Wohlstand dank Nachhaltigkeit – Luftfahrt Made in Germany

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Der Luftverkehr führt Menschen weltweit zusammen, ermöglicht ihnen, andere Länder und Kulturen kennenzulernen und ermöglicht den Transport von rund einem Drittel aller Waren nach Wert. Das alles ist unverzichtbar in einer freiheitlichen und globalisierten Welt. Vor allem für Deutschland als Wirtschafts- und Industrienation mit einem starken Exportanteil sind Punkt-zu-Punkt-Verkehre, die Deutschland mit europäischen und außereuropäischen Wirtschaftszentren direkt verbinden, essentiell. Gleichzeitig ist die größte Herausforderung unserer Zeit das Aufhalten des Klimawandels. Den Handlungsdruck unterstreichen jüngst publizierte Daten des Copernicus Programms, laut denen der globale Temperaturanstieg im Jahr 2024 voraussichtlich durchschnittlich 1,55 °C über dem vorindustriellen Niveau erreicht hat, womit das Jahr „praktisch sicher” das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war.

Die Zukunft der Luftfahrt ist eng verbunden mit der Erfüllung der Klimaschutzziele

Die Branche ist sich der Dringlichkeit bewusst und übernimmt ihre gesellschaftliche Verantwortung, um auch zukünftigen Generationen das Fliegen zu ermöglichen. Im Oktober 2021 verpflichtete sich die globale Luftfahrt im Rahmen der Luftfahrtorganisation Air Transport Action Group (ATAG) das Netto-Null-CO2-Emissionen Ziel bis 2050 zu erreichen. Im Jahr darauf wurde dieses Ziel auch von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) verabschiedet. Die Erfüllung besagter Ziele ist für die Luftfahrt als schwer zu dekarbonisier- und defossilierbare Branche besonders herausfordernd. Während die Emissionen gesenkt werden müssen, wird sich das prognostizierte Passagieraufkommen in den nächsten rund 15 Jahren in etwa verdoppeln, getrieben durch die starke Zunahme der globalen Mittelschicht in Wachstumsmärkten wie Indien. Ohne zusätzliche Maßnahmen würde der Anteil der Luftfahrt an den globalen CO2-Emissionen deutlich über die heutigen 2,8 % steigen. Um die Klimaschutzziele trotzdem zu erreichen, bedarf es einer Entkopplung der Zunahme des Luftverkehrs von dem Zuwachs an Emissionen. Dies wird nur gelingen durch Technologien, Innovationen und die Umsetzung verschiedener politischer marktbasierter Maßnahmen, wie dem europäischen Emissionshandel (EU-ETS) oder dem einheitlichen europäischen Luftraum (SES). Die Optimierung von Flugrouten durch Maßnahmen wie dem SES hat das Potenzial, CO₂-Emissionen erheblich zu reduzieren, da kürzere, direktere Flugstrecken und effizientere Luftraumnutzung den Treibstoffverbrauch senken.

Wege zur Erreichung des Netto-Null-CO2-Emissionen Ziels

Bereits seit Jahrzehnten arbeitet die Luftfahrtindustrie intensiv an der Optimierung bestehender Technologien und Innovationen, um den Treibstoffverbrauch zu senken und damit auch das Fliegen für große Teile der Bevölkerung bezahlbar zu machen. So konnten die CO2-Emissionen pro Passagierkilometer seit den 1990er Jahren um rund 50 % gesenkt werden. Zur Vermeidung der restlichen 50 % arbeitet die Luftfahrt an verschiedenen Innovationsfeldern wie der Effizienzsteigerung bestehender Technologien und der Entwicklung neuer disruptiver Technologien als auch alternativen nachhaltigen Kraftstoffen, sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF). Die Vermeidung der restlichen Emissionen ist dabei deutlich komplexer und stellt die Branche vor große Herausforderungen. Nur wenn alle verbleibenden Potentiale komplementär entwickelt und realisiert werden, kann das Netto-Null-CO2 Ziel erreicht werden.

Effizienzsteigerung bestehender Technologien und Entwicklung neuer disruptiver Technologien

Dank der Anstrengungen in der Vergangenheit wurde viel erreicht, sodass die modernsten Flugzeugmodelle von Airbus, wie z.B. die kürzlich in Betrieb genommene A321XLR, zwischen 20 bis 30 % weniger Treibstoff pro Sitzkilometer verbrauchen im Vergleich zu Flugzeugen der Vorgängergeneration. Gleichzeitig sind rund 70 % der weltweit fliegenden Flotte Flugzeuge älterer Generationen. Die Flottenerneuerung bietet somit ein erhebliches, kurzfristig realisierbares Potential zur Senkung der CO2-Emissionen. Zur weiteren Reduzierung des Treibstoffbedarfs zukünftiger Flugzeugprogramme erforscht Airbus gemeinsam mit Partnern neue Technologien zur Steigerung der Aerodynamik wie den hochgestreckten Flügel, neue Antriebskonzepte und den Einsatz alternativer Materialien.

Um CO2 neutral fliegen zu können, bedarf es aber auch disruptiver Technologien, wie dem Einsatz von Wasserstoff. Bei der Nutzung von Wasserstoff wird kein CO2 emittiert, womit Wasserstoff die beste, wenn nicht gar einzige Alternative zu kohlenstoffbasierten Treibstoffen auf der Kurzstrecke ist. Die Konzepte von Airbus für ein Wasserstoff-Flugzeug für die Mitte des nächsten Jahrzehnts sehen beispielsweise eine Reichweite von 1800 km und mehr sowie Platz für mehr als 100 Passagiere vor. Das Fliegen mit Wasserstoff-Antrieb ist ein ehrgeiziges Ziel, da die Eigenschaften von Wasserstoff eine Kettenreaktion an Innovationsbedarfen auslösen. Der kryogene Wasserstoff muss bei minus 253 °C gelagert werden. Darüber hinaus hat Wasserstoff das vierfache Volumen von Kerosin, wodurch die benötigten Tanks sehr viel größer sind und nicht mehr in den Tragflächen untergebracht werden können, sondern im Rumpf, was die gesamte Struktur des Flugzeugs beeinflusst. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, arbeitet Airbus branchenübergreifend mit Partnern wie der Ariane Group zusammen, um die vorhandene Wasserstoffexpertise der Raumfahrt zu nutzen. Neben der Technologie ist die größte Herausforderung für die Einführung eines Wasserstoffflugzeuges das Vorhandensein eines weltweiten Wasserstoffökosystems, welches die ausreichende Produktion von grünem Wasserstoff, den Transport und die entsprechende Bodeninfrastruktur an den Flughäfen zur Lagerung und Betankung umfasst.

Alternative nachhaltige Kraftstoffe (SAF)

Gleichzeitig braucht es für die Bestandsflotte und die Langstrecke SAF. Sowohl Biomasse als auch strombasierte SAFs, auch Power-to-Liquid (PtL) oder e-Fuels genannt, verursachen in der Lebenszyklusbetrachtung mindestens 80 % weniger CO2-Emissionen als herkömmliches Kerosin. Die Nutzung von SAF hat laut Eurocontrol das Potenzial, rund die Hälfte der CO2-Reduktionen zu ermöglichen, die notwendig sind, um das Ziel von Netto-Null-CO2-Emissionen bis 2050 zu erreichen. Das macht SAF zu einer effektiven und essentiellen Maßnahme in der Transformation der Luftfahrt. Um diese CO2-Einsparungen realisieren zu können, müssen allerdings einige Herausforderungen gemeistert werden beim Einsatz und der Verfügbarkeit von SAF. Bisher ist der Einsatz einer Beimischung von 50 % SAF für alle Airbus Flugzeuge zugelassen. Die Luftfahrt hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 die Betankung von bis zu 100 % zu ermöglichen. Erste Testflüge mit 100 % SAF wurden bereits von Airbus erfolgreich durchgeführt. Die eigentliche Herausforderung beim Einsatz von SAF liegt aber nicht bei der Flugzeugtechnologie, sondern der weltweit verfügbaren Menge an SAF zu wettbewerbsfähigen Preisen. Im Jahr 2024 wurden weltweit rund 1,5 Mio. Tonnen SAF produziert, was weniger als einem Prozent aller vertankten Flugkraftstoffe entspricht. Die geringe Verfügbarkeit und der hohe Preis, der rund drei- bis fünfmal so hoch ist wie für herkömmliches Kerosin, verhindern derzeit einen umfassenden Einsatz. Marktanreizende, verpflichtende Quoten und politische Unterstützung sind daher notwendig, um durch Skalierung reduzierte Herstellkosten und eine steigende Verfügbarkeit zu erreichen. Dies ist wichtig, um Flugreisen auch weiterhin für große Teile der Gesellschaft zu ermöglichen. Airbus unterstützt die Kraftstoff-Branche bei dem Aufbau von SAF-Produktionskapazitäten mit zahlreichen Partnerschaften und nutzt SAF auch im eigenen Flugbetrieb, um den weiteren Markthochlauf anzureizen.

Chancen einer nachhaltigen Luftfahrt für den Standort Deutschland

Die Dekarbonisierung der Luftfahrt ist eine enorme Herausforderung, bietet aber gleichzeitig auch vielfältige Chancen. Deutschland kann im Rahmen einer konzertierten europäischen Anstrengung seine Vorreiterrolle und Technologieführerschaft bei der Dekarbonisierung der Luftfahrt ausbauen, was einhergeht mit einer Steigerung der Wertschöpfung und des Wohlstands. Vor allem die enge, lokale Verzahnung zwischen hochkarätiger Wissenschaft wie z.B. dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Zulieferern, die in ihrem Feld häufig Weltmarktführer sind und dem Flugzeugbauer, ist eine der Stärken des Luftfahrtstandortes Deutschland.
Die Luftfahrt ist und bleibt ein Wachstumsmarkt. Getrieben wird die geplante Steigerung der Flugzeugproduktion bei Airbus zum einen durch die weltweit zunehmende Nachfrage nach Flugreisen und zum anderen durch Flottenerneuerungen. Die hohe Nachfrage führte in den letzten Jahren zu einer Rekordbeschäftigung in der Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland und wird aufgrund der Steigerung der Flugzeugproduktion perspektivisch weiter zunehmen.

Im Bereich Luftfahrtforschung besitzt Deutschland durch die enge Verdrahtung der Akteure Vorteile, was z.B. bei der Entwicklung der Brennstoffzelle für das Airbus Wasserstoffflugzeug genutzt wird. Dies sichert auch langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Luftfahrtindustrie gegenüber bekannten und neu aufstrebenden Mitbewerbern. Darüber hinaus ist die Luft- und Raumfahrt als Hightechbranche Technologie- und Innovationstreiber für andere Branchen und sichert durch Spillover Effekte dadurch Wohlstand in Deutschland.

Die SAF-Produktionstechnologie ist eine Chance für Deutschland, gerade in Kombination mit der heimischen, starken chemischen Industrie und dem Anlagenbau. Vor allem bei strombasierten SAFs nimmt Deutschland eine Vorreiterrolle mit mehr als der Hälfte der europäischen PtL-Forschungsanlagen ein und hat gute Voraussetzungen, um künftig vom SAF-Markt, vor allem im Anlagenbau, zu profitieren. Ein dämpfender Faktor ist aber auch hier der hohe Strompreis in Deutschland.

Voraussetzungen für eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Wirtschaft

Für das Erreichen des Netto-Null-CO2-Ziels bis 2050 bei gleichzeitiger Sicherung und Ausbau des Wohlstandes bedarf es eines Schulterschlusses zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Es gilt, Ökonomie und Ökologie zusammenzudenken. Diesem häufig fälschlicherweise als Widerspruch betrachteten Duo nimmt sich auch der Draghi-Bericht an. Er legt dar, wie groß der wachsende Rückstand der EU im Bereich Wettbewerbsfähigkeit und Innovation gegenüber den USA und China ist. Draghi spricht von „geringer industrieller Dynamik, geringer Innovation, geringen Investitionen und geringem Produktivitätswachstum” in der EU. Die Botschaft „Europa muss seinen Platz in einer sich verändernden Welt neu überdenken in drei Hauptbereichen: die Innovationslücke gegenüber den USA und China schließen und anerkennen, dass Innovation der größte Treiber des Produktivitätswachstums ist; Dekarbonisierung; mehr Sicherheit und Autonomie” und gleichzeitig den Blick auf die eigenen Stärken richten. Die EU ist in einer Führungsposition, wenn es z.B. um die Dekarbonisierung und die Energiewende geht, auch in der Luftfahrt. Aber die EU fällt zurück. Um zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission in der Industriepolitik ausgebaut und massiv in Forschung und Entwicklung investiert werden. Es gilt, nationale und europäische Forschungsprogramme koordiniert auszubauen. Nationale Egoismen müssen der Vergangenheit angehören. Nur ein geeintes Europa wird auch zukünftig seinen Platz in der Welt verteidigen und seinen Wohlstand sichern können.

 

Nicole Dreyer-Langlet ist Mitglied der Geschäftsführung und Vizepräsidentin Forschung & Technologie der Airbus Operations GmbH