoffversorgung durch Kreislaufwirtschaft

Wann der Punkt erreicht ist, an dem es nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch nicht mehr rational ist weitere Rohstoffe abzubauen hängt nicht nur von der Entwicklung der Abbautechnik und weiterer Kostenfaktoren ab, sondern ganz maßgeblich von unserem Umgang mit Rohstoffen, die bereits in der Technosphäre in Umlauf sind.

Auf den Punkt gebracht heißt das, je mehr Rohstoffe wir regelmäßig wiederverwenden, desto weniger werden wir neu abbauen. Wenn das Angebot an Recyclingrohstoffen im Markt steigt, sinkt bei gleichbleibender Nachfrage der Preis für Primärrohstoffe und damit verschiebt sich der Punkt, bis zu dem es sich wirtschaftlich lohnt noch mehr Rohstoffe abzubauen.

Die gleichbleibende Nachfrage ist dabei eine der kritischen Voraussetzungen, denn mit dem wirtschaftlichen Wachstum besonders in den Schwellen- und Entwicklungsländern geht einher, dass eher die Nachfrage steigt, als dass die Preise für Rohstoffe sinken. Aber auch in den entwickelten Ländern ist dieser Effekt Realität. Während moderne Autos immer effizienter werden und weniger Kraftstoff verbrauchen, werden neue Modelle gleichzeitig immer größer und schwerer, was den positiven Effekt teilweise aufhebt oder sogar umkehrt. Dieser Reboundeffekt muss möglichst begrenzt werden. Besonders in den entwickelten Ländern ist daher Suffizienz, also der absolut geringere Verbrauch an Rohstoffen für eine möglichst trotzdem wachsende Wirtschaftsleistung, elementar.

Transformation braucht Investitionen

Suffizienz und Transformation der Energieversorgung wird nicht gleichzeitig erreichbar sein. Der Ausbau der erneuerbaren Energien benötigt zunächst eine große Menge an verschiedenen Rohstoffen, die nicht eingespart werden können und da sie noch nicht im Umlauf sind, auch nicht aus dem Recycling gewonnen werden können. Diese Investition müssen wir einmalig in Kauf nehmen. Ob sie sich langfristig für das Klima aber auch für unsere Wirtschaft rechnet hängt maßgeblich davon ab, ob wir uns bereits heute Gedanken machen, wie wir diese Rohstoffe dauerhaft nutzen können. Das ist leider gar nicht so einfach, aber immerhin haben wir schon viel Erfahrung wie wir es nicht machen sollten.

Das wohl beste Beispiel für gut gedacht, aber schlecht gemacht sind Windräder. Ein nicht unerheblicher Teil der zukünftigen Energieversorgung soll darauf aufbauen, dass besonders an den Küsten und im Meer aber auch über das gesamte Land verteilt immer größere Windräder erneuerbaren Strom aus der Energie des Windes erzeugen. Stattlich gefördert über das EEG produzieren sie über Jahre hinweg verlässlich Strom – zumindest, wenn der Wind weht. Aber spätestens nach zwanzig Jahren ist in der Regel Schluss. Die stetige Belastung durch die teils starken Winde führt mit der Zeit zu Materialermüdungen, das Windrad muss ausgetauscht werden. Das wäre kaum eine Erwähnung wert, wenn sich bereits beim Design und Bau der Anlagen jemand Gedanken gemacht hätte, was mit den ausgedienten Rotorblättern zwanzig Jahre später geschehen soll – hat aber niemand. Und so müssen in den kommenden Jahren mehrere Tausend Windkraftanlagen mit Rotorblättern aus carbonfaserverstärkten Verbundmaterialien in Deutschland ausgetauscht werden, von denen niemand weiß, wie sie entsorgt geschweige denn recycelt werden können. Recyclingunternehmen arbeiten mit Hochdruck an Lösungen für dieses Problem, aber aktuell ist es vielfach nicht mal möglich die Blätter zu schreddern und zu verbrennen, da das Material die Schredderanlagen verstopft und unbrauchbar macht. Die einzige Lösung ist daher, die alten Rotorblätter auf einer Deponie zu sammeln und zu vergraben, ohne die Materialen wiederzuverwerten oder wenigstens die enthaltene Energie zu nutzen. Wir gehen mit Rotorblättern also genau so um, wie unsere als Wildbeuter durch die Lande ziehenden Vorfahren vor tausenden Jahren mit den Resten ihres Abendessens. Diese haben sich aber immerhin mit der Zeit zersetzt, die Rotorblätter werden für Generationen dort liegen. Das ist weder innovativ noch nachhaltig.

Ein weiteres Beispiel für den nicht durchdachten Einsatz von kritischen Rohstoffen sind Batterien. Vom Elektroauto bis zur Großspeicheranlage, wenn die Transformation gelingen soll, benötigen wir ausreichende Speichermöglichkeiten für Zeiten, in denen Wind und Sonne nicht zur Verfügung stehen. Nicht wenige Experten zweifeln, ob solche Speicherkapazitäten mit vorhandenen Technologien überhaupt zu erreichen sind. Sicher ist aber, wenn wir mit den begrenzten Mengen der Energierohstoffe weiter umgehen wie bisher, schaffen wir das definitiv nicht. Denn Batterien erreichen ihr Lebensende oft noch schneller als Windräder und ein wirklich effektives Recycling gibt es noch nicht. Die ersten Batterien der Elektroautos hatten ganz andere Leistungskriterien – sie mussten viel Speicherkapazität bei möglichst geringem Gewicht bieten und dabei noch möglichst sicher sein. Über eine Weiter- oder Wiederverwertung wurde auch dort wieder nicht ausreichend nachgedacht. Daher kommen heute eine Vielzahl unterschiedlichster Modelle von Batterien bei den Recyclern an, von denen die meisten kaum zielführend zu zerlegen sind. Die Ausbeute und Wiederverwertung der wertvollen Rohstoffe ist minimal.

Kreislaufwirtschaft braucht kluge Regulierung

Batterien sind aber auch ein gutes Beispiel dafür, dass kluge Regulierung im Interesse aller Beteiligten sein kann. Die neue europäische Batterieverordnung regelt neben Anforderungen zu Austauschbarkeit, Haltbarkeit oder Sammelquoten für Batterien auch, dass in Verkehr gebrachte Batterien ab 2027 über einen Batteriepass verfügen müssen.[5] Dieser stellt neben einigen öffentlichen Informationen vor allem den Recyclingunternehmen die notwendigen Informationen für einen hochwertige Verwertung zur Verfügung. Darunter fallen wichtige Informationen zur Zerlegung wie Explosionsdiagramme des Batteriesatzes, denen die Position der Batteriezellen zu entnehmen ist, Abfolge der Demontageschritte, Art und Anzahl der zu lösenden Verbindungstechniken, für die Demontage erforderliches Werkzeug, Warnungen, falls Teile beschädigt zu werden drohen und die Zahl der eingesetzten Zellen sowie deren Anordnung.[6]

Der Gewinn dieser Regulierungsmaßnahme wird den zusätzlichen Bürokratieaufwand bei Weitem übersteigen und das nicht nur bei den Recyclern sondern vor allem auch bei den Herstellern. Denn die bereitgestellten Informationen werden in Kombination mit den gestellten Anforderungen an das Design ein hochwertiges Recycling ermöglichen, das sicherstellt, dass die Materialien im Kreislauf enthalten bleiben. So können Batteriehersteller zukünftig auf ein sicheres Angebot an Rohstoffen auf dem europäischen Markt setzen, auch wenn der Primärrohstoff auf dem Weltmarkt zeitweise nicht zur Verfügung steht.

Es ergibt also durchaus Sinn, schon bei dem Design eines Produktes das Lebensende mitzudenken. Nur so kann eine echte Kreislaufwirtschaft und damit eine nachhaltige Transformation zu einer emissionsneutralen Wirtschaftsnation gelingen. Wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien im überragenden öffentlichen Interesse dieses Landes liegt, dann sollte der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft mindestens denselben Status bekommen, denn letzteres ist Voraussetzung für ersteres.

Herwart Wilms

Lennart Nübel

 

Der Text ist zuerst erschienen in den VIK Mitteilungen 1|24.

 

[1] Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2023 § 2

[2] Faulstich (2020): Circular Economy Herausforderungen und Perspektiven in Nachhaltige Industrie 2020(1)

[3] IEA (2021): The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transitions

[4] EU-Kommission (2020): Studie zur EU-Liste kritischer Rohstoffe

[5] Betrifft LV-Batterien, Industriebatterien mit einer Kapazität von mehr als 2 kWh und Elektrofahrzeugbatterien (Art. 77 (1) VERORDNUNG (EU) 2023/1542)

[6] Anhang XIII (c) VERORDNUNG (EU) 2023/1542