Wer bezahlt die Transformation? Drei Säulen für die Finanzierung der Transformation

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Das Transformationsprojekt der kommenden Jahre, von dem die sog. Energiewende natürlich ein Teil ist, wird gewaltige Investitionen benötigen. Und unabhängig davon, ob man in Infrastrukturleitungen, in Energiequellen oder klimaneutrale Produktionstechniken investieren will, stellt sich immer die gleiche Frage: Wer soll das bezahlen? Oder etwas anders formuliert: Wer hat das Geld dafür?

Doch bevor wir uns damit beschäftigen können, wer das Geld hat, sollten wir uns bewusst machen, dass jede Investition in ein Transformationsprojekt auch das Ergebnis einer Verteilungsentscheidung ist. Es gibt nicht genug Geld für alles, also müssen Prioritäten gesetzt werden. Und diejenigen, die nicht berücksichtigt wurden, reagieren u. U. mit Trauer, Neid oder gar Zorn. Dreht man aber die Perspektive um 180° und betrachtet anstelle der Geld empfangenden Seite die Geld gebende Seite, sieht man ganz andere Emotionen, die für das Gelingen des Transformationsprojekt zentral sind. Wer in ein Transformationsprojekt im weitesten Sinne investiert, hat oder bekommt ein Interesse am Gelingen. Was bei lokalen Projekten auf der Hand liegt, hilft aber vielleicht auch auf der abstrakteren Ebene.

Im Kern möchte sich der vorliegende Beitrag also der Frage widmen, woher das Geld kommen soll und inwiefern das positiv für die Akzeptanz der Transformation sein kann. Und um das Ergebnis vorwegzunehmen: Natürlich hat nicht eine Person oder Institution das Geld. Schließlich handelt es sich um eine Generationenaufgabe. Man kann aber drei Säulen identifizieren, die alle für das Gelingen am Ende relevant werden müssen.

Erste Säule: Die öffentliche Hand

Als erste Säule ist die öffentliche Hand, also „der Staat“ zu nennen.

Die öffentliche Hand stellt auf allen Ebenen Geld für die Transformation zur Verfügung. Das reicht von der supranationalen Ebene wie der Europäischen Union über den Bund und die Länder bis zu den Kommunen vor Ort. Dabei kann das Zurverfügungstellen ganz unterschiedlich ausgestaltet sein. Zunächst ist an klassische Förderinstrumente zu denken. Diese reichen von Forschungszuschüssen über Instrumente wie die Klimaschutzverträge mit ihren Differenzkontrakten bis Steuererleichterungen wie Superabschreibungen. Der US-amerikanische Inflation Reduction Act (IRA) nutzt diese beispielsweise umfassend (während der europäische Net Zero Industry Act (NZIA) ähnliche Ziele eher durch regulatorische statt finanzieller Förderung verfolgt). Aber der Staat tritt teilweise auch direkt als Bereitsteller der Infrastruktur auf, schließlich ist der Bund immer noch Mehrheitseigentümer der Deutschen Bahn. Und dazu zählen auch die Stadtwerke mit den Leistungen der Daseinsvorsorge in den Kommunen.

Die Möglichkeiten des Staates, Geld zur Verfügung zu stellen, sind bekanntermaßen nicht unbegrenzt. Das Beihilfenrecht z. B. soll sicherstellen, dass durch staatliche Mittel keine einseitige Wettbewerbsvorteile entstehen. Die Klauseln über wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden im Kommunalrecht haben eine ähnliche Zielrichtung. Und über das Haushaltsrecht erfolgt die Rückkopplung an die demokratisch gewählten Interessensvertretungen. Das meist diskutierte Element des Haushaltsrechts ist derzeit – natürlich – die Schuldenbremse. Ihr Zweck ist nobel, nämlich die Verantwortlichen zu zwingen, nicht auf Kosten kommender Generationen heute Geld auszugeben. Da aber auch das Weitergeben von nicht transformierter Infrastruktur für kommende Generationen eine ziemliche Bürde darstellt, spricht viel dafür, die Schuldenbremse zu reformieren, so dass Zukunftsinvestitionen anders behandelt werden als konsumtive Ausgaben (die sog. „goldene Regel“).

Zusammengefasst ist es die Rolle des Staates, das „Nötige“ zu tun und nicht nur das „Ertragreiche“. Mit diesem Mindset kann er aber neue Entwicklungen fördern und stützen, bevor diese marktgängig und „bankable“, also von Banken finanzierbar, sind. Extrem vereinfacht gesagt hat der Staat für das „Nötige“ eigentlich die gleiche Aufgabe wie Venture Capital. Und wenn er „investiert“ ist, hat er vielleicht ja auch ein Interesse, die Voraussetzungen für ein Gelingen zu schaffen (die Deutsche Bahn ist hier allerdings eher abschreckendes Beispiel).

Zweite Säule: Der Finanzmarkt

Typischerweise sind die Banken und andere Unternehmen des Finanzmarktes diejenigen, an die man denkt, wenn man überlegt, wer Kapital für Investitionen zur Verfügung stellen kann. Schließlich ist das deren definitorisches Kerngeschäft. Und natürlich sind Banken massiv in die Finanzierung der Transformation eingebunden. Sie gewähren den Unternehmen Kredite für neue Anlagen und übernehmen Bürgschaften. Sie organisieren Investmentfonds, über die Geld speziell für Infrastruktur- oder nachhaltige Projekte eingesammelt werden.

Aber auch Banken agieren nicht im freien Raum, sie sind sowohl den Interessen ihrer Shareholders (also Gesellschafter*innen) als auch rechtlichen Regeln unterworfen. Die Shareholders definieren den Risikoappetit der Banken. Ein bisschen Risiko ist gewünscht, zu viel Risiko riecht schnell nach Untreue. Also müssen Projekte so dimensioniert sein, dass die Wahrscheinlichkeit für die Bank groß genug ist, ihr Geld zurückzuerhalten. Sie müssen also „bankable“ sein. Das ist bei Investitionen mit einer Amortisationsperiode in Jahrzehnten und technologischen Unsicherheiten schwierig. So erklärt sich z. B. das staatlich abgesicherte „Amortisationskonto“ für den Wasserstoffnetzausbau.

Unabhängig von den Shareholders gibt es aber (internationale) Regelwerke, die das Risiko von Bankeninsolvenzen auf dem Weg der sog. prudentiellen Aufsicht begrenzen sollen. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht entwickelt diese Regeln, die z. B. in Europa in der Kapitaladäquanzverordnung umgesetzt sind. Banken müssen danach (anteilig) Eigenkapital für ihre übernommenen Risiken vorhalten, was ihre Handlungsmöglichkeiten beschränkt.

Klassisch gibt es einige Wege, das Risiko bei der Bank zu verringern und über Anlageprodukte wie Verbriefungen aufzuteilen und zu streuen. Nach der Finanzkrise sind diese Instrumente allerdings in Verruf geraten und durch neue Regeln wie die EU-Verbriefungsverordnung stark eingeschränkt worden. Eine Bank, die heute z. B. Kredite an Netzbetreiber für den Netzausbau bündeln und verbrieft weiterveräußern will, muss hierfür – je nach Komplexität – 10% oder 15% Eigenkapital vorhalten. Damit ist das Instrument weder mit Blick auf institutionelle oder gar private Anleger besonders interessant. Folgerichtig wird das Thema in der Wachstumsstrategie der Bundesregierung auch angesprochen.

In der Logik der Darstellung ist es die Rolle der Finanzwirtschaft, die solide Basisfinanzierung für das etablierte und verständliche Geschäft zu erbringen und zugleich den Zugang von potenziellen Investoren zu Transformationsprojekten zu vermitteln. Was uns unmittelbar weiterführt.

Dritte Säule: (Private) Investoren

Sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch institutionelle Investoren wie Versicherungen, Krankenkassen und Pensionsfonds haben gewaltige Geldsummen zur Verfügung, für die sie sichere und ertragreiche Anlageformen suchen. Sie bilden die dritte Säule. Und ja, das ist eine starke Vereinfachung, denn selbstverständlich ist auch das Geld des Staates das Geld der Bürger*innen und das Geld der Banken das der Anleger*innen und Sparer*innen. Die Unterscheidung hilft aber bei der Darstellung, um die Rollen und Funktionen klar zu machen.

Doch zunächst zum allgemein Bekannten. Die Deutschen sind im Schnitt immer noch sehr reich. So beträgt das Sparvermögen der privaten Haushalte Ende 2023 – ohne Immobilienvermögen! – laut Bundesbank rund 7,7 Billionen Euro. Selbst wenn man die Schulden abzieht, bleiben noch 5,5 Billionen übrig, von dem das Meiste als Bargeld oder auf Tages-/Festgeldkonten vorliegt. Laut der Gesellschaft für Analyse und Consulting kommen allein bei den 500 größten Kapitalsammelstellen nochmal 4 Billionen Euro dazu.

Für das Gelingen des Generationenprojekts Transformation muss es also gelingen, dieses Geld zu aktivieren. Das kann ganz unterschiedlich aussehen.

Ganz prototypisch wäre das direkte Investment vor Ort. Das Windrad auf dem Feld vor der Gemeinde oder die Solaranlage auf dem Schuldach. Es ist ein konkretes Projekt und die Investor*innen können damit etwas verbinden. Sie können vielleicht über eine Genossenschaft Miteigentümer werden, vielleicht beteiligen sie sich finanziell z. B. über sie eine Inhaberschuldverschreibung. Oder sie profitieren indirekt durch den Bezug von günstigem Strom. Und während das eine durchaus romantische Vorstellung von direkter Beteiligung ist, sieht die bürokratische Wirklichkeit dahinter ganz anders aus. Selbst um nur sein Dorf beteiligen zu können, müssen komplexe Regelwerke durchdrungen und im Regelfall vielseitige Prospekte erstellt werden. Dass dieser Aufwand Hindernis für die lokale Beteiligung sein kann, ist auch der Bundesregierung bewusst, wenn sie hier Nachsteuerungen in der Wachstumsstrategie ankündigt. Während diese Anlageformen den emotional höchsten Effekt auf die Akzeptanz erzielen würde, sind andere Formen in der praktischen Abwicklung vielleicht einfacher. Aber bei einem Investment in einen „grünen Fonds“ im Sinne der EU-Taxonomie-Verordnung wird wenig positive Emotion geweckt werden.

In der Diskussion taucht vereinzelt auch der Begriff der Volksaktie auf, was den Kreis zur ersten Säule schließen würde. Als Volksaktie werden Aktienemissionen bezeichnet, die sich speziell an Kleinanleger richten, die darüber einen einfachen Zugang zur Beteiligung an Unternehmen erhalten sollen. Die Bundesrepublik hat das teilweise bei der Privatisierung von Staatsunternehmen gemacht. Man erinnere sich nur an die Werbung mit Manfred Krug anlässlich der Privatisierung der Telekom. Mit einer (erfolgreichen) Transformationsvolksaktie könnte man einige wünschenswerte Effekte erzielen. Ein Teil der Sparer-Billionen könnte darüber zielgerichtet für Transformationsprojekte verwendet werden. Die Transformation wird für viele greifbarer und etwas, an dessen Gelingen man ein positives Interesse hätte. Und es würde vielleicht helfen, die deutschen Aktienmuffel etwas zu diversifizieren.

Die Aufgabe des Staates wäre hier dann eher die der Finanzwirtschaft: Er würde in Transformationsprojekte investieren, dieses Investment dann aber an die Bürger*innen weitergeben. Dadurch würde neues Geld freiwerden, das wiederum genutzt werden kann. Und wenn der Staat in dieser Volksaktie ganz verschiedene Investments bündelt, garantiert und weitergibt, wäre der Weg zur „Volksverbriefung“ auch gar nicht mehr weit …

 

Prof. Dr. Ines Zenke