Wirtschaftliche Unsicherheit und steigende Wohnkosten
Das Mark Twain zugeschriebene Zitat „Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich“ bietet in Zeiten starker wirtschaftlicher Unsicherheiten einen treffenden Denkanstoß: Die aktuellen Herausforderungen unserer Gesellschaft erfordern entschlossene und schlüssige Antworten und keine populistischen Scheinlösungen.
Wir stehen in Europa vor multiplen Herausforderungen für das Wohnen und die Städteplanung.
Bei allen Unterschieden in den einzelnen Wohnungsmärkten in den unterschiedlichen Regionen Europas stehen vor allem folgende Aufgaben an:
- Mangel an bezahlbarem Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung in vielen wachsenden Regionen – sowohl von Mietwohnungen als auch selbst genutzten Eigentum. Dieser Mangel trifft vor allem die jüngere Generation, die von zu Hause ausziehen möchte und keine bezahlbaren Alternativen vorfindet sowie Menschen, die aufgrund ihres Berufs umziehen müssen. Damit wird der Mangel an bezahlbarem Wohnraum auch zu einem Problem für die Wirtschaftsentwicklung in Europa, weil fehlender bezahlbarer Wohnraum eine Wachstumsbremse darstellt und zu hohe Wohnraumkosten die Haushalte zwingt bei anderen Ausgaben zu sparen. Weiterhin sind hohe Wohnraumkosten in einigen Staaten, wie z.B. Deutschland mit hohen Ausgaben für staatlichen Transfers verbunden. Zugleich sehen wir eine Zweckentfremdung von Wohnraum durch Plattformen zur Vermarktung von Ferienwohnungen sowie – vor allem in Deutschland – zur Vermietung von möblierten Wohnungen auf Zeit.
- Energetische Sanierung des Wohnungsbestandes zur Erreichung der Klimaschutzziele. Insgesamt entfallen auf Gebäude über den gesamten Lebenszyklus in der EU 40 % des Energieverbrauchs und 36 % der Treibhausgasemissionen. Dabei sind viele Haushalte mit geringen Einkommen überfordert, die Kosten der Sanierung direkt als Eigentümer oder indirekt als Mieter zu tragen. Dadurch besteht auch die Gefahr, dass die Kosten der CO2-Bepreisung im Gebäudesektor (ETS 2) voll auf die Haushalte mit niedrigem Einkommen durchschlagen, während reichere Haushalte mit der Möglichkeit der Umstellung auf erneuerbare Energien von der Einführung des ETS 2 nicht oder kaum betroffen sein werden. Von den ärmeren Haushalten kommen nur diejenigen glimpflich davon, deren Energiebereitstellung mit kollektiven“ Wärmesystemen auf Basis erneuerbarer Energien erfolgt, wie es heute bereits in vielen Regionen Skandinaviens der Fall ist. Wenn es nicht gelingt, eine Strategie zu finden, die auch ärmere Haushalte zur Miete oder im Eigentum von hohen Energie- und C02-Kosten entlastet, droht eine weitere Verschärfung der Energiearmut. Und wenn es nicht gelingt Klimaschutz leistbar zu gestalten, wird in den EU-Ländern, in denen die Investitionen in Klimaschutz nicht ganz oder weitgehend staatlich übernommen werden, die Energiearmut aufgrund der umzulegenden Kosten für den Klimaschutz ersetzt durch die Unfähigkeit, die gesamten Wohnkosten zu tragen (Wohnkostenarmut).
- So weit wie möglich Vorsorge zu treffen im Hinblick auf die Auswirkungen der Klimakrise, die sich vor allem durch Extremwetterereignisse zeigen. Zu nennen sind insbesondere Extrem-Regenereignisse und deren Folgen sowie sommerliche Hitzewellen, wobei vor allem die sog. „tropischen Nächte“ eine starke Gefährdung vor allem älterer Menschen darstellen.
Europa muss sich diesen Herausforderungen stellen und sie entschlossen angehen, wobei besonders darauf zu achten ist, dass die Krise des bezahlbaren Wohnraums und die Klimakrise so bewältigt werden, dass sowohl ihre Ursachen als auch ihre Folgen gemeinsam bekämpft werden.
Die Vielfalt Europas zur Stärke machen
Europa ist vielfältig – gerade seine Bauten, seine Städte und seine Dörfer. Vielfältig sind auch die Lösungen und Innovationen, die wir jetzt brauchen, um die vor uns liegenden Krisen zu bewältigen. Hier sollen nur einige genannt werden:
- Dänemark ist der Vorreiter für die leitungsgebundene Wärmeversorgung in Europa und deren schrittweise Umstellung auf erneuerbare Energien und zeigt, dass so kostengünstig eine Umstellung der Wärme auf 100% erneuerbare Energien möglich ist.
- In Wien wird seit über 100 Jahren erfolgreich gezeigt, wie die Stadt Wien und gemeinnützige Wohnungsunternehmen dauerhaft bezahlbaren Wohnraum schaffen. Neben dem Bodenfonds der Stadt Wien, der kostengünstige Bauflächen bereitstellt, ist das zentrale Finanzierungsinstrument der Stadt Wien als revolvierender Fonds eine zentrale Methode zur Realisierung leistbaren Wohnraums. Zins und Tilgung werden auf diese Weise reduziert, was unmittelbar deutlich niedrigere Mieten zur Folge hat.
- Mit der Einführung des EEG vor 25 Jahren hat Deutschland eine weltweite Revolution angestoßen. Heute sind Windenergie und Photovoltaik (PV) die kostengünstigsten Formen der Energiegewinnung und setzen sich in Kombination mit Speichertechnologien zunehmend gegen alle Alternativen durch. Für Wind- und PV-Anlagen sowie Speichertechnologien gilt: Die Betriebskosten (OPEX) sind gering, entscheidend sind die Investitionskosten (CAPEX) und die Finanzierung. Langfristige und verlässliche Finanzierungsmodelle bieten die Chance, die bezahlbare Energieversorgung von der Inflationsentwicklung abzukoppeln.
- Das Bauen mit Holz hat in Skandinavien und im Alpenraum eine lange Tradition. Nur etwa 30 % der THG-Emissionen entstehen durch direkte Emissionen aus Betriebs- und Nutzungsenergie, während rund 70 % auf indirekte Emissionen durch die Herstellung von Baumaterialien entfallen. Regionale, bio- und recyclingbasierte Wertschöpfungsketten bieten der EU eine große Chance. Biobasierte Baumaterialien wie Holz, Bambus, Stroh, Schilf und Hanf ermöglichen die langfristige CO2-Speicherung. In Kombination mit nachhaltiger Land- und Forstwirtschaft können sie sogar zu Negativemissionen beitragen und ländlichen Regionen neue Einkommensquellen erschließen. Daher ist es sinnvoll, diesen Ansatz durch Initiativen wie das Neue Europäische Bauhaus weiter voranzutreiben.
- Die Energiegemeinschaften in Österreich und anderen EU-Staaten, die Energiegenossenschaften in Belgien und Italien sowie Initiativen wie die „Innovation City Bottrop“ mit ihrer „Energiewende von unten“ zeigen, u.a. mit der maßvollen Sanierung von Quartieren, dass eine breite Beteiligung verschiedener Bevölkerungsgruppen ein Schlüssel zum Erfolg von Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudesektor ist.
- Geothermie, die in zwei Hauptformen genutzt wird: die oberflächennahe und die tiefe Geothermie. Oberflächennahe Geothermie nutzt die relativ konstante Temperatur des Erdreichs in wenigen Metern Tiefe (bis ca. 400 m) zur Wärme- und Kälteversorgung, meist über Wärmepumpensysteme. Sie wird vor allem für Wohngebäude, Gewerbebauten und Wärmenetze eingesetzt. Tiefe Geothermie reicht mehrere Kilometer in die Erdkruste und kann hohe Temperaturen für die direkte Wärmenutzung oder zur Stromerzeugung bereitstellen. Eine spezielle Form ist die petrothermale Geothermie, die in heißen, trockenen Gesteinsschichten durch Wasserinjektion nutzbar gemacht wird. Europa setzt verstärkt auf Geothermie, mit Vorreitern wie Island, das nahezu seinen gesamten Strom- und Wärmebedarf aus tiefen geothermischen Quellen deckt, sowie Deutschland und Frankreich, wo tiefe Geothermieanlagen Fernwärmenetze versorgen. Besonders in urbanen Gebieten wird die Kombination aus oberflächennaher und tiefer Geothermie als klimafreundliche Alternative zu fossilen Heizsystemen vorangetrieben. Zusätzlich bietet unvermeidbare Energie aus Abwärme von Industrie, aus der thermischen Abfallverwertung und Rechenzentren eine stetige und wenn lokal verfügbar, verlässliche Wärmequelle für Wärmenetze.
- Vor allem den Niederlanden werden unterirdische Wärmespeicher (Aquifer Thermal Energy Storage, ATES) genutzt, um überschüssige Wärme aus Sommermonaten für den Winter zu speichern und umgekehrt Kälte für den Sommer bereitzustellen. Diese Technologie basiert auf der Speicherung von Wärme oder Kälte in natürlichen Grundwasserschichten (Aquiferen) in mehreren hundert Metern Tiefe. Im Sommer wird warmes Wasser in den Untergrund geleitet und dort gespeichert, während im Winter die gespeicherte Wärme wieder genutzt wird, um Gebäude zu heizen. Diese nachhaltige Methode reduziert den Energieverbrauch, entlastet das Stromnetz und trägt erheblich zur CO₂-Reduktion bei. Besonders in dicht besiedelten Städten wie Amsterdam und Rotterdam sind ATES-Systeme weit verbreitet und leisten einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Durch diese Technologie wird auch ein wesentlicher Beitrag zur notwendigen Abkühlung im Sommer und im Kampf gegen sommerlicher Hitzeereignisse geleistet.
Die Vielfalt Europas in der Architektur und dem Städtebau bewahren
In Europa besteht ein hoher Anteil erhaltenswerter Bausubstanz und damit auch von Fassaden, wo sich eine nachträgliche Fassadendämmung von außen verbietet. Allerdings dürfen auch diese Gebäude zukünftig nicht mehr fossil beheizt oder gekühlt werden. Die Nutzung der Vielfalt der erneuerbaren Energien ist genau deswegen der richtige Weg, um die kulturelle Vielfalt Europas zu bewahren
Alle Häuser in der EU mit einem Wärmedämm-Verbundsystem zu versehen, ist damit keine Lösung. Wir brauchen eine ausgewogene Kombination aus Maßnahmen an der Gebäudehülle – wo sinnvoll und möglich –, effizienter Haustechnik mit Wärmerückgewinnung sowie dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien, besonders dort, wo Dämmung nur wenig und teuer möglich ist. So kann auch das vielfältige und reizvolle Erscheinungsbild unserer Städte und Dörfer in der EU bewahrt werden.
Serielle Sanierungsansätze sind ein sehr guter Weg, aber nur für wenige Gebäudetypen realistisch umsetzbar. Dämmung von innen ist in manchen Fällen möglich, aber bei kleinen Wohnflächen und in vermieteten Wohnungen in der Regel keine Lösung.
In der EU die richtigen Hebel ansetzen
Die EU verfügt über zwei wesentliche Hebel, um Wohnraum- und die Klimafrage gemeinsam sozial zu lösen: Gute Regulierungen und innovative Finanzierungsmöglichkeiten. Beide Hebel können sich gut ergänzen.
Dabei ist zu beachten, dass Zuschüsse für den Wohnungsbau oder auch Klimaschutzmaßnahmen – wie sie vor allem in Deutschland praktiziert wurden – oft „sozial regressiv“ wirken, weil sie tendenziell wohlhabendere Haushalte begünstigen und dadurch soziale Ungleichheiten verstärken. Der Hauptgrund liegt darin, dass diese Fördermittel oft als Teilfinanzierung konzipiert sind, also nur einen Anteil der Gesamtkosten abdecken. Menschen mit höheren Einkommen haben eher die finanziellen Mittel, den verbleibenden Eigenanteil zu stemmen, während einkommensschwächere Haushalte trotz Förderprogrammen oft nicht in der Lage sind, Neubauten oder Klimaschutzmaßnahmen wie Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen oder Gebäudesanierungen zu finanzieren. Das liegt auch daran, dass die Förderung in Ländern wie Deutschland hohe Anforderungen an die geförderten Maßnahmen stellt, wodurch hohe Investitionskosten entstehen.
Das bedeutet, dass Förderprogramme ohne gezielte soziale Staffelung oder spezielle Unterstützung für einkommensschwache Gruppen dazu führen, dass vor allem wohlhabendere Haushalte profitieren – sie sparen langfristig Energiekosten, steigern den Wert ihrer Immobilien und genießen eine bessere Wohnqualität. Haushalte mit geringen Einkommen hingegen können sich diese Maßnahmen oft nicht leisten und bleiben auf teurere fossile Heizsysteme oder schlecht gedämmte Wohnungen angewiesen, was ihre Energiekosten mit steigender Tendenz belastet. Bezahlbarer klimaneutraler Wohnraum ist so auch nicht zu schaffen.
Daher ist es wichtig, Förderungen für Investitionen in den Wohnungsbau und den Klimaschutz so zu gestalten, dass sie auch für einkommensschwächere Gruppen aber nicht nur den sozial schwächsten zugänglich sind (niedrige und mittlere Einkommen), deswegen sollten zinsgünstige, lang laufende Kredite – vor allem im Nachrang – eine viel größere Rolle spielen. Auch sollten Maßnahmen mit hoher CO2-Minderung pro eingesetzten EUR bevorzugt werden. Ergänzend sind vor allem für besonders von Armut bedrohten Haushalte finanzielle Hilfsprogramme zur Bewältigung hoher Energie- und C02-Preise aufzulegen.
Das Ziel muss aber sein, dass Energie und Wohnen durch wirksame Investitionsprogramme in den nächsten 15 Jahren für alle Haushalte bezahlbar sein wird und individuelle Hilfszahlungen nur auf wenige Ausnahmefälle beschränkt sind. Die Stadt Wien zeigt mit ihrer klugen Förderpolitik, dass dies möglich ist.
Es liegt auf der Hand, dass öffentliche Haushalte nicht in der Lage sind, die gesamten direkten und indirekten Kosten der Transformation durch Zuschüsse allein oder weitgehend zu tragen. Umso wichtiger ist es, die wirtschaftlich effizientesten Wege zur Zielerreichung zu wählen und öffentliche Mittel gezielt einzusetzen,
Wie bei allen Krediten steht die Wirtschaftlichkeit der zu finanzierenden Vorhaben im Mittelpunkt – kreditfähig ist nur, was wirtschaftlich tragfähig ist. Genau hier besteht der Zusammenhang zu einer guten Regulierung, die bewusst auch wirtschaftliche Aspekte in den Fokus rückt.
„Efficiency First“-Prinzip zum sektorübergreifendem Least Cost Planning weiterentwickeln
Der durch die EU formulierte Efficiency First Ansatz ist in seiner in der Gouvernance-RL formulierten auf einer Systemebene gedachten Form gut praktisch anwendbar: (Verordnung EU 2018/1999 über das Governance-System, Art. 2 Nr. 18):
„‚energy efficiency first-Prinzip‘ bezeichnet die größtmögliche Berücksichtigung alternativer kosteneffizienter (cost efficient) Energieeffizienzmaßnahmen für eine effizientere Energienachfrage und Energieversorgung, insbesondere durch kosteneffiziente (cost effective) Einsparungen beim Energieendverbrauch, Initiativen für eine Laststeuerung und eine effizientere Umwandlung, Übertragung und Verteilung von Energie bei allen Entscheidungen über Planung sowie Politiken und Investitionen im Energiebereich, und gleichzeitig die Ziele dieser Entscheidungen zu erreichen;“
Eine größtmögliche kosteneffiziente Energieverbrauchseinsparung ist bei jeder Investition mitzudenken. Da Investitionsmittel eine begrenzte Ressource darstellen, sind diese so einzusetzen, dass Klimaneutralität kosteneffizient im Zusammenspiel von Nutzung erneuerbarer Energie und Energieverbrauchsreduktion erreicht wird.
In Deutschland wird dagegen „größtmöglich“ technisch interpretiert, und damit „Efficiency first“ mit maximalen Effizienzstandards (EH 40 im Neubau, EH 55 in der Sanierung) und mit viel Wärmedämmung umgesetzt.
Wegen dieser in Praxis leider nicht nur in Deutschland üblichen Fehlinterpretation des „Efficiency First-Prinzips“ ist es sinnvoll, es zum “sektorübergreifenden Least Cost Planning” oder projektvergleichendes „Most Bang for the Buck“ weiterzuentwickeln. Ziel ist es, Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Sektorenkopplung optimal und kosteneffizient miteinander zu verbinden. Damit wird auch klar, dass technologische Weiterentwicklungen zum jeweiligen Planungszeitpunkt zu berücksichtigen sind.
Optimale Nutzung erneuerbarer Energien
Studien zeigen, dass die EU über ausreichende Potenziale an erneuerbaren Energien verfügt. Entscheidend ist, diese systematisch und kostenoptimiert einzusetzen. Eine Forderung oder Förderung von Effizienz um jeden Preis ist daher weder notwendig noch sinnvoll.
Man kann dies am Beispiel der Solardachpflicht gut erläutern, die als an sich sinnvolle Maßnahme noch in eine sinnvolle Regulierung eingebettet werden muss. Schon heute haben wir in vielen Regionen der EU an Sommertagen PV-Erzeugungsspitzen, die höher als die elektrische Last in den lokalen und regionalen Stromnetzen ist. Ohne eine Veränderung der regulatorischen Rahmenbedingungen hat dieser Strom dann einen “negativen Wert”. Dabei wird er für den sozialen Klimaschutz dringend gebraucht. Dabei geht es im Kern um Lastverschiebung und die Erschließung von Flexibilitäten durch Sektorenkopplung. Die erste Option ist die Nutzung des PV-Stroms nach Sonnenuntergang durch Batterien. Dies ist z.B. in Kalifornien schon regelmäßig der Fall. Hierfür bieten sich sowohl Hausspeicher, große Batteriespeicher und batterieelektrische Fahrzeuge an. Dabei kommt es erstens auf die richtige Steuerung durch netzdienliche lokale Signale an und zweitens darauf, dass keine teure doppelt- oder dreifache Infrastruktur aufgebaut wird. Wir können es uns wirtschaftlich nicht leisten, zwei Batterien zu bauen und zu bezahlen, wo eine ausreicht.
Besonders attraktiv ist die Nutzung der Batterien in batterieelektrischen Fahrzeugen – Vehicle-to-home (V2H) Lösungen sowie bidirektionales Laden im öffentlichen Raum. Beides kann helfen, die PV-Spitzen sinnvoll zu nutzen. Weitere kurzfristige Flexibilitätsoptionen sind vor allem Lastverschiebungen in der Industrie, bei besonderen Anwendungen wie Kühlhäusern, oder unterschiedlichen power to heat Anwendungen verbunden mit Wärmespeichern. In vielen Fällen sind Elektrolyseure zur Netzstabilisierung und für die Produktion von Wasserstoff eine weitere sinnvolle Option.
Elektrifizierung, Flexibilität und Sektorkopplung
Elektrifizierung ist ein Schlüssel zur Effizienzsteigerung, da Elektromotoren, Wärmepumpen und Power-to-Heat-Technologien hohe Effizienzgewinne gegenüber Verbrennungsvorgängen ermöglichen. Gleichzeitig erfordert der verstärkte Einsatz der volatilen erneuerbarer Energien Wind und PV flexible Lösungen wie Speicher- und weitere Sektorkopplungstechnologien. Am Beispiel der Solardachpflicht haben wir dies erläutert. Ein weiteres Beispiel sind große Wind- und PV-Parks im ländlichen Raum. Hier können die Erzeugungsspitzen, die nicht vom Stromnetz aufgenommen werden, sinnvoll für Wärmenetze und Elektrolyseure mit Abwärmenutzung verwendet werden und so sehr kostengünstig die Umstellung auf erneuerbare Wärmesysteme möglich machen.
Der Anteil des Stromverbrauches an der Endenergie wird in Europa deutlich steigen, eine “only electric society” ist aber weder technisch noch wirtschaftlich umsetzbar. Moleküle wie erneuerbarer Wasserstoff und Biomethan werden im Energiesystem – vor allem in der netzdienlichen, flexiblen und stromgeführten KWK und der Spitzenlastabdeckung – weiterhin eine wichtige Rolle spielen.
Least Cost Planning als Leitprinzip
Least Cost Planning betrachtet nicht nur einzelne Technologien, sondern die gesamte Energiewirtschaft sektorübergreifend und kostenoptimiert. Regionale und kommunale Energieleitplanung ist dabei ein entscheidender Faktor: Statt teurer Einzelmaßnahmen sollten systemische Lösungen wie Wärmenetze, Großwärmepumpen und Geothermie priorisiert und mit sinnvollen Einzelmaßnahmen an den Gebäuden verbunden werden. Dies senkt Kosten, reduziert Netzbelastungen und beschleunigt die Wärmewende.
Herstellung der Wärmepumpenfähigkeit für Einzelgebäude und Wärmenetze als schneller Weg zur Defossilisierung
Aktuell erleben wir Debatten über notwendigerweise einzuhaltende Effizienzmindeststandards. So auch im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinie für Energieeffizienz in Gebäuden. Diese Debatte verlangsamt aber die CO2-Minderung aus mehreren Gründen: Höchste Effizienzstandards sind für Gebäudeeigentümer und Mieter nur mit sehr hohen Zuschüssen umsetzbar. Die Haushalte der EU-Länder und das Beihilferecht setzen hier Grenzen. Die hohen Investitionen und die hohe Eingriffstiefe am Gebäude stellen erhebliche Umsetzungshürden dar. Die Investitionen sind wegen der gestiegenen Standards trotz Förderung schon lange nicht mehr durch die eingesparte Energie finanzierbar, d.h. tiefe Sanierung erhöht die Wohnkosten (Bruttowarmmiete) überall dort, wo die Investitionskosten nicht vom Staat übernommen werden (wie in manchen Ländern beim sozialen Wohnen). Weiter zeigt sich, dass die erwarteten Energieverbräuche und die Verbräuche in der Praxis nach tiefer Sanierung stark voneinander abweichen, also Einsparziele häufig nicht vollständig erreicht werden.
Notwendig ist daher ein Paradigmenwechsel hin zu einer maßvollen Sanierung. Unterschiedliche Wärmepumpentechnologien werden in vielen Einzelhäusern, die nicht an Wärmenetze anzuschließen sind, in Zukunft eine dominierende Rolle spielen. Deswegen ist es sinnvoll und richtig, diese Gebäude wärmepumpentauglich zu machen, wobei dies in vielen Fällen kostengünstig und ohne den Austausch bestehender Heizungsanlagen möglich ist.
In vielen Fällen ist der Anschluss an bestehende und neue Wärmenetze möglich, die einfacher an der Quelle zu defossilieren sind und als Maßnahme der öffentlichen Daseinsvorsorge angesehen werden sollten.
Der Vorteil dieses Vorgehens ist, dass die energetische Sanierung der Gebäude oder Gebäudeteile in Zukunft synchron mit ohnehin anstehenden Instandhaltungs- und Modernisierungsinvestionen erfolgen kann.
Eine Ausnahme sind die worst-perfoming-buildings. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf, den die EBPD richtig beschreibt. Allerdings bedarf es hier auch eines grundsätzlichen Paradigmenwechsels. Es ist id.R. unwirtschaftlich und wenig sinnvoll, Altbauten auf Neubaustandards zu sanieren. Deswegen ist es sinnvoller in den EU-Mitgliedsstaaten getrennte Standards für Altbauten und für Neubauten auszuweisen. In der Altbausanierung kann dann eine Konzentration auf besonders wirksame Einzelmaßnahmen erfolgen, dazu können auch serielle Sanierungen von Fassaden und Dächern gehören.
Wenn auch bei den Einzelgebäuden eine Konzentration auf besonders wirtschaftliche Maßnahmen der Energieeinsparung inkl. Wärmerückgewinnung und der Nutzung erneuerbarer Energien erfolgt, werden diese Maßnahmen auch durch Kredite finanzierungsfähig, die aus den Energieeinsparungen sowie der Nutzung der erneuerbaren Energien wie PV refinanziert werden können. Die Hauseigentümer darf man mit dieser Aufgabe nicht allein lassen. Hier macht die Beratung viel Sinn: Durch Energieagenturen, Stadtwerke, Energiegenossenschaften oder auch Energiegemeinschaften. Es geht dabei um die Bündelung von Know-How und die Erschließung kostengünstiger Finanzierungsoptionen für eine Art “Sanierungs-Pool”.
Rahmenbedingungen und Finanzierung
Der Least-Cost-Planning-Ansatz stellt eine zielgerichtete Weiterentwicklung des bereits in der EU geltenden Wirtschaftlichkeitsprinzips dar.
Nach diesem Prinzip entwickelte Projekte sind grundsätzlich mit Krediten finanzierbar.
Zinsgünstige Nachrangdarlehen als Schlüssel zur Finanzierung von Wohnraum und Energiewende
Zinsgünstige Nachrangdarlehen mit langer Laufzeit senken die Finanzierungskosten erheblich, da sie den Bedarf an teurem Eigen- und Fremdkapital verringern. Dadurch reduzieren sich die finanziellen Belastungen für Investitionen, was wiederum die Schaffung kostengünstigen Wohnraums sowie die Finanzierung energetischer Sanierungen und erneuerbarer Energien erleichtert. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Fördervorteile durch günstigere Mieten an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden. Ein denkbares Instrument ist die Begrenzung der Mietsteigerung in der Höhe und auf eine zur Finanzierung der Investition ausreichende Zeitdauer. Das ist bei kommunalen Gesellschaften und Genossenschaften i.d.R. schon heute der Fall.
Die Europäische Investitionsbank (EIB) könnte gezielt solche Finanzierungen auflegen, benötigt dafür jedoch geeignete Sicherungsinstrumente und Garantien seitens der EU, um das Risiko abzusichern. Z.B durch einen über InvestEU hinausgehenden Garantiefonds. Die Mitgliedstaaten können dieses Programm im Einzelfall durch Zinszuschüsse oder eigene Kreditprogramme ergänzen, um die Attraktivität weiter zu erhöhen. Dieser Weg sollte gleichzeitig von den Mitgliedsstaaten genutzt werden, wo immer möglich auch kleinteilige Programme über nationale und regionale Förderbanken zu ermöglichen, damit die Aufteilung großer Beträge auf kleinere Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften gelingen kann. Dafür können sie auch sinnvoll Einnahmen aus dem ETS 1 und ETS 2 verwenden.
Da Förderdarlehen auf der EU-Ebene seit dem RSFF-Programm grundsätzlich eine Erfolgsgeschichte sind, können auch finanziell bereitgestellte, aber nicht benötigte Garantiepuffer der Vergangenheit genutzt werden, um die Reichweite von Programmen wie InvestEU zu erhöhen. Die Faustformel lautet aus unserer Sicht, dass in der zweiten mittelfristigen Finanzierungsperiode nach der Programmausreichung ein guter Überblick besteht, welche Garantiepuffer benötigt werden und welche nicht. Die nicht benötigten Teile können schrittweise jährlich freigegeben werden, die Haushalts-Vorsicht bleibt gewahrt.
Zugleich brauchen wir eine Diskussion, wie die Mittel der EIB auch besser von kleineren und mittleren Unternehmen genutzt werden können, vor allem, wenn keine nationale oder regionale Struktur von Förderbanken existiert. Die derzeitigen Schwellenwerte schließen kleinere und mittlere Wohnungsunternehmen indirekt aus, da sie die Projektvolumina nicht aufbringen können. In Deutschland z.B. nutzen lediglich etwa zehn große Wohnungsbauunternehmen eine EIB-Finanzierung für den Wohnungsbau. D.h. entweder man findet Kooperationsmodelle/Poollösungen oder man senkt die Schwellenwerte für EIB-Finanzierungen für energetische Modernisierungsmaßnahmen und für den Wohnungsbau von derzeit 50 Mio. Euro auf 5 Mio. Euro ab. Poollösungen ist ggf. auch länderübergreifend der Vorzug zu geben, allerdings müssen dringend für kleinere Volumina die Berichtspflichten gesenkt (entbürokratisiert) werden.
Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist das geringe Ausfallrisiko solcher Kredite. Der gemeinnützige Wohnungsbau in Wien zeigt, dass es in den letzten Jahrzehnten praktisch keine Kreditausfälle gab. Dieses Modell bietet daher auch Vorteile für die private Kreditwirtschaft und institutionelle Investoren, da sie mit einem geringeren Risiko konfrontiert sind und dementsprechend niedrigere Risikoprämien anfallen.
Um mögliche Verluste dennoch abzusichern, sollten Kreditnehmer eine moderate Bürgschaftsgebühr an die EU entrichten. Diese würde einen Sicherungsfonds speisen, aus dem eventuelle Kreditausfälle gedeckt werden können. So entsteht ein robustes Finanzierungsmodell als revolvierender Fonds, der den Ausbau bezahlbaren Wohnraums sowie nachhaltiger Energieprojekte in der gesamten EU deutlich beschleunigen wird.
„Bang for the Buck“ als pragmatische zweite Wahl
Immer wenn der Least-Cost-Planning Ansatz sich als zu komplex erweist oder auf andere Umsetzungsschwierigkeiten stößt, bietet sich ein projektbezogenes Vorgehen an, das den staatlichen Akteuren bei der Unterstützung von Vorhaben durch Fördermaßnahmen eindeutige Antworten liefert. Jedes Projekt wird gebeten, die beabsichtigten CO2-Verbräuche bei der Errichtung und die beabsichtigten CO2-Ersparnisse über die Nutzungsperiode (Lebenszyklus) anzugeben. Bei knappen Kassen werden die Projekte gefördert, die den geringsten öffentlichen Mitteleinsatz barwertig gesehen für die größte CO2-Einsparung verlangen. Bei Vorhaben, die weniger auf CO2-Einsparung als auf Klima-Adaption ausgerichtet sind, kann eine vergleichbare Betrachtung anhand von Differenzen von Versicherungsprämien erfolgen, die entweder in einer Simulationsrechnung oder anhand von Prämien der jeweiligen Marktanbieter ermittelt werden.
Diesen Ansatz wollen wir „Bang for the Buck“ nennen, weil die eingesetzten Finanzmittel nach den höchsten Einsparpotentialen „suchen“. Sie sind damit automatisch technologie-, material- und konzeptoffen, weil nicht vorgegeben ist, wie die Einsparung und an welcher Stelle im Lebenszyklus erzielt wird.
Regulierung und Absatzsicherung für klimafreundliche Produkte
Regulierung als Treiber für Innovation
Klimafreundliche Produkte und Technologien benötigen eine Absatzsicherung, um ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit zu gewährleisten. Produktstandards und staatlich regulierte Mindestanteile, etwa für „grünen Stahl“ oder nachhaltige Baumaterialien, können Investoren und Unternehmen Planungssicherheit geben. Ohne diese Maßnahmen besteht das Risiko von Strukturbrüchen und einer Verunsicherung der Märkte.
Die Rolle der öffentlichen Beschaffung
Das öffentliche Beschaffungswesen spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung klimafreundlicher Produkte. Durch die konsequente Ausrichtung auf Lebenszykluskosten und Nachhaltigkeit kann der Staat als Großabnehmer Innovationsprozesse anstoßen und skalieren. Dies ist in der Beschaffungsrichtlinie einzufügen
Nachrangdarlehen an Kriterien knüpfen
Die zinsgünstigen Nachrangdarlehen sind an klare Auflagen zu knüpfen. Dabei ist zwischen „sozialen Auflagen“ (Schaffung von kostengünstigen Mietwohnungen auf Dauer sowie von eigengenutzten Wohnraum) auf der einen Seite und „ökologisch-systemischer Auflagen“ auf der anderen Seite zu unterscheiden – z.B. die Kopplung an das least-cost-planning-Prinzip oder den Einsatz klimafreundlicher Baumaterialien. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass der geförderte Neubau der Zukunft sozial und im Lebenszyklus klimaverträglich sein muss, d.h. Holz und andere biobasierte Materialien werden wegen ihrer klimapositiven Eigenschaften dabei eine stärkere Rolle spielen. Ein sinnvolles Zusammenspiel mit klimaneutral erzeugtem Stahl und Zement muss parallel auf den Weg gebracht werden. Dafür kann die europäische neue Bauhausbewegung eine Schlüsselrolle übernehmen.
Vielfalt im geförderten Wohnungsbau zulassen
Die Wohnverhältnisse in den EU-Mitgliedsstaaten variieren erheblich, insbesondere hinsichtlich der Anteile von Mietern, Eigentümern und Bewohnern von Sozialwohnungen.
In der Vergangenheit hat die EU-Kommission kritisiert, dass in einzelnen Mitgliedsstaaten der soziale Wohnungsbau nicht auf benachteiligte und sozial schwächere Bevölkerungsgruppen konzentriert wurde („Dutch Case“).
In vielen Mitgliedsstaaten hat sich die Praxis bewährt, bezahlbaren Mietwohnungsbau für breite Bevölkerungsschichten anzubieten und auch staatlich zu fördern. In Verbindung mit einem ausreichend großen Neubauvolumen ist dies auch nicht zu Lasten der benachteiligten und schwächeren Bevölkerungsgruppen geschehen. Vielmehr ist in den meisten Projekten eine gelungene Mischung unterschiedlicher Zielgruppen entstanden.
Herausragendes Beispiel ist die Stadt Wien mit ihrem Eigenbetrieb und dem gemeinnützigen Wohnungsbau. Mietergenossenschaften verfolgen in vielen Ländern Europas erfolgreich ein ähnliches Prinzip.
Seitens der EU sollten diese Modelle zukünftig stärker unterstützt werden.
Autoren:
Jens Geier
Jens Geier ist seit 2009 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Er war bis 2024 Vorsitzender der SPD-Abgeordneten und ist Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) und Mitglied im Haushaltsausschuss (BUDG). Davor sammelte er bei der innova AG und Deloitte Erfahrungen im Bereich Immobilienprojekte des Öffentlichen Sektors. Er war außerdem Projektmanager und Pressesprecher bei der Projekt Ruhr GmbH und arbeitete beim SPD-Parteivorstand und SPD-Landesvorstand NRW. Jens Geier engagiert sich außerdem bei der IG Metall, der Arbeiterwohlfahrt und dem Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten e.V.
Dr. Matthias Kollatz,
Dr. Matthias Kollatz,ist Diplom-Volkswirt, und Doktor der Ingenieurwissenschaften. Er war Bereichsleiter der Helaba mit Verantwortungsbereich Landestreuhandstelle Hessen. Ab 2000 zusätzlich im Vorstand Investitionsbank Hessen. Vom 11. Oktober 2006 bis zum 31. Dezember 2011 besetzte er Deutschlands Sitz im Rat der Gouverneure und war einer von acht Vize-Präsidenten der Europäischen Investitionsbank. (EIB) (Luxemburg). 2012 Seniorberater Finanzen und Regulierung PwC Deutschland. Von 2014 – 2021 war er Berliner Senator für Finanzen. Seit 2016 ist er Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses (SPD).
Klaus Mindrup
Klaus Mindrup, war zwischen 2013 und 2021 SPD-Bundestagsabgeordneter aus Berlin, war 2019 und auch bei der Novelle 2021 Berichterstatter und Verhandler der SPD für das Bundesklimaschutzgesetz. Er arbeitet national und international als Berater für Energie- und Klimaschutzfragen. Klaus Mindrup ist aktiver Wohnungsbaugenossenschaftler, Vorsitzender des Vereins Energiedialog 2050 e.V. und Mitglied im Rat für Bürgerenergie.