16.02.2021Arbeitswelt

Wir brauchen ein V am Arbeitsmarkt!

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Prof. Dr. Enzo Weber VWL-Professor und Bereichsleiter am IAB
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Corona ist für den Arbeitsmarkt ein herber Schlag, aber es hätte schlimmer kommen können. Ein umfassender Einbruch konnte vermieden werden. Das Entlassungsniveau hatte sich nach dem ersten Lockdown schnell wieder normalisiert, und der zweite Lockdown hat deutlich moderatere Auswirkungen am Arbeitsmarkt. Damit haben sich Vorhersagen erfüllt, die den Arbeitsmarkt auch in der Pandemie grundsätzlich robust gesehen haben.

Und dennoch sind die Risiken immens. Die Einstellungsdynamik lag selbst während der starken Konjunkturerholung im Sommer 2020 weiter deutlich unter Vorkrisenniveau. Je länger die Rückschläge anhalten, desto mehr drohen Verfestigung von Arbeitslosigkeit, bleibende Effekte bei einer Corona-Generation von Berufseinsteigern, dauerhafter Rückzug vom Arbeitsmarkt und Schwächung der beruflichen Aufwärtsentwicklung über Jobwechsel. Die Warnsignale gibt es bereits: Die Langzeitarbeitslosigkeit steigt seit Krisenbeginn entgegen dem vorherigen Trend deutlich an. Während sich die Konjunktur im dritten Quartal 2020 mit einer „V“-Bewegung fulminant erholte, kam die Erwerbstätigkeit nicht über ein „L“ hinaus. Das lässt befürchten, dass es auch nach dem zweiten Lockdown zu keinem schnellen Befreiungsschlag am Arbeitsmarkt kommen wird.

Rettungsmaßnahmen nicht genug

Angesichts des strukturellen und technologischen Wandels werden erhaltende Rettungsmaßnahmen nicht genug sein. In Deutschland werden normalerweise pro Jahr rund acht Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse neu begonnen. Nachdem Entlassungen durch Kurzarbeitergeld und andere Programme in Grenzen gehalten werden konnten, kommt es für eine zügige Erholung auf Neueinstellungen an. Diese zu verstärken, würde sowohl lahmende Wirtschaftstätigkeit in Gang bringen als auch den Wandel und neue Jobs fördern. Anders als das Kurzarbeitergeld läuft eine Förderung von Neueinstellungen nicht Gefahr, eigentlich schon überkommende Wirtschaftsstrukturen zu verfestigen.

Neueinstellungszuschüsse sind deshalb ein entscheidendes Mittel, um die Krise am Arbeitsmarkt zu beenden. Diese sollten in der Phase greifen, in der der zweite Lockdown überstanden ist und es mit den Impfungen die Perspektive gibt, die Pandemie ohne weiteren Lockdown zu überwinden.

Einstellungszuschuss…

Es gibt gute und wissenschaftlich abgesicherte Argumente für temporäre Einstellungsförderung in der jetzigen Krise. So zeigt eine hochrangig veröffentlichte empirische Studie, dass ein vorübergehender Einstellungszuschuss im Krisenjahr 2009 in Frankreich erhebliche positive Beschäftigungseffekte entfaltete. Eine makroökonomische Simulationsstudie für Deutschland ergibt darüber hinaus, dass ein Einstellungszuschuss Beschäftigung und Bruttoinlandsprodukt wesentlich stärker erhöhen würde als die gleichen Bruttoausgaben für traditionelle Staatsausgabenprogramme oder Mehrwertsteuersenkungen.

Der Multiplikatoreffekt ist bedeutend größer (und Mitnahmeeffekte entsprechend vergleichsweise niedrig), weil direkt Jobs und Einkommen geschaffen werden. Expansive Fiskalpolitik, die gezielt Neueinstellungen fördert, wirkt also besonders effektiv. Damit können die Nettokosten wegen hoher fiskalischer Rückflüsse sogar bei null liegen. Die Nachfrage nach Arbeit steigt, sodass auch die Lohnentwicklung unterstützt wird. Diese Förderung von Investitionen in Arbeit kann mit einer entsprechenden Förderung von Investitionen in Realkapital kombiniert werden, etwa über Sofortabschreibungsmöglichkeiten.

Wichtig ist, dass die Anreize schnell, umfassend und automatisch wirken. Dies ließe sich erreichen, wenn man bei neuen Jobs für einen bestimmten Zeitraum auf die Zahlung von Sozialbeiträgen durch die Arbeitgeber verzichtet und diese den Sozialkassen stattdessen aus dem Bundeshaushalt finanziert. Das würde erhebliche finanzielle Anreize setzen – und zwar insbesondere für frühzeitige Einstellungen, die entsprechend länger von der monatlichen Förderung profitieren. Denn Vorzieheffekte wären hier explizit erwünscht, da die Risiken wie Verfestigung von Arbeitslosigkeit zeitkritisch sind.

Die Neueinstellungsförderung sollte daran geknüpft werden, dass die Beschäftigungsverhältnisse länger (z.B. als ein halbes Jahr) andauern. Auch sollten Fälle ausgeschlossen werden, in denen nach Bekanntwerden der Förderung ein Beschäftigungsverhältnis der betreffenden Person beim selben Arbeitgeber beendet wurde. Derartige Regeln sind beim existierenden Beschäftigungszuschuss für schwer vermittelbare Personen bereits erprobt, bei dem sich kaum unerwünschte Nebeneffekte zeigen. Dies gilt ebenso für den zitierten französischen Einstellungszuschuss.

USA und Frankreich sind weiter

Finanzielle Einstellungsförderung wurde in der Corona-Krise bspw. in Frankreich, Großbritannien und den USA bereits eingeführt, in Deutschland sind die Zuschüsse für die Einstellung von Auszubildenden ein Schritt in diese Richtung. Die Krise zieht sich am Arbeitsmarkt bereits fast ein Jahr. In 2021 brauchen wir dringend auch hier ein „V“, damit die Schäden nicht chronisch werden. Durch einen starken Impuls bei der Neueinstellungsförderung lässt sich das erreichen.

 

Prof. Dr. Enzo Weber