Herausforderungen für die Innovationspolitik

Dieses Bild zeigt Paul Hünermund, der über Innovationspolitik schreibt - ©privat
Paul Hünermund Assistant Professor Copenhagen Business School
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Mehr Initiative im Bereich Forschung und Innovation ist nötig. Vor allem gilt es Mittelständler mitzunehmen

Forschung und Innovation sind die Grundlage für Wachstum und Wohlstand. In den Wirtschaftswissenschaften ist diese Erkenntnis spätestens seit den Arbeiten von Paul Romer, der im Jahr 2018 dafür mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde, fest verankert.

Neuere Studien weisen jedoch darauf hin, dass sich die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts zunehmend verlangsamt. Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) entfalten heute nur noch eine geringere Wachstumswirkung als sie das beispielsweise vor 30 Jahren getan haben.

Dies mag angesichts der zuletzt spektakulären Durchbrüche in der Impfstoffentwicklung oder der Elektromobilität überraschend erscheinen. Es sind jedoch vor allem die kleinen Unternehmen und Mittelständler, die im globalen Technologiewettbewerb den Anschluss verlieren, und ihre Innovationsausgaben zurückfahren.

Hier besteht staatlicher Handlungsbedarf. Denn obwohl die privaten Renditen aus FuE für viele Unternehmen rückläufig sind, ist der gesellschaftliche Nutzen von Forschung und Innovation weiterhin groß. Für Ökonomen leitet sich daraus die Begründung für Markteingriffe ab, zum Beispiel in Form einer steuerlichen Förderung, um die unternehmerischen Anreize für FuE zu erhöhen.

Gesamtausgaben müssen steigen

In Deutschland betragen die Gesamtausgaben für FuE derzeit rund 3,1 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts. Damit liegt die Bundesrepublik über der Zielmarke von drei Prozent, die sich die EU-Mitgliedsstaaten im Jahr 2000 im Zuge der Lissabon-Strategie gesetzt haben.

Angesichts des zunehmend größer werdenden Aufwands an FuE, der nötig ist, um vergleichbare Innovationserfolge wie in der Vergangenheit zu erzielen, sollte dieses Ziel jedoch überdacht werden. Damit auch in Zukunft wachsender Wohlstand und technologischer Fortschritt anhält, erscheint mittlerweile eine FuE-Quote jenseits der 5-Prozent-Marke für angemessener.

Ein Instrument, das im Zuge einer solchen Strategie derzeit noch zu wenig Beachtung findet, ist die nachfrageorientierte Innovationspolitik. Forschungsförderung konzentriert sich heutzutage hauptsächlich auf angebotsseitige Maßnahmen wie die direkte Projektförderung. Im Staatshaushalt machen solche Programme jedoch nur einen Bruchteil aus im Vergleich zu den Summen, die jährlich für die öffentliche Beschaffung aufgewendet werden.

Im OECD-Durchschnitt nimmt das öffentliche Beschaffungswesen rund 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein. Wenn selbst nur ein Teil dieser Ausgaben für die staatliche Nachfrage nach innovativen Produkten und Dienstleistungen genutzt werden könnte, würde dadurch eine starke Anreizwirkung für Investitionen in FuE erzielt werden. Über entsprechende Spillover-Effekte entfaltet sich diese positive Wirkung dann auch über den Staatssektor hinaus in der Privatwirtschaft.

Da die öffentliche Beschaffung einen wichtigen Wirtschaftsfaktor auf lokaler Ebene darstellt, können über eine nachfrageseitige Innovationspolitik Anreizeffekte auf eine breite Schicht von Mittelständlern gestreut werden. Darüber hinaus käme es zu einer Verbesserung staatlicher Infrastruktur und Dienstleistungen, zum Beispiel im Bereich e-Government oder klimaneutraler Lösungen im Personennahverkehr. Auf diese Weise ließen sich also buchstäblich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Integration des Forschungsraums

Allerdings kommt es nicht nur auf das Wieviel an. Zusätzlich zu einer Ausweitung von Forschungs- und Entwicklungsausgaben müssen Innovationsprojekte erneut an Produktivität gewinnen, um eine weitere Verlangsamung des technischen Wandels zu verhindern. Hierzu sollten vor allem eine weiter reichende Integration des europäischen Forschungsraums, sowie mehr Investitionen in Bildung Priorität haben.

Der Innovationserfolg von Unternehmen ist hierzulande weiterhin durch die anhaltende Fragmentierung des europäischen Binnenmarkts erschwert. Forschungskollaborationen über Ländergrenzen hinweg bleiben eine Seltenheit, wodurch Humankapitalressourcen nicht optimal genutzt werden können. Obwohl die EU gesamt gesehen einen wesentlich größeren Markt als die Vereinigten Staaten darstellt, ist es für junge Unternehmen in Europa immer noch schwierig international zu expandieren. Nicht zuletzt durch diese Hürden für die Skalierbarkeit von innovativen Geschäftsmodellen ist der europäische Markt nur von geringerem Interesse für Wagniskapitalgeber.

Produktivitätswachstum wird zunehmend dadurch behindert, dass Forschungsprogramme aufwendiger werden und mehr Vorwissen voraussetzen. So zeigen Studien, dass Nobelpreisträger und andere berühmte Erfinder ihre bahnbrechenden wissenschaftlichen Durchbrüche heutzutage im Schnitt erst sechs Jahre später in ihrer Karriere erzielen, als noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Bildungssystem muss sich auf diese längeren Ausbildungszeiten und komplexer werdenden Technologien einstellen, damit ein Fachkräftemangel in Schlüsselbranchen vermieden wird.

Rahmenbedingungen neu justieren

Eine zentrale Herausforderung für die Innovationspolitik in den kommenden Jahren wird es sein, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass sich die Renditen aus FuE auf eine möglichst große Bevölkerungsschicht verteilen. Aufgrund der Digitalisierung und Globalisierung sind Märkte zunehmend durch einen „winner takes all“-Wettbewerb charakterisiert. Dieser führt zu sogenannten Superstar-Firmen, die durch ihre innovativen Produkte und hohe Wettbewerbsfähigkeit enorme Marktanteile erzielen.

Hochproduktive Technologieführer müssen nicht per se schlecht sein, doch die Gefahr der Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung ist groß. Neben einer wachsamen Wettbewerbspolitik und strikteren Fusionskontrolle, gilt es vor allem dafür zu sorgen, dass möglichst viele Unternehmen in die Lage versetzt werden, im globalen Innovationswettbewerb zu bestehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch die Beschäftigten von Mittelständlern an den Produktivitätssteigerungen innerhalb der Volkswirtschaft partizipieren.

Auf diesem Gebiet sollten Politik und Wissenschaft in Zukunft verstärkt gemeinsam an Lösungen arbeiten, damit eine Balance zwischen der Förderung von Spitzenforschung und einer breiten gesellschaftlichen Teilhabe am technologischen Fortschritt gelingt.

 

Paul Hünermund