Next Made In Germany: Vom Sondervermögen zur Standortpolitik

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Ein Papier des geschäftsführenden Präsidiums des Wirtschaftsforums der SPD e.V.

 

Deutschland steht nach drei Jahren Stagnation, geopolitischen Spannungen und massivem Investitionsbedarf an einem Scheideweg. Steigende Standortkosten, schwache Investitionen und ein hohes Maß an Unsicherheit sowie der fehlende Wille zu nötigen Reformen haben die Wettbewerbsfähigkeit des Landes untergraben. Die Bundesregierung hat darauf mit einem wichtigen Signal reagiert: dem Finanzpaket aus Sondervermögen und zusätzlichen Verteidigungsausgaben. Es markiert einen Paradigmenwechsel – weg von einer Politik des Kaputtsparens hin zu einer investi- tionsorientierten Finanzpolitik. Zudem ist richtig, dass die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands durch die Bereichsausnahme als klares politisches Ziel gestärkt wird und geopolitische und wirtschaftliche Sicherheit stärker vernetzt gedacht werden.

Dieser Schritt schafft dringend benötigte Handlungsfähigkeit und eröffnet neue Chancen für Investitionen. Doch klar ist auch: Der fiskalische Impuls allein reicht nicht. Erstens muss sichergestellt werden, dass die Finanzmittel in Rekordhöhe schnell und zielgerichtet verausgabt werden – und zwar nur und ausschließlich für zusätzliche Investitionen ergänzend zum Kernhaushalt. Eine Umwidmung von Investitionsmitteln für konsumtive Zwecke und politische Liebhaberprojekte verkennt den Veränderungsbedarf im Land. Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass die Rekordverschuldung weder im Haushalt 2026 noch in den darauffolgenden Jahren nicht konsumtiv missbraucht wird. Um einen schnellen Mittelabfluss zu gewährleisten, braucht es ein Vergaberecht, dass Transformationsprozesse wie etwa die Entwicklung der Circular Economy stützt – aber vor allem eine schnelle und unbürokratische Auftragsvergabe gewährleistet. Die Umsetzung des Sondervermögens darf nicht am Vergaberecht scheitern!

Zweitens braucht es weiterführende Reformbemühungen, damit die öffentlichen Investitionen ihre volle Wirkung entfalten und zu einer dauerhaften Stärkung des Potenzialwachstums beitragen. Es braucht Maßnahmen, die die strukturellen Schwächen des Wirtschaftsstandortes Deutschlands adressieren. Um diese Schwächen zu beheben und neue Wachstumschancen zu erschließen, müssen fünf Standortfaktoren entwickelt werden: eine neue Kultur des Ermöglichens in der Verwaltungspraxis, eine neue Vollbeschäftigungspolitik am Arbeitsmarkt zur Entlastung des Sozialstaats, eine neue Innovationsdynamik, Entlastung bei den Energiepreisen durch strukturelle Senkung der Systemkosten und eine konsequente europäische Integration. Nur wenn es gelingt, hier grundlegende Fortschritte zu erzielen, kann die Basis für eine wettbewerbsfähige, resiliente und innovative Volkswirtschaft gelegt werden. Damit wird zudem die Mobilisierung von privatem Kapital ermöglicht, das die öffentlichen Investitionen ergänzen kann und muss. Das Ziel muss sein, die derzeit rückläufige Zahl von ausländischen Investitionsprojekten wieder zu erhöhen und die Attraktivität von Investitionen in Deutschland zu steigern. Klar ist: Ohne pri- vates Kapital wird die umfassende Modernisierung des Wirtschaftsstandortes nicht gelingen.

Leitlinien der Reformpolitik müssen sein:

  • Standortpolitik und Potenzialwachstum: Tiefgreifende, strukturelle Reformen sind nötig, um das langfristige Potenzialwachstum zu erhöhen und die Produkti- vität der deutschen Volkswirtschaft dauerhaft zu stärken.
  • Effektive Vergabe der Rekordinvestitionen: Das Sondervermogen »Infrastruktur und Klimaneutralitat« darf nur für Investitionen zusätzlich zum Kernhaushalt genutzt werden. Eine Beschleunigung der Auftragsvergabe muss sicherstellen, dass die Investitionsmittel schnell verausgabt werden.
  • Schnelligkeit bei Entlastungen und Verfahren: Unternehmen erwarten, dass die Umsetzung angekündigter Verbesserungen beim Bürokratieabbau, bei der Ver- einfachung von Verfahren und Entlastungen bei den Energiepreisen nicht länger aufgeschoben werden.

Standortfaktor 1: Verwaltung modernisieren, strategische Beschaffung nutzen, Bürokratie verschlanken

  • Auf allen Verwaltungsebenen ist eine politische Führung im Sinne einer Kultur der Ermöglichung zu verankern. Unternehmen müssen sich willkommen fühlen; dazu gehört eine konstruktiv arbeitende Verwaltung, die mit guten Strukturen und guter Ausstattung handlungsfähig ist.
  • Es ist eine Bund-Länder-Initiative zur Vereinfachung von Verwaltungszuständigkeiten in Investitionsentscheidungen einzurichten.

Genehmigungsverfahren vereinfachen und rechtsstaatlich beschleunigen

Lange ist klar – beim Bürokratieabbau geht es um die richtige Haltung und politische Leadership. Es braucht ein neues Mindset. Erfolgreiche Beispiele wie das LNG-Terminal in Wilhelmshaven oder der beschleunigte Ausbau der Windenergie belegen: Wenn Priorisierung, klare Zuständigkeiten und Ausnahmeregelungen mit einer Haltung des Ermöglichens verbunden werden, lassen sich Verfahren drastisch verkürzen. Das heißt auch: Standortpolitik, Ansiedlungsfragen und Infrastrukturvor- haben müssen auf allen Verwaltungsebenen gewollt und mit politischer Führung begleitet werden. Für Projekte von überragender Bedeutung braucht es bundesein- heitliche Priorisierung, verbindliche Fristen und Genehmigungsfiktionen, sofern keine zwingenden Ablehnungsgründe vorliegen. Reallabore und Experimentierklauseln eröffnen Innovationsräume, ohne rechtliche Standards zu schwächen. Vor allem gilt es, zu einer Vertrauens- statt zu einer Prüfkultur zu kommen. Es braucht eine Rückkehr zu mehr Vertrauen in unternehmerische Verantwortung. Statt flächendeckender Berichtspflichten sollten risikobasierte Stichprobenkontrollen zum Regelfall werden und Prüfintervalle nach Bonus/Malus-Logik dynamisiert werden: Unternehmen, die turnusgemäße Kontrollen und Berichte ohne Beanstandungen durchlaufen, sollten in größeren Intervallen geprüft werden als solche, die Auflagen und Sorgfaltspflichten missachten.

Strategische öffentliche Beschaffung als Treiber für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit

Öffentliche Beschaffung ist weit mehr als Verwaltungspraxis – sie ist ein zentrales Steuerungsinstrument für Wachstum und Transformation sowie Hebel zur Förderung einer zirkulären Wirtschaft. Das bedeutet: Ausschreibungen dürfen nicht länger allein nach dem billigsten Preis entschieden werden, sondern müssen gezielt Innovationskraft, Wettbewerb und neue Technologien fördern. Klare Innova- tionskriterien, die Einbindung auch kleiner und mittelständischer Anbieter sowie risikopuffernde Vorauszahlungen schaffen Anreize und eröffnen Märkte. Der Staat wird damit selbst zum »Launching Customer« und gibt entscheidende Impulse für Wertschöpfung im Land. Zugleich gilt: Ohne verbindliche Fristen, transparente Bewertungsmaßstäbe und eine konsequente Evaluation droht der Hebel wirkungslos zu verpuffen. Deshalb braucht es eine Neujustierung des Vergaberechts – weg von kleinteiliger Regulierung hin zu einer Kultur des Ermöglichens. Nur wenn öffentliche Nachfrage mit politischem Gestaltungswillen verbunden wird, kann Beschaffung zu einem wirkungsvollen Treiber für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und die Modernisierung des Wirtschaftsstandortes werden.

Verwaltung digitalisieren und steuerungsfähig machen

Eine konnektive und in den Prozessen standardisierte digitale Verwaltung ist heute Grundvoraussetzung für effizientes Handeln und Planungssicherheit. Zu viele Behörden arbeiten noch immer mit isolierten Systemen. Ein neuer Ansatz erfordert verbindliche Standards, Interoperabilität und zentrale Plattformen für häufig genutzte Anwendungen. Digitale Prozesse müssen von Anfang an nutzerfreundlich und medienbruchfrei gestaltet werden. Künstliche Intelligenz darf nicht nur beste- hende Abläufe digitalisieren, sondern muss Prozesse verschlanken oder überflüssig machen. Agiles Projektmanagement, klare Zielvereinbarungen und regelmäßige Praxis-Checks sichern Umsetzungsdisziplin.

Zuständigkeiten klar ordnen: Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen stärken

Ein neues Mindset erfordert auch klare Strukturen. Die heutige Verschränkung von Bund, Ländern und Kommunen führt zu Doppelarbeiten, Kompetenzgerangel und Verzögerungen. Eine Bund-Länder-Initiative sollte Gemeinschaftsaufgaben reduzieren und Entscheidungsprozesse beschleunigen. Das bedingt aber die Ausstattung der jeweiligen Ebenen mit den notwendigen Mitteln. Vor allem Kommunen als zentrale Investitionsträger benötigen personelle und finanzielle Stärkung. Entschuldung, gezielte Investitionsprogramme und regionale Fachservicezentren entlasten die Genehmigungsbehörden vor Ort und steigern die Umsetzungsgeschwindigkeit.

Projektmanagement- und Umsetzungskapazitäten in der öffentlichen Hand ausbauen

Gesetze und Strukturen sind nur der Rahmen – entscheidend ist die Umsetzung. Viele Behörden verfügen nicht über das nötige Projektmanagement (in Ausstattung, know-how, an interdisziplinären Teams, um komplexe Vorhaben effizient zu steuern). Spezialisierte Projektteams mit Expertise in Digitaltechnik, Bau- und Vergaberecht, Stakeholdermanagement und agilen Methoden sollten zum Standard werden. Partnerschaftliche Modelle wie die Integrierte Projektabwicklung fördern gemein- sames Zielerreichen statt gegenseitiger Blockaden. Die Verwaltung muss offen für Seiteneinsteiger sein, insbesondere aus IT und Projektsteuerung. Dienstrechts- und Besoldungsreformen, die Leistung und Zielerreichung honorieren, schaffen zusätz- liche Anreize.

Standortfaktor 2: Fachkräftesicherung als zentrale Zukunftsaufgabe – eine neue Vollbeschäftigungspolitik zur Entlastung des Sozialstaats

  • Frauen und Ältere stärker in Arbeit bringen (Betreuung, flexible Modelle, länge- res Arbeiten ermöglichen).
  • Zuwanderung in den Arbeitsmarkt beschleunigen und vereinfachen (One-Stop, Anerkennung, Absolvierende halten).
  • Weiterbildung und Bildung systematisch ausbauen (lebenslang, digital, MINT, Kita bis Ausbildung).
  • Sozialstaat reformieren: Leistungen bündeln, Arbeit klar belohnen, Jobcenter als Integrationsmotor.

Damit das Finanzpaket der Bundesregierung Wirkung entfalten kann, muss das Ar- beitsangebot steigen. Investitionen brauchen Menschen, die sie umsetzen – sonst drohen Preissteigerungen statt Wachstum. Im Sinne einer Vollbeschäftigungspolitik braucht es höhere Erwerbsbeteiligung, gezielte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, eine Qualifizierungsoffensive sowie einen Sozialstaat, der Arbeit belohnt und Integration in Beschäftigung erleichtert. Diese neue Politik der Vollbeschäftigung leistet dann einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung des Sozialstaats und zur Entlastung der sozialen Sicherungssysteme.

Inländische Potenziale heben

Frauen bleiben die größte stille Reserve am Arbeitsmarkt. Wer ihre Erwerbsquote erhöhen will, muss die Zweitverdienerfalle schließen, Kinderbetreuung ausbauen und flexible, verlässliche Arbeitszeitmodelle fördern. Auch ältere Beschäftigte müssen länger arbeiten können. Attraktive Anreize wie eine Aktivrente reichen nicht aus, solange Arbeitsverträge automatisch mit Erreichen der Regelaltersgrenze enden. Notwendig ist die Abschaffung dieser Automatik und des Vorbeschäftigungsverbots für über 67-Jährige.

Gezielte Erwerbsmigration

Auch bei besserer Ausschöpfung der inländischen Potenziale bleibt Deutschland auf Zuwanderung angewiesen. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz orientiert sich teils zu wenig an den Bedarfen der Wirtschaft und muss durch schnelle, unbü- rokratische Verfahren ergänzt werden. Ein echtes »One-Stop-Shop«-Verfahren sollte Kompetenzfeststellung, Anerkennung, Sprachförderung und Jobvermittlung ver- binden. Anerkennungsverfahren müssen digitalisiert, Fristen verbindlich und Teil- anerkennungen mit begleitender Qualifizierung Standard werden. Besonders wich- tig ist die Zuwanderung in Ausbildung und Studium. Wer hier Abschlüsse erwirbt, sollte mit gezielten Halteprogrammen dauerhaft für den deutschen Arbeitsmarkt gewonnen werden.

Bildung und Weiterbildung als Schluessel

Deutschland braucht ein systematisches Weiterbildungssystem, das sich an den Erfordernissen eines beschleunigten Strukturwandels orientiert – mit klarer Finanzierung, Beratung und Zuständigkeiten. Kurzarbeit sollte konsequent mit Qualifizierung verknüpft werden. Regionale Cluster, digitale Plattformen und sektorübergreifende Initiativen müssen Beschäftigte frühzeitig auf neue Tätigkeiten vorbereiten. Zudem ist das Bildungssystem durchgängig auf neue Anforderungen auszurichten: mehr frühkindliche Förderung, bessere Ausstattung und Personal in Schulen, klarer Fokus auf MINT sowie eine modernisierte, durchlässige duale Ausbildung.

Sozialstaat reformieren

Unser Sozialstaat muss Arbeit belohnen. Heute zersplittern Grundsicherung, Wohn- geld und Kinderzuschlag in verschiedene Systeme, die sich gegenseitig blockieren und Erwerbsanreize mindern. Stattdessen braucht es eine integrierte Grundsicherung. Wer arbeitet, sollte einen durchgängigen Selbstbehalt von 30 Prozent haben – dann lohnt sich jeder zusätzliche Euro. Jobcenter müssen als Motor der Integration wirken – mit Beratung, Vermittlung, Qualifizierung und verpflichtender Sprachförderung, besonders für Zweitverdienende und Geflüchtete. Mitwirkung ist eine zentrale Voraussetzung. Wer sich engagiert und kooperiert, erhält Unterstützung. Wer diese Mitwirkung verweigert, muss die entsprechenden Konsequenzen spüren. Eine solche Reform würde Beschäftigung steigern, Abhängigkeit verringern und die öf- fentlichen Haushalte entlasten.

Standortfaktor 3: Innovation und Wettbewerbsfähigkeit – Zukunftstechnologien gezielt voranbringen

  • Ein schlagkräftiges Innovationsökosystem aufbauen – das die Transformation von einer forschungsstarken zu einer innovationsführenden Volkswirtschaft vor- antreibt und Bürokratie in der F&E-Förderung minimiert.
  • Wagniskapitalfonds ausbauen – mit öffentlichen und privaten Investoren sowie einem klaren politischen Rahmen, der Schlüsseltechnologien priorisiert, Pla- nungssicherheit schafft, Kapital mobilisiert und insbesondere Scale-ups sowie Transferprozesse beschleunigt.

Deutschland und Europa stehen vor einem strukturellen Umbruch. Die globale Innovationsdynamik – insbesondere in relevanten Schlüsselbereichen – beschleunigt sich, während die Wettbewerbsfähigkeit Europas im Vergleich zu den USA und China erkennbar unter Druck gerät.

Schlüsseltechnologien identifizieren und fördern – mit industriepolitischem Rahmen

Im Vergleich zu den USA investieren europäische Unternehmen jährlich rund 270 Milliarden Euro weniger in Forschung und Entwicklung (Draghi-Bericht, 2024). Gleichzeitig hemmen bürokratische Hürden, fragmentierte Kapitalmärkte und ein zu langsamer Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in marktfähige Produkte die Wettbewerbsposition. Damit Deutschland im internationalen Technologiewettbewerb bestehen kann, braucht es einen industriepolitischen Rahmen, der strategische Schlüsseltechnologien priorisiert, Investitionen erleichtert und ein schlagkräftiges Innovationsökosystem schafft. Hierzu muss auch die beschlossene High-Tech-Agenda ambitioniert umgesetzt werden.

Forschung und Entwicklung stärken – Transferfähigkeit priorisieren

Deutschland verfügt über exzellente Forschungskapazitäten, nutzt diese jedoch zu selten für marktfähige Innovationen. Deutschland war lange einer der globalen Schrittmacher bei Umwelt- und Recyclingtechnologien und unter den Top-3 der Patentanmeldungen – ist jedoch in Volumen und Kommerzialisierung von Patenten gegenüber den USA und China zurückgefallen. Erforderlich sind deutlich höhere öffentliche wie private Investitionen in Forschung und Entwicklung, orientiert an internationalen Benchmarks, sowie ein schnellerer Technologietransfer durch eine stärkere Vernetzung von Hochschulen, außeruniversitären Instituten und Unternehmen. Genehmigungs- und Förderprozesse müssen reformiert und beschleunigt werden, etwa durch Fast-Track-Verfahren für Schlüsseltechnologien. Dazu zählt auch, die Förderungssystematiken hinsichtlich der zahlreichen Berichtspflichten deutlich zu entschlacken, sodass Forschungs- und Entwicklungsressourcen entlastet werden. Gleichzeitig gilt es, die Zugänglichmachung von Mitteln durch klare Zuständig- keiten auf allen föderalen Ebenen zu stärken.

Alle Innovationshebel aktivieren

Öffentliche Ausschreibungen sollten Innovationen und Innovationskriterien systematisch einbeziehen, Technologieneutralität wahren und Pilotprojekte sowie die Skalierung in sicherheitsrelevanten und nachhaltigen Technologien vorantreiben. Gleichzeitig muss der Kapitalzugang verbessert werden, da die Finanzierungslücke insbesondere in Wachstumsphasen eines der größten Hemmnisse für Zukunftstechnologien darstellt. Notwendig sind der Ausbau von Wagniskapitalfonds mit Beteiligung öffentlicher und privater Investoren, die Öffnung institutioneller Investoren wie Versicherungen und Pensionsfonds für Hightech-Investments sowie steuerliche Anreize wie eine erweiterte Forschungszulage, Superabschreibungen und flexible Verlustverrechnungsmöglichkeiten für F&E-intensive Unternehmen. Auch die Betei- ligung von Mitarbeitenden muss als Hebel zur Anwerbung von Top-Talenten steuer- lich begünstigt werden.

Dual-Use-Potenziale strategisch nutzen – Verteidigungs- ausgaben investiv denken

Besondere Chancen liegen in der strategischen Nutzung von Dual-Use-Potenzialen. Viele Technologien wie KI, Robotik oder neue Materialien haben zivile wie militärische Anwendungen. Eine gezielte Dual-Use-Politik kann Verteidigungsinvestitionen auch für die Entwicklung ziviler Anwendungen nutzbar machen, europäische Kooperationen in sicherheitsrelevanten Schlüsseltechnologien ausbauen und gleich- zeitig Know-how-Schutz und Resilienz der Lieferketten sichern.

Schaffung eines Innovationsökosystems

Langfristige Innovationskraft erfordert schließlich ein integriertes Ökosystem, das Akteure aus Wissenschaft, Industrie, Start-ups, Kapitalmarkt und Politik vernetzt. Dazu gehören Cluster- und Netzwerkstrukturen, eine konsequente Fachkräftesicherung durch gezielte MINT-Bildungsinitiativen, erleichterte Zuwanderung und inter- nationale Forschungskooperationen sowie entbürokratisierte Förderprogramme mit klaren Zuständigkeiten und schneller Entscheidungsfindung.

Standortfaktor 4: Energiepreise temporär stützen, Systemkosten strukturell senken, Klimaneutralität priorisieren

  • Entlastungen bei den Energiepreisen verstetigen, um Unternehmen während der Transformation hin zur Klimaneutralität Planungssicherheit zu geben.
  • Strukturelle Maßnahmen zur Senkung der Energie-Systemkosten anstrengen und die Planung von Netzausbau, Speicher und Flexibilitätsoptionen stärker zu verzahnen.

Kurzfristige Entlastungsmaßnahmen, wie sie die Bundesregierung etwa durch die Abschaffung der Gasspeicherumlage, der Senkung der Stromsteuer und der Übernahme der Übertragungsnetzentgelte bereits auf den Weg gebracht hat, sind für alle Unternehmen im Land von Belang. Insbesondere die energieintensive Industrie be- nötigt schnelle Entlastung. Dabei geht es um die Sicherung von Investitionsfähigkeit, internationaler Wettbewerbsposition und langfristiger Transformationsfähigkeit. Entlastungsinstrumente müssen daher kontinuierliche Planungssicherheit bieten, während Unternehmen die Dekarbonisierung umsetzen und der Umbau des Energiesystems andauert. Nur durch die Kombination aus planbarer Energiepreis- gestaltung (einschließlich Entlastungen) und gezielten Investitionsanreizen kann die energieintensive Industrie ihre Rolle als Stabilitätsanker und Innovationsmotor der deutschen Wirtschaft langfristig behaupten. Klar ist auch: Das Energiepreis-Niveau muss für alle Unternehmen sinken und Entlastungsmaßnahmen den Standort insgesamt adressieren.

Netzinfrastruktur als Voraussetzung für ein integriertes Energiesystem

Die Transformation hin zu einem klimaneutralen Energiesystem erfordert nicht nur zusätzliche Erzeugungskapazitäten, sondern vor allem den massiven Ausbau und die Modernisierung der Netze. Ohne leistungsfähige Netzinfrastruktur bleiben dezentrale Anlagen wie neue Windparks, Solarfelder, Batteriespeicher nur begrenzt wirksam. Die Systemkosten steigen, wenn erneuerbare Energien abgeregelt werden oder fossile Kraftwerke Reserveleistungen übernehmen müssen. Netzengpässe sind damit nicht nur ein technisches, sondern ein volkswirtschaftliches Problem: Sie verursachen Ineffizienzen, die letztlich von Haushalten und Unternehmen getragen werden. Entscheidend ist deshalb, den Netzausbau, Speicher und sonstige Flexibilitätsoptionen immer zusammen zu denken. Nur wenn Transport- und Verteilnetze mit Blick auf künftige Bedarfe ertüchtigt werden, funktioniert die Transformation und der Standort Deutschland kann langfristig wettbewerbsfähig gehalten werden.

Systemische Resilienz durch Diversifizierung, Speicher und flexible Lasten

Ein Energiesystem mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien ist ungleich komplexer als das traditionelle Modell mit zentralen Großkraftwerken. Die Resilienz hängt nicht allein von gesicherter Leistung ab, sondern von der Fähigkeit, Schwankungen auszugleichen und externe Schocks abzufedern. Dazu gehören Investitionen in Speichertechnologien ebenso wie die Integration flexibler Lasten in Industrie und Gewerbe. Ohne diese Elemente steigt der Bedarf an konventionellen Reservekapazitäten. Politische Rahmenbedingungen sollten daher den Zubau erneuerbarer Kapazitäten immer zusammen mit gezielten Investitionen in Netze, Flexibilität und Speicher denken. Zudem bedarf es einer klaren Strategie zur Diversifizierung der unumgänglichen Energieimporte, um geopolitische Abhängigkeiten zu mindern.

Verlässliche Finanzierung und Investitionssicherheit als Treiber langfristig sinkender Systemkosten

Die langfristige Senkung der Systemkosten hängt wesentlich davon ab, ob es gelingt, private Investitionen in die notwendige Infrastruktur zu mobilisieren. Investoren brauchen Planbarkeit und Vertrauen in die Stabilität regulatorischer Rahmenbedingungen. Unsichere Fördermechanismen, abrupte Richtungswechsel oder unklare Zuständigkeiten führen dagegen zu höheren Kapitalkosten und letztlich zu einer verzögerten Transformation des Systems. Wenn Investitionen in Netze, Speicher und Flexibilitätsoptionen verlässlich refinanziert werden können, sinken langfristig die Gesamtkosten für das Energiesystem – nicht durch staatliche Subventionen allein, sondern durch effizient eingesetztes privates Kapital.

Standortfaktor 5: Europa als Standortplattform – Souveränität und Integration gemeinsam voranbringen

  • Den europäischen Binnenmarkt und den EU-Fiskalrahmen weiterentwickeln – mit einer Energie- und Digitalunion, Banken- und Kapitalmarktunion und dem Abbau von Investitionshemmnissen sowie einem klaren, investitionsfreundlichen Regelwerk.
  • Klimaschutz und Handel wettbewerbsfähig gestalten – durch eine wirksame CO2-Bepreisung mit Carbon-Leakage-Schutz, fairen Handelsregeln und den Aus- bau strategischer Rohstoffpartnerschaften.

EU-Binnenmarkt vollenden: Energie, Kapital, Digitales

Als größte Volkswirtschaft der EU profitiert Deutschland besonders von einem großen und tief integrierten Binnenmarkt. Die Vollendung des gemeinsamen Marktes stellt deshalb einen entscheidenden Hebel zur Verbesserung der Standortbedingun- gen und damit auch zur Wirksamkeit des fiskalischen Impulses dar.

Zentral ist dabei unter anderem die Schaffung einer echten Energieunion, die eine ungehinderte Übertragung von Strom und Gas über Ländergrenzen hinweg mit der notwendigen Infrastruktur ermöglicht, die Energieversorgungssicherheit sowie den Anteil erneuerbarer Energien erhöht und eine bessere Koordinierung der nationalen Energiepolitiken mit dem Ziel einer sicheren und wettbewerbsfähigen Energiever- sorgung fördert.

Auch die Kapitalmarktunion ist dringend notwendig, um den Zugang deutscher Unternehmen, gerade auch von KMU, zu Wachstumskapital zu erleichtern, Investi- tionen in innovative Geschäftsmodelle zu fördern und so die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu stärken. Die Verbesserung der Attraktivität des Kapi- talmarkts gegenüber anderen Standorten wie den USA kann der europäischen und damit auch der deutschen Wirtschaft nur helfen.

Bei der Digitalisierung geht es ebenfalls nicht ohne Europa. Der europaweite Ausbau digitaler Infrastruktur, die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes sowie die gezielte Förderung digitaler Zukunftstechnologien ermöglichen innovative Geschäftsmodelle und digitale Wertschöpfung in Deutschland. Unternehmen profitieren von gemeinsamer europäischer Vernetzung und einem einheitlichen Regulierungsrahmen. Dabei sollte jedoch vermieden werden, dass übermäßige Regulierung auf europäischer Ebene Innovationen und die Anwendung digitaler Technologien erschwert oder sogar verhindert. Eine einheitliche Anwendung mit Augenmaß in ganz Europa ist nötig.

Investitionsfreundlicher EU-Fiskalrahmen

Die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts hat Verbesserungen gebracht, jedoch bleibt das Regelwerk komplex und droht, nicht konsequent angewandt zu wer- den. Damit die Europäische Union sich im globalen und geopolitischen Wettbewerb behaupten kann, muss sie auch den fiskalischen Handlungsspielraum haben. Der Haushalt der Europäischen Union ist mit einem Prozent des BIPs verschwindend gering. Im Zusammenhang zum Mehrjährigen Finanzrahmen müssen daher entsprechende europäische Eigenmittel diskutiert und eine substanzielle EU-Fiskalkapazität auf den Weg gebracht werden. Dies erhöht die notwendigen Investitionen und würde eine Hebelwirkung für Privatinvestitionen entfachen.

Wettbewerbsfähiger Klimaschutz durch CO2-Bepreisung und Carbon-Leakage-Schutz

Der Emissionshandel ist das zentrale Leitinstrument zur Reduktion von Treibhausgasemissionen in Deutschland und Europa. Damit Klimaschutz jedoch nicht zulasten der eigenen Wettbewerbsfähigkeit geht, muss auf einen globalen Emissionshandel hingearbeitet werden und Carbon-Leakage verhindert werden. Ein europäischer CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) muss so gestaltet werden, dass er die Abwanderung von Firmen aufgrund hoher CO2-Kosten effektiv verhindert und dabei die Belastungen für Unternehmen möglichst minimiert. Auch muss ein Ausgleich der CO2-Kosten für Exporte eingeführt werden.

Handels- und Rohstoffpartnerschaften strategisch weiterentwickeln

Als Exportnation ist Deutschland auf einen freien und regelbasierten Welthandel angewiesen; dieser ist jedoch durch Protektionismus und Handelskonflikte zunehmend gefährdet. Deutschland und Europa müssen sich deshalb auf internatio- naler Ebene für den Erhalt und die Weiterentwicklung der WTO-Regeln einsetzen. Gleichzeitig müssen einseitige Abhängigkeiten gegenüber einzelnen Staaten, insbesondere bei kritischen Rohstoffen und Gütern, verhindert werden. Handels- und Rohstoffpartnerschaften müssen deshalb entsprechend ausgebaut und strategisch weiterentwickelt werden, um Handels- und Investitionshemmnisse zu reduzieren und die Resilienz der heimischen Industrie durch Diversifizierung zu erhöhen. Schließlich gilt es, die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Zirkuläres Wirtschaften verringert Abhängigkeiten und stärkt unsere Resilienz.