Gelenkte Automobilwirtschaft

©privat
Oliver Luksic FDP-Bundestagsabgeordneter und Landesvorsitzender der FDP-Saar
©
iStock bluejayphoto

 

 

Zur Debatte um den Antrieb und die Mobilität der Zukunft, sind bislang zwei Debattenbeiträge auf diesem Blog erschienen. Kurt-Christoph von Knobelsdorff zu Wasserstoff im Verkehr und Prof. Dr. Thomas Schwarz zur Elektromobilität. Oliver Luksic führt die Debatte weiter

 

Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen im Verkehrssektor um knapp 42 Prozent gegenüber 1990 sinken, ab 2050 soll die EU nach den Plänen des Green Deal als erster Kontinent komplett klimaneutral werden. Mit der Dekarbonisierung und der Digitalisierung droht der Branche jedoch ein Strukturbruch, wenn dieser Wandel durch einseitige oder unrealistische Vorgaben forciert wird, statt ihn durch kluge Rahmenbedingungen zu begleiten. Zum einen drohen Fahrzeugherstellern Strafzahlungen, die den Preis einer Tonne CO2 gegenüber der in Deutschland eingeführten CO2-Bepreisung oder dem Preis der CO2-Zertifikate des Emissionshandelssystems (Emission Trading System – ETS) fast mit dem Faktor 10 bis 20 multiplizieren. Zum anderen ergibt sich bei einer Betrachtung des kompletten Lebenszyklus der Antriebsarten eine Differenz von bis zu 30.000 Euro, die auf staatliche Subventionierung des Elektrofahrzeugs einerseits und Besteuerung des Verbrenners andererseits zurückgeht.

Elektrofahrzeuge bieten Fahrspaß und sind im Betrieb abhängig von der Stromquelle nahezu emissionsfrei. Ihr aktueller Erfolg ist aber nicht marktgetrieben, sondern in erster Linie durch die Politik bestimmt. Die Industrie hat sich daher angepasst und den batterieelektrischen Weg eingeschlagen. Die Angebotspalette der deutschen Hersteller wächst rasant und zeigt die Transformationsbereitschaft der Industrie. Elektrifizierung ist zweifelsohne ein zentraler Pfeiler des zukünftigen Antriebsmixes. Das sollte aber nicht dazu führen, dass bei der CO2-Minderung einseitig auf diesen Weg gesetzt wird. Das Potenzial beispielsweise von alternativen Kraftstoffen sollten wir nutzen – für das Klima und für die Transformation der Industrie.

Fahrzeugbau: Abschied von der Marktwirtschaft

Wirft man einen genaueren Blick auf die zahlreichen politischen Instrumente, die in den vergangenen Jahren bei Kraftfahrzeugen herangezogen wurden, wird deutlich, dass Anreize einseitig zugunsten der Elektromobilität geschaffen wurden. Vergleicht man die politisch festgelegten Abgaben für ein Fahrzeug mit klassischem Verbrennungsmotor über den gesamten Lebenszyklus mit den politischen Subventionen eines vergleichbaren Elektrofahrzeugs, ergibt sich etwa für den VW Golf und den VW e-Golf eine Differenz von bis zu 30.000 Euro. Wie ist eine solche Verzerrung marktwirtschaftlich zu rechtfertigen?

Das klassische Benzin- oder Dieselfahrzeug wird über die Kfz-Steuer, die Energiesteuer, den CO2-Preis, die Dienstwagensteuer sowie die europäischen CO2-Vorgaben im gesamten Betrieb mit etwa über 15.000 Euro belastet. Das vergleichbare Elektrofahrzeug wird hingegen aufgrund der Kaufprämien, verringerter Energie-, CO2– und Dienstwagensteuern sowie der Anrechnung mit 0 Gramm CO2 pro Kilometer im Rahmen der EU-Flottenregulierung über den gesamten Betrieb mit circa 15.000 Euro subventioniert. Dabei sind weitere indirekte volkswirtschaftliche Kosten für den Ausbau von lokalen Verteilernetzen und der elektrischen Infrastruktur in Gebäude noch gar nicht eingerechnet.

Während der Verbrenner grundsätzlich mit dem fossilen Emissionswert berechnet wird, gilt das Elektrofahrzeug als Zero Emission Vehicle ungeachtet der Tatsache, dass Teile des Energiebedarfs womöglich von Kohle gedeckt werden. Der CO2-Nachteil der Batterieautos wird so selbst bei Grünstrom erst nach ungefähr 50 000 bis 100 000 Kilometern ausgeglichen. Auch bei der deutlich ressourcen- und energieintensiveren Produktion der Batterien drohen aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit notwendiger Rohstoffe voraussichtlich Engpässe, die nicht nur durch Recycling gelöst werden können.

CO2 bei Pkw 10-mal teurer als bei Kraftwerken

Die Ausgestaltung der CO2-Flottenregulierung ist dabei maßgeblich für das Ungleichgewicht verantwortlich. Ein weiteres Beispiel: Fahrzeugherstellern drohen Strafzahlungen in Höhe von 95 Euro für jedes Gramm Zielverfehlung pro Fahrzeug. Geht man von einer durchschnittlichen Laufleistung des Fahrzeugs von knapp 200 000 km aus, ergibt sich ein CO2-Austoß von 0,2 Tonnen. Hochgerechnet ergeben sich damit insgesamt 475 Euro pro Tonne CO2. Im Vergleich: Der von der Großen Koalition in diesem Jahr eingeführte CO2-Preis beginnt bei 25 Euro pro Tonne und soll bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne steigen. Der aktuelle Preis für CO2-Zertifikate im ETS liegt bei knapp 40 Euro, damit ergibt sich der Faktor 10.

Mit diesen Maßnahmen werden die individuelle Mobilität und das modernste Benzin- und Dieselfahrzeug bewusst exorbitant verzerrt und verteuert. Doch statt den Emissionshandel auf den Verkehrssektor auszuweiten und eine zielsichere, effiziente und innovationsfreundliche Klimapolitik sicherzustellen, drohen nationale und europäische Alleingänge und eine weitere Verschärfung der kurzsichtigen Flottenregulierung.

E-Fuels nicht weiter blockieren

Das angepeilte Tempo des Technologiewechsels ist so hoch, dass es immer wieder Probleme geben wird. Aber eins ist klar: Wenn die Hersteller ihre CO2-Ziele in Europa erfüllen wollen, müssen sie auf Elektroanteile in Richtung 50 Prozent kommen. Die Bundesregierung beteuert immer wieder, dass sie einen technologieoffenen Ansatz verfolgt. Die Realität sieht jedoch anders aus. Wie ist es sonst zu erklären, dass ein Liter erneuerbarer Kraftstoff in der Besteuerung fossilen Kraftstoffen gleichgestellt ist, Strom kaum und Wasserstoff unabhängig von der tatsächlichen Klimabilanz jedoch nicht? Oder dass Ladestrom im Rahmen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie vierfach angerechnet wird, alternative Optionen mit größerer CO2-Reduktion jedoch nur einfach? Weshalb ist der Verkauf von C.A.R.E.-Diesel an Tankstellen in Deutschland nach wie vor verboten, in den Niederlanden, Finnland und Schweden jedoch zugelassen?

Wir brauchen faire und technologieoffene Rahmenbedingungen. Dazu zählen zunächst die Anrechenbarkeit alternativer Kraftstoffe bei der EU-Flottenregulierung, eine Ausweitung des Emissionshandels auf den Verkehrssektor sowie eine daran anknüpfende Generalüberholung der Energie- und Kfz-Steuer. Diskussionen um ein Verbrennerverbot werden uns nicht helfen, stattdessen müssen wir das CO2-Reduktionspotenzial des Fahrzeugbestands in den Blick nehmen. Hier bieten uns alternative Kraftstoffe sofortige Einsparungen für die rund 30 Millionen Benzin- und Dieselfahrzeuge, die auch nach 2030 auf unseren Straßen unterwegs sein werden. Auch der Plug-in-Hybrid kann hier eine wichtige Rolle spielen. Die batterieelektrische Mobilität und der emissionsfrei betriebene Verbrennermotor schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich, damit die zukünftige Mobilität in Städten und auf dem Land bezahlbar und klimafreundlich wird. Die erfolgreiche Transformation der Automobilindustrie ist möglich. Dafür brauchen wir keine Verbote, sondern einen klugen marktwirtschaftlichen und technologieoffenen Rahmen.

 

Oliver Luksic