In den vergangenen 15 Jahren hat Deutschland zwei schwere Rezessionen erlebt: Zuerst die Große Rezession infolge der Finanzkrise 2008 und nun die Rezession infolge der COVID-19-Pandemie. Wie hat der deutsche Arbeitsmarkt die beiden Krisen bisher bewältigt?

Der wirtschaftliche Einbruch war in beiden Rezessionen kräftig. So ist das zwischen dem 4. Quartal 2008 und dem 3. Quartal 2009 erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 5,3 Prozent eingebrochen. In der aktuellen Rezession war das BIP in den zwölf Monaten ab April 2020 um 5,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken.

Trotz ähnlich starkem Einbruch des BIP unterscheidet sich die Reaktion auf dem Arbeitsmarkt deutlich: Das Arbeitsvolumen ist in der Großen Rezession (zwischen dem 4. Quartal 2008 und dem 3. Quartal 2009) gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,2 Prozent gesunken, in der Corona-Krise (2. Quartal 2020 bis 1. Quartal 2021) hingegen um 5,8 Prozent. Auch die Zahl der gemeldeten offenen Stellen und die der Arbeitslosen haben sich in der Corona-Krise deutlich stärker verändert als in der Großen Rezession. Während der Großen Rezession hat die Arbeitslosigkeit nach sieben Monaten einen Höhepunkt erreicht und ist auch ein Jahr nach Krisenbeginn nicht wieder gesunken. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit in der Corona-Krise zunächst kräftiger gestiegen und begann bereits vier Monate nach Krisenbeginn wieder, sich zu erholen.

Zwei Krisen mit unterschiedlicher Ausgangslage

Der Arbeitsmarkt hat in den beiden Rezessionen unterschiedlich reagiert, weil die jeweiligen Ursachen der Rezession durch eine eigene Dynamik geprägt waren, aber auch weil die Ausgangslage vor der Rezession jeweils eine andere war: In den Jahren vor der Großen Rezession befand sich der Arbeitsmarkt in einem Aufschwung, der nicht nur durch konjunkturelle Faktoren zu erklären war, sondern auch durch struktureller Veränderungen: So profitierte der Arbeitsmarkt in den Nullerjahren davon, dass Deutschland mit einem günstigen Wechselkurs in die Europäische Währungsunion eintrat und viel exportieren konnte. Auch die Löhne stiegen in den Jahren vor 2008 vergleichsweise moderat. So sanken die Lohnstückkosten zwischen 2003 und 2007 um 3,47 Prozent. Außerdem haben die Hartz-Reformen dazu beigetragen, dass sich die Matchingeffizienz am Arbeitsmarkt verbessert hat. Das heißt, Arbeitslose und offene Stellen kamen schneller zueinander. Die Voraussetzungen für den Arbeitsmarkt, ohne Schrammen aus der Rezession herauszukommen, waren also denkbar gut. Der Trend steigender Beschäftigung wurde zwar in der Großen Rezession deutlich gebremst, aber nicht gestoppt.

In der aktuellen Krise waren die Ausgangsbedingungen weniger günstig: Der strukturelle Trend steigender Beschäftigung schwächte sich schon 2019 ab. Auch die zusätzlichen Effekte der Hartz-Reformen sind ausgelaufen. Darüber hinaus kündigte sich bereits ein konjunktureller Abschwung an. Die Corona-Krise traf also auf eine bereits geschwächte Konjunktur.

Corona belastet Selbstständige doppelt

Bei einem genaueren Blick auf die Erwerbsformen zeigt sich die unterschiedliche Natur beider Krisen. Vor der Großen Rezession erreichte die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einen Höhepunkt bei 27,89 Millionen Personen. Danach sank sie um insgesamt 222.000 Personen und erholte sich erst ab dem letzten Quartal 2009. Demgegenüber sank in der Corona-Krise die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten schneller und stärker: Ausgehend von einem Vorkrisenhoch bei 33,78 Millionen Personen nahm die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in kurzer Zeit um 331.000 Personen ab, erholte sich dann aber auch wieder schneller und stärker als nach der Großen Rezession. Allerdings ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gemessen am positiven Vorkrisentrend noch deutlich von dem Wachstumspfad entfernt, dem ohne Krise gefolgt worden wäre.

Im Kontext der Erwerbsformen rückt auch die unterschiedliche Absicherung in Krisenzeiten in den Fokus. Diesmal wurden geringfügig Beschäftigte und Selbstständige schwer getroffen. Beides sind Gruppen, für die Sicherungsmaßnahmen (z. B. Kurzarbeit) nicht zur Verfügung stehen und auch Arbeitslosengeld nur in geringem Umfang oder gar nicht gezahlt wird. Während im Jahresverlauf 2009 die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten sogar zugelegt hatte (+63.000), brach sie in der aktuellen Corona-Krise ein. Insgesamt lag die Zahl der Minijobber im 1. Quartal 2021 um 413.000 Personen unter der des 1. Quartals 2020. Beachtet werden muss, dass schon vor der Pandemie ein – wenngleich schwächerer – rückläufiger Trend zu verzeichnen war (2019: –93.000).

Auch die Zahl der Selbstständigen hat sich in den beiden Krisen unterschiedlich entwickelt: Während sie 2009 nahezu unverändert blieb (+14.000), sank sie in der Corona-Krise um insgesamt 179.000 Personen. Auch hier hat Corona einen bestehenden negativen Trend (2019: –73.000) verstärkt. Die Selbstständigkeit hat mittlerweile mit nur noch 3,90 Millionen Personen den niedrigsten Stand seit Anfang 1997 erreicht. Außerdem hat die Corona-Krise bei vielen Selbstständigen zu erheblichen Einkommenseinbußen geführt, da diese ihr Einkommen nur eingeschränkt oder gar nicht erzielen konnten; sie waren oft auf kurzfristige Sondermaßnahmen angewiesen.

Corona trifft Dienstleistungsbranchen besonders hart

Während der großen Rezession war die am stärksten betroffene Branche das Produzierende Gewerbe ohne Baugewerbe. Hier sank die Erwerbstätigkeit um 239.000 Personen. Demgegenüber konnte der Bereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit um 157.000 Erwerbstätige zulegen. In allen übrigen Branchen gab es während der Großen Rezession nur vergleichsweise geringe absolute Änderungen. Der markanteste Unterschied zwischen den beiden Krisen zeigt sich in weiten Teilen des Dienstleistungssektors: Mit Abstand am stärksten betroffen war während der aktuellen Krise die Branche Handel, Verkehr, Gastgewerbe, der die Corona-Pandemie in den ersten zwölf Monaten knapp 400.000 Erwerbstätige kostete. Unternehmensdienstleister (–164.000) und Sonstige Dienstleister (–94.000) mussten ebenfalls deutliche Einbußen hinnehmen.

Kurzarbeit hat sich erneut bewährt

Ein wichtiger Grund, weshalb der Anstieg der Arbeitslosigkeit in beiden Krisen vergleichsweise begrenzt blieb, ist die Kurzarbeit. Dabei erreichte die Kurzarbeit in der Corona-Krise ein wesentlich höheres Niveau als in der Großen Rezession. Während der Großen Rezession konzentrierte sich die Kurzarbeit vor allem auf das exportabhängige Verarbeitende Gewerbe und erreichte ihren Höchststand von 1,44 Millionen Personen im Mai 2009. Lange Zeit schien es undenkbar, dass derart hohe Zahlen wieder erreicht würden. Im April 2020 zu Beginn der Corona-Krise allerdings schnellte die Zahl der Personen in Kurzarbeit hoch auf 6,00 Millionen. Somit hat die Corona-Krise durch die nahezu flächendeckende Betroffenheit der Wirtschaft zu einem historischen Höchststand bei der Kurzarbeit geführt.

Dass sich die Zahl der Personen in Kurzarbeit ähnlich wie nach der Großen Rezession wieder dem Vorkrisenniveau annähert, kann erwartet werden – auch wenn sie bei neuerlichen Corona-Einschränkungen noch einmal steigen wird. In beiden Krisen sind die Ausfälle in der Wirtschaft als weitgehend vorübergehend einzustufen. Während 2009 in Deutschland aber eine Nachfragekrise vorlag, ist die Corona-Krise eine transformative Rezession, in der technologischer und struktureller Wandel noch verstärkt werden. In der Realwirtschaft wie auf dem Arbeitsmarkt kann es somit zu Anpassungsproblemen kommen. Die globalen Lieferengpässe deuten in diese Richtung. Wie schon 2009 wurde die Zeit der Kurzarbeit 2020 aber nur selten für Fortbildungen genutzt.

Corona hat sich insbesondere bei den Einstellungen niedergeschlagen

Wie sich die Arbeitslosigkeit und Beschäftigung entwickeln, hängt nicht nur von den Entlassungen – und etwa durch Kurzarbeit vermiedenen Entlassungen ab, sondern auch davon, wie viele Arbeitslose eine Beschäftigung beginnen: Während der Großen Rezession 2008 und 2009 sank der Anteil der Arbeitslosen, die einen Job begonnen haben, nur moderat. Vor der Großen Rezession begannen pro Monat zwischen 6 und 7 Prozent der Arbeitslosen eine Beschäftigung. Der Anteil sank bis zum 6. Krisenmonat auf gut 5 Prozent der Arbeitslosen und stieg danach wieder an.

Während der Corona-Krise ging die Zahl der Arbeitslosen, die in Beschäftigung kamen, deutlicher zurück: Im März 2020 nahmen über 7 Prozent der Arbeitslosen eine Beschäftigung auf. Im April und Mai waren es monatlich nur noch 4 Prozent. Dieser Anteil hat danach zwar wieder zugenommen, die fehlenden Neueinstellungen wurden aber nicht mehr aufgeholt – anders als 2010, als die Beschäftigungsaufnahmen über Vorkrisenniveau stiegen.

Wenn weniger Arbeitslose in Beschäftigung wechseln, bleiben sie im Durchschnitt länger arbeitslos und damit steigt die Zahl der Langzeitarbeitslosen – also der Personen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind. Langzeitarbeitslosigkeit ist auch ein Zeichen dafür, dass sich Arbeitslosigkeit verfestigt. Je länger eine Person arbeitslos ist, desto schwerer wird es, wieder in Beschäftigung zu kommen. Dieses Phänomen hat in der Bundesrepublik die Entwicklung der Arbeitslosigkeit seit den 70er Jahren bis zu Beginn der Nullerjahre geprägt: In einer Rezession stieg die Arbeitslosigkeit an, im darauffolgenden Boom ging sie aber nicht auf das vorhergehende Niveau zurück, was zu hohen Kosten der Arbeitslosigkeit beigetragen hat.

Die Entwicklung der Übergänge aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung hat also auch den Bestand an Langzeitarbeitslosen beeinflusst. In den Jahren vor der Großen Rezession ging die Langzeitarbeitslosigkeit zurück. Die Entwicklung konnte sich dank der relativ stabilen Zahl von Neueinstellungen fortsetzen, wenn auch schwächer als vor der Krise. Im Verlauf eines Jahres nach Beginn der Großen Rezession gab es 117.000 Langzeitarbeitslose weniger. Anders in der Corona-Krise: Im Verlauf eines Jahres gab es 325.000 mehr Langzeitarbeitslose als zu Beginn der Krise, womit aktuell auch die Gefahr einer Verfestigung von Arbeitslosigkeit besteht.

Politik gegen die Corona-Krise am Arbeitsmarkt

Obwohl die Ausgangslage zu Beginn der jüngsten Rezession schwieriger war als zu Beginn der Großen Rezession, ist der Arbeitsmarkt auch durch die aktuelle Krise bislang vergleichsweise robust gekommen. Aufgrund des Charakters der Corona-Krise und im Lichte der Erfahrungen aus früheren Rezessionen stellen sich aber weitere Herausforderungen vor allem bezüglich Verfestigung von Arbeitslosigkeit, wirtschaftlicher Transformation, sozialer Sicherung und Finanzen.

Aufgrund der gestiegenen Langzeitarbeitslosigkeit besteht aktuell – anders als in der Rezession 2009 – das Risiko einer Verfestigung. Dieses wird verschärft dadurch, dass die Omikron-Welle die Krise weiter in die Länge zieht. Verfestigung ist vermeidbar, wenn die Jobchancen schnell und stark steigen. Nach Einführung der „Restart-Prämie“ und der Ausbildungsprämie als breitere Förderung könnten dafür in kritischen Fällen die Möglichkeiten von individuellen Lohnkostenzuschüssen vorübergehend ausgeweitet werden. Dabei wären nicht nur Personen mit Vermittlungshemmnissen zu berücksichtigen, sondern auch solche, die wegen Kriseneffekten von Verfestigung bedroht sind.

Der spezielle transformative Charakter der Corona-Krise – die zu strukturellen Verschiebungen führt und Wandelprozesse beschleunigt – ändert Anforderungen an Fachkräfte und verleiht Weiterbildung eine besondere Bedeutung. Richtige Maßnahmen liegen beispielweise in zusätzlichen Weiterbildungsanreizen für Arbeitslose und einer Förderung von Zweitausbildungen, welche die berufliche Umorientierung auch für Menschen in der Mitte des Berufslebens finanziell absichert. Und gerade Kurzarbeit ist die beste Zeit für Weiterbildung. Um Kurzarbeit und Qualifizierung künftig effektiver zu verknüpfen, brauchen wir ein Konzept mit möglichst flexiblen Weiterbildungsformaten, Beratungsangeboten und finanziellen Anreizen.

Anders als die große Rezession 2009 hat die Corona-Krise Erwerbstätige außerhalb von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen massiv getroffen. Die ausschließlich geringfügige Beschäftigung ist mit Abstand am stärksten zurückgegangen, Selbstständige erlitten gravierende Einkommensausfälle und waren auf kurzfristige Sondermaßnahmen angewiesen. Deshalb stellt sich einerseits die Herausforderung, die soziale Absicherung Selbstständiger für Krisenfälle zu stärken. Andererseits ist es angesichts des langanhaltenden rückläufigen Trends wichtig, die Bedingungen für Selbstständige grundsätzlich zu verbessern. Dazu beitragen kann eine verstärkte und flexiblere Gründungsförderung, vermehrte und einfachere Bereitstellung von Wagniskapital und in Krisen eine Option auf eine sofortige Verlustverrechnung mit Gewinnen vergangener oder künftiger Jahre. Angesichts der gravierenden Kriseneffekte bei Minijobs sollte die Chance genutzt werden, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu stärken. Dies wäre möglich durch einen Sozialversicherungsbonus, der diejenigen Betriebe unterstützt, die statt in Minijobs den Wiederaufbau der Beschäftigung in Richtung sozialversicherungspflichtiger Jobs lenken. Das würde gerade auch der krisengebeutelten Gastronomie, die mit Abwanderung von Arbeitskräften konfrontiert ist, helfen, ihre Stundenkapazität wieder zu erhöhen.

Die Ausgaben der BA wirkten in beiden Krisen als automatischer Stabilisator. Das Defizit aus Einnahmen versus Ausgaben belief sich allein im Jahr 2020 auf 27,3 Milliarden Euro. Die Stabilisierungswirkung war im Jahr 2009 mit 13,8 Milliarden etwa halb so stark (Hausner/Weber 2017). Die Rücklage der BA wurde 2020 vollständig aufgebraucht. Das war auch 2009 der Fall. Sie wurde anschließend wieder langsam aufgebaut, aber das hat zehn Jahre gedauert, trotz einer sehr günstigen Arbeitsmarktentwicklung. Wie beide Krisen gezeigt haben, ist in der Arbeitslosenversicherung eine hinreichende Rücklage wichtig, um als automatischer Stabilisator Rezessionen abfedern zu können. Als Orientierungswert für die Höhe der Rücklage dient ein Wert von 0,65 Prozent des BIP dienen. Wenn dies innerhalb einer Zeit von fünf Jahren erreicht werden soll, müsste der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung auch bei einer relativ günstigen Arbeitsmarktentwicklung zunächst um einige Zehntel steigen. Grundsätzlich wäre eine regelgeleitete Beitragssetzung denkbar, nach der bei vollständigem Aufbau der Rücklage die Beitragsbelastung wieder reduziert würde.

Prof. Dr. Enzo Weber

Dr. Hermann Gartner

Dr. Christian Hutter

 

Dieser Blogartikel fasst die Kernaussagen des IAB-Kurzberichts „Wie der Arbeitsmarkt zwei sehr unterschiedliche Krisen bewältigt“ zusammen. Hier können Sie den vollständigen Bericht lesen.