24.03.2021Digitalisierung

Wie Mitarbeiterbeteiligungen den Tech-Standort Deutschland stärken und Teilhabe ermöglichen

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Christian Miele Partner bei e.ventures und Präsident des Bundesverbands Deutsche Startups e.V.
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Eine Analyse des Entwurfs des Fondsstandortgesetzes

 

Startups sind wichtige Innovationstreiber. Damit stärken sie unsere Wettbewerbsfähigkeit und tragen dazu bei unseren Wohlstand zu sichern. In den vergangenen Jahren haben sie verändert wie wir einkaufen, bezahlen und uns fortbewegen. Gerade auch in der Corona-Pandemie stellen junge und innovative Unternehmen eindrucksvoll ihre Bedeutung bei der Bewältigung der Krise unter Beweis. Das reicht von digitalen Kommunikations- und Bildungsangeboten über Kontaktverfolgungs-Apps, wie z.B. Luca, bis hin zu Entwicklung des Impfstoffs selbst.

Für die Verwirklichung ihrer innovativen und zukunftsgerichteten Ziele und Visionen sind Startups neben einem hinreichendem Angebot an Wagniskapital vor allem auf hochqualifiziertes Personal angewiesen. Beides sind zentrale Elemente, um Geschäftsmodelle schnell zu skalieren und das Startup auf Wachstumskurs zu bringen.

Talente sind entscheidend

Startups befinden sich im internationalen Wettbewerb um die „besten Köpfe“ – dem sog.  „War  for  Talents“.  Es liegt auf der Hand, dass sie in Sachen Gehaltshöhe gegenüber etablierten Wirtschaftsunternehmen oft nicht mithalten können. An dieser Stelle kommen die Mitarbeiterbeteiligungsprogramme ins Spiel. Sie dienen dazu, diesen systemischen Nachteil bei der  Mitarbeitergewinnung von Startups zu mindern. Anders formuliert:  Mitarbeiterbeteiligungen sind ein entscheidendes Instrument, den Tech-Standort Deutschland zu stärken. Denn nur wenn es Startups als Innovationstreiber gelingt, die besten Köpfe zu gewinnen, haben sie eine Chance sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten und globale Champions zu werden. Nach einer gemeinsamen Studie des Bundesverbandes Deutsche Startups mit der Boston Consulting Group, BCG Digital Ventures, der Wirtschaftskanzlei Hengeler Mueller und der Internet Economy Foundation bewerten knapp 90 % der Befragten die Beteiligung von Mitarbeiter*innen als einen signifikanten Einflussfaktor für den Erfolg eines Startup.

Hinzu kommt ein weiterer wichtiger Aspekt: Mitarbeiterbeteiligungen ermöglichen Mitarbeitenden Dank der Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens eine neue Form der Partizipation. Zudem zeigt die Praxis, dass Mitarbeiter*innen die erzielten Erlöse aus Beteiligungen oftmals in Startup-Ökosysteme reinvestieren. Das sorgt dafür, dass ein sich immer wieder selbst antreibender Kreislauf aus Innovationen und Investitionen entsteht. Ein gutes Beispiel für ein solches Szenario ist das Investment ehemaliger Mitarbeiter*innen des US-amerikanischen Unternehmens PayPal, welche direkt vom Exit des 2002 für 1,5 Milliarden Dollar an eBay verkauften Unternehmens profitierten. Einer von ihnen war Elon Musk, der die Erlöse seiner Beteiligungen unter anderem in den Elektrofahrzeughersteller Tesla und das Raumfahrtunternehmen SpaceX investierte. Insgesamt sind über die Ausschüttungen durch den Exit von PayPal schätzungsweise mehr als 30 Neugründungen entstanden und mehr als 450 Investitionen in bestehende Startups getätigt worden.

Deutschland hinkt hinterher

In Deutschland können Startups das Potenzial der Mitarbeiterbeteiligungen aber bisher kaum für sich nutzen. Eine führende vergleichende Untersuchung von 22 Staaten sieht Deutschland gemeinsam mit Belgien als internationales Schlusslicht. Grund sind die nachteiligen rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen.

Mit dem Konjunkturprogramm aus dem Sommer 2020 hatte die Große Koalition angekündigt, für Startups eine “attraktive Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung (zu) schaffen”. Das Problem schien erkannt und das Startup-Ökosystem war voller Erwartungen auf die Vorschläge. Ende Januar 2021 hat die Bundesregierung die Ankündigungen dann mit dem Regierungsentwurf zum Fondsstandortgesetz aufgegriffen. Olaf Scholz erklärte, Deutschland damit zu einer internationalen Spitzenposition führen zu wollen. Diese Ambition begrüßen und unterstützen wir. Doch leider bleiben die Vorschläge deutlich hinter den eigenen Zielsetzungen zurück. Trotz guter Ansätze der Neuregelungen gehen sie leider an den Bedürfnissen von Startups in der Praxis vorbei.

Das liegt insbesondere daran, dass  sich die Vorschläge ausschließlich auf echte Unternehmensanteile beziehen. Echte Anteile gehen aber mit umfangreichen Informations- und Stimmrechten einher und sind als Instrument der Beteiligung, das auf wirtschaftliche Teilhabe am Unternehmenserfolg ausgerichtet ist, für schnell wachsende Belegschaften erkennbar ungeeignet. Mittelfristig ist daher eine eigene Anteilsklasse für Mitarbeitende im GmbH-Recht erforderlich. Im Hinblick auf das laufende Gesetzgebungsverfahren sollte zumindest gewährleistet werden, dass sämtliche Formen der indirekten Beteiligung mit einbezogen werden. Andernfalls bliebe das Fondsstandortgesetz in der Praxis untauglich.

Weiterer Konstruktionsfehler

Auch an anderer Stelle besteht dringender Anpassungsbedarf: Der Entwurf sieht vor, dass zum Zeitpunkt der Gewährung der Anteile keine Steuerlast anfällt – sondern erst beim Verkauf. Diese Steuerstundung ist ein großer Fortschritt, weil dadurch die sogenannte dry income-Besteuerung beim Mitarbeitenden, d.h. eine Besteuerung vor Zufluss der Liquidität, vermieden werden soll. Problematisch ist jedoch, dass im Falle eines Arbeitgeberwechsels und nach 10 Jahren davon wiederum eine Ausnahme gemacht wird. In beiden Konstellationen soll es nach dem Regierungsentwurf zu einer Besteuerung des dry income kommen. Damit ist nichts gewonnen: Mitarbeitende stellt es vor unzumutbare steuerliche Risiken. In den meisten Fällen werden sie nicht über hinreichend Mittel verfügen, die Steuerlast zu begleichen – schließlich entsteht die Liquidität erst durch die Veräußerung. Die Gefahr von Privatinsolvenzen ist durchaus realistisch. Diese Konstruktionsfehler sollten im weiteren Verfahren unbedingt behoben werden.

In Ergänzung dazu sollte auch der Anwendungsbereich des Gesetzes im Hinblick auf die Unternehmen ausgeweitet werden. Die vorgesehene kategorische Beschränkung auf KMU greift zu kurz: Aufgrund ihres oftmals rasanten Wachstums überschreiten Startups nicht selten einzelne KMU-Schwellenwerte, ohne dass sie dabei unmittelbar wettbewerbsfähiger würden. Starre Anwendungsbereiche werden der Dynamik von Startups daher nicht gerecht. Der Bundesrat hat Anfang März in seiner Stellungnahme empfohlen anstelle der KMU-Definition auf die für Startups bestehende und bewährte europarechtliche Definition von “qualifizierten Portfoliounternehmen” aus der sog. “EuVECA-Verordnung” abzustellen. Das könnte ein geeigneter Weg für mehr Flexibilität sein. Denkbar ist auch ein Bestandschutz. Zudem sollte die im Regierungsentwurf vorgesehene Begrenzung des Höchstalters des Startups auf zehn Jahre gestrichen oder zumindest, wie etwa in Frankreich, auf 15 Jahre erweitert werden. Denn insbesondere junge Unternehmen mit forschungs- und entwicklungsintensiven Geschäftsmodellen brauchen häufig mehr als zehn Jahre bis die Mitarbeitenden ihre Beteiligungen realisieren können.

Vor diesem Hintergrund blickt die deutsche Startup-Szene gespannt auf das parlamentarische Verfahren des Fondsstandortgesetzes. Angesichs des großen Nachholbedarfs sind die Hoffnungen groß, dass es an entscheidenden Stellen zu Anpassungen kommt. Schon jetzt ist allerdings absehbar, dass die neuen Regelungen wohl nicht den ganz großen Wurf bringen werden. Daher wird uns das Thema der Mitarbeiterbeteiligung vermutlich auch in der kommenden Legislaturperiode begleiten.

 

Christian Miele