Batterie oder Brennstoffzelle? – Rahmenbedingungen für klimaneutrale Mobilität

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Prof. Dr. Thomas Schwarz Head of Government Affairs Berlin - AUDI AG
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Kurt-Christoph von Knobelsdorff hat mit einem kritischen Tweet über ein Elektroauto eine sehr kontroverse Diskussion angestoßen. Daran anknüpfend hat er mit seinem Blogbeitrag „Wasserstoff im Verkehrssektor auf dem Weg zur Klimaneutralität“ einen weiteren Anstoß geliefert, die wichtige Debatte über Klimaneutralität im Verkehrssektor fortzusetzen. In meiner Replik möchte ich einige seiner Argumente aufgreifen und kritisch hinterfragen.

Ausgangssituation

Die auf europäischer Ebene verbindlich vereinbarten Klimaschutzziele erfordern eine dramatische Beschleunigung bei der Einführung klimaneutraler Technologien auch und gerade im Verkehrssektor. Im Automobilbereich werden diese sukzessive über neue Fahrzeuge in den Markt eingeführt. Es dauert daher viele Jahre, bis der Markt vollständig durchdrungen ist. Aber: Diese neuen Technologien sind verfügbar und müssen jetzt eingeführt werden. Und so war der Begriff Technologieklarheit nach meinem Verständnis auch gemeint, nämlich in Bezug auf den Pkw-Sektor, in dem diese Technologien bereits entwickelt, erprobt und marktreif sind.

Klimaschutzziele in Deutschland

In Deutschland sind im Klimaschutzgesetz sektorspezifische, jahresgenaue Reduktionsziele festgelegt worden. Das erklärte Ziel ist, die CO2 Emissionen bis 2030 um 55% gegenüber dem Wert von 1990 über alle Sektoren hinweg zu senken. Für den Verkehrssektor bedeutet dies, dass wir die heutigen Emissionen von ca. 150 Mio. t CO2-Äquivalent auf 95 Mio. t in 2030 reduzieren müssen. Das entspricht einem Rückgang von 42 % gegenüber 1990. Dieser Kraftakt innerhalb von zehn Jahren muss zum größten Teil im Pkw-Bereich erbracht werden, der für ca. 2/3 der verkehrsbedingten Emissionen verantwortlich ist.

Die in den vergangenen Dekaden erzielten Effizienzsteigerungen bei konventionell betriebenen Pkw wurden durch die gestiegenen Verkehrsleistungen insbesondere im Güterverkehr kompensiert, so dass sich die absoluten Emissionen seit 1990 in Summe kaum verändert haben. Leider gilt bei der Entwicklung konventioneller Pkw nicht das Moorsche Gesetz wie für Halbleiterkomponenten, wonach sich die Leistungsfähigkeit alle 18-28 Monate verdoppelt. Vielmehr ist es so, dass weitere Effizienzverbesserungen bei konventionellen Verbrennungsmotoren trotz steigenden technischen Aufwands begrenzt sind. Und das lässt sich auch nicht durch Regulierung verändern.

Elektromobilität für Pkw

Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität stellt in ihrem Fortschrittsbericht 2020 fest: „Batterieelektrische Mobilität bietet derzeit technologisch die am weitesten ausgereifte Lösung zur CO2-Reduktion, wobei Elektrofahrzeuge definitionsgemäß für den Verkehrssektor CO2-frei bewertet werden. Sie bieten daher wesentliche Potenziale für eine zügige Reduktion der CO2-Emissionen.“ Zu dieser Einschätzung besteht ein breiter Konsens in Wissenschaft, Industrie und Politik. Auch Kurt-Christoph von Knobelsdorff teilt diese und leistet mit seiner engagierten Arbeit für die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur bei der NOW GmbH einen wertvollen Beitrag.

Aktuell steigen die Zulassungszahlen für elektrische Pkw in Deutschland rasant an. Dies liegt zum einen an den bundesweit attraktiven Förderbedingungen, zum anderen wächst das Angebot über alle Fahrzeugklassen hinweg kontinuierlich an. Nach Auswertungen des VDA erreichten die kumulierten Neuzulassungen von Elektro-Pkw seit 2010 am 1. März 2021 bereits über 780.000 mit einem 51%-igen Anteil von reinen Batterieelektrischen Pkw. Der geschätzte Bestand liegt aktuell bei 660.000 Elektro-Pkw. Bei derzeit ca. 34.000 öffentlich zugänglichen Normalladepunkten und knapp 5.630 Schnellladepunkten müssen sich statistisch also 17 Elektroautos eine Ladesäule teilen.

Auch wenn perspektivisch der größte Teil des Ladens an privaten bzw. gewerblichen Ladepunkten erfolgen wird, kommt der öffentlichen Ladeinfrastruktur eine zentrale Bedeutung zu. Sie muss insbesondere in der Anfangszeit dem Fahrzeugbestand vorauseilen, damit ein potentieller E-Autokäufer die Gewissheit hat, bei Bedarf eine flächendeckende und möglichst nutzerfreundliche Ladeinfrastruktur vorzufinden. Leider ist häufig das Gegenteil der Fall: In Innenstädten wie beispielsweise Berlin ist durch die Einführung elektrischer Carsharing-Fahrzeuge die öffentliche Ladeinfrastruktur bereits stark nachgefragt und daher zwangsläufig nicht ständig verfügbar. Es bleibt also eine große Herausforderung, den erforderlichen und gewünschten Hochlauf von elektrischen Pkw durch einen passenden Ladeinfrastrukturausbau zu begleiten. Technologieklarheit bedeutet in diesem Zusammenhang vor allem Planungssicherheit für all jene, die auf nachhaltige Elektromobilität umsteigen möchten.

Die Kritik von von Knobelsdorff, mit der Fokussierung auf Elektromobilität „alles auf eine Karte“ zu setzen und damit ein unverhältnismäßig hohes Risiko einzugehen, ist hier schlicht unberechtigt. Fakt ist: Diese Technologieklarheit ist die logische Konsequenz aus der technologischen Reife im Vergleich zu möglichen Alternativen, wie z.B. Brennstoffzellen-Pkw. Erreicht wurde diese Reife durch milliardenschwere Investitionen, intensive Entwicklungsarbeit, regulative Vorgaben und auch Wettbewerbsdruck. Der Wunsch nach Technologieklarheit auch in der Politik ist gleichbedeutend damit, diese Reife anzuerkennen und die schnelle Marktdurchdringung durch geeignete Rahmenbedingungen zu unterstützen.

Wasserstoff im Mobilitätssektor

Welche Bedeutung hat also nun Wasserstoff im Mobilitätssektor? Wasserstoff und seine Folgeprodukte werden in einem klimaneutralen Energiesystem der Zukunft zweifellos eine wichtige Rolle spielen. Und gerade weil Wasserstofftechnologien heute noch keine Marktreife haben, sind wir gut beraten, diese kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dabei kann und wird die Bestandsflotte eine zentrale Rolle spielen. Wenn Wasserstoff aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, sind auch seine Folgeprodukte klimaneutral, wie z.B. synthetische Kraftstoffe.

Der entscheidende Vorteil von strombasierten synthetischen Kraftstoffen liegt in der deutlichen Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Ohne diese Kraftstoffe wird es nicht gelingen, den CO2-Ausstoß des Verkehrssektors ausreichend schnell zu senken, um die ambitionierten Reduktionsziele in dieser Dekade zu erreichen. Studien belegen, dass neben einer forcierten Elektrifizierung große Mengen an Wasserstoff und synthetischen Kohlenwasserstoffen (auch in Branchen außerhalb der Automobiltechnik) notwendig sind, um aus dem fossilen Zeitalter auszusteigen. Kritisch sind nach wie vor die Herstellungskosten. Aber: Wenn wir den Anteil klimaneutraler Kraftstoffe weiter ausbauen, können wir dringend erforderliche Skaleneffekte bei Entwicklung und Bau von Elektrolyseanlagen und Prozesstechnologien realisieren und die Kosten senken. Auch dafür braucht es Planungssicherheit hinsichtlich des regulativen Rahmens, z.B. über entsprechende Vorgaben in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie II der EU. Auch darüber besteht weitestgehend Konsens; es geht nicht um ein „entweder oder“, sondern um ein „sowohl als auch“.

Zukunftsprognosen

Diese sind schwierig, insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen. Dieser Spruch ist nicht neu, aber immer noch passend. Wenn man versucht aus der Vergangenheit die Zukunft vorherzusagen, ist das in etwa so, als ob man auf der Autobahn versucht mit dem Blick in den Rückspiegel zu fahren. Trotzdem kann man aus der Betrachtung der Vergangenheit einige Lehren für die Zukunft ziehen. Dazu gehört zum Beispiel, dass man technischen Fortschritt nicht durch Regulierung erzwingen kann. Aber Regulierung kann durch geeignete Rahmenbedingungen die Entwicklung und Durchsetzung neuer Technologien fördern.

An der Elektromobilität im Pkw-Bereich – (produziert und) betrieben mit Erneuerbaren Energien – führt klimapolitisch kurz und mittelfristig kein Weg vorbei. Denn ein wesentlicher Unterschied zwischen batterieelektrischen und brennstoffzellenelektrischen Pkw ist – wie bereits ausgeführt – die technologische Reife. Daraus sollte man nicht ableiten, die Brennstoffzellen-Technologie hätte keine Berechtigung und sollte daher nicht weiterentwickelt werden. Aber man darf den Begriff der Technologieoffenheit auch nicht so interpretieren, dass jede Antriebstechnologie für jeden Anwendungsfall zu entwickeln ist. Es geht darum, die jeweils beste Antriebsart für einen spezifischen Anwendungsfall zu entwickeln. Für Pkw steht mit dem batterieelektrischen Antrieb eine gegenüber der Brennstoffzelle ca. 3-fach und gegenüber synthetischen Kraftstoffen ca. 6-fach effizientere Technologie zu Verfügung, deren schnelle Marktdurchdringung einen wichtigen Beitrag zur Klimaneutralität leisten kann und sollte.

Immer wieder stellen sich auch heute noch Pkw-Kaufinteressenten die Frage, ob sie sich jetzt ein Batterieelektrisches Auto kaufen oder doch lieber noch auf ein Brennstoffzellenfahrzeug warten sollten, man hört ja so viel von dem großen Potenzial der Brennstoffzelle. Aber diese Frage kann man für alle diejenigen klar beantworten, die gerade nicht noch mindestens länger als zehn Jahre warten wollen, um auch ganz sicher zu sein, ob nicht eventuell doch auch ein Brennstoffzellenfahrzeug für sie eine Alternative darstellen könnte. Und das von von Knobelsdorff kritisierte fehlende Angebot insbesondere deutscher Hersteller ist genau durch die fehlende Wirtschaftlichkeit begründet und das gilt auch für die beiden einzigen Anbieter kleiner Stückzahlen.

Und auch noch einmal ganz deutlich: Das heißt nicht, dass man die Brennstoffzellentechnologie nicht weiter entwickeln sollte, aber man darf auch nicht mit Aussagen darüber einen jetzt nötigen Technologiewechsel verlangsamen.

 

Lesen Sie den Text von Kurt-Christoph von Knobelsdorff hier: Link

Prof. Dr. Thomas Schwarz