Kreislaufwirtschaft und die strategische Bedeutung für die Transformation

©
iStock bluejayphoto

 

 

In einer Welt, die sich mit den drängenden Herausforderungen des Klimawandels, der Ressourcenknappheit und der Umweltverschmutzung konfrontiert sieht, gewinnt das Konzept der Kreislaufwirtschaft zunehmend an Bedeutung. Die Kreislaufwirtschaft ist ein systemischer Ansatz zur wirtschaftlichen Entwicklung, der darauf abzielt, den Wert von Produkten, Materialien und Ressourcen in der Wirtschaft so lange wie möglich zu erhalten und die Entstehung von Abfall zu minimieren. Dieser Ansatz ist entscheidend für die Transformation unserer linearen „Take-Make-Waste“-Wirtschaft in ein nachhaltigeres Modell, das die Prinzipien der Vermeidung, Wiederverwendung, Reparatur, Renovierung und des Recyclings in den Vordergrund stellt.

Der „Circularity Gap Report 2024“ zeigt jedoch, dass trotz der stark wachsenden Anerkennung der Kreislaufwirtschaft die Lücke zur Schließung der Kreisläufe nicht kleiner geworden ist – im Gegenteil:  Der Anteil der von der Weltwirtschaft verbrauchten Sekundärmaterialien ist von 9,1 % im Jahr 2018 auf 7,2 % im Jahr 2023 gesunken – ein Rückgang von 21 % innerhalb von fünf Jahren.

Im gleichen Zeitraum stieg der Materialverbrauch auf über 500 Gigatonnen. Das sind 28 % aller Materialien, die die Menschheit seit 1900 verbraucht hat. Diese Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit, nicht nur unsere Produktions- und Abfallmanagementprozesse zu überdenken, sondern auch systemische Veränderungen in unserem Konsumverhalten herbeizuführen. Systemische Veränderungen sind zwingend erforderlich, um die „Krise“, die als eine „Polykrise“, d.h. eine Vielzahl sich überschneidender und miteinander verbundener wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer und politischer Krisen und Herausforderungen, charakterisiert werden kann, erfolgreich zu bewältigen.

Wie kommen wir zum Handeln?

Ein großes Defizit besteht in der heute vorherrschenden Dominanz des Arbeitens in „Silos“. In der zirkulären Wirtschaft müssen die Beziehungen zwischen einzelnen Teilen des Systems, den „Silos“, etwa zwischen Abteilungen und Unternehmen, aber auch zwischen Staaten erfasst und neue Formen der Zusammenarbeit und Kooperation gebildet werden. Nur wenn Maßnahmen auf der Basis der Kenntnis ihrer potentiellen Auswirkungen auf das System ergriffen werden, kann ein dauerhafter Wandel erreicht und das oberflächliche Bekämpfen von Symptomen verhindert werden.

Leider findet häufig eine Fixierung auf Technologie und Innovation als Lösung für die Klima- und Umweltherausforderungen statt. Sie sind zwar zwingender Bestandteil der Lösung, aber mit ihnen alleine können die multidimensionalen Herausforderungen des ökologischen Zusammenbruchs nicht bewältigt werden.

Hinzukommen muss die Entwicklung von erforderlichen Anreizstrukturen, um ganze Systeme zu beeinflussen. Die Herausforderung wird darin bestehen, integrierte Konzepte auf den Weg zu bringen. Ein systemorientierter Ansatz kann die Komplexität bewältigen, mit Ungewissheiten umgehen und, politisch gestützt, Zielkonflikte ausgleichen.

Die strategische Bedeutung der Kreislaufwirtschaft liegt konkret in ihrer Fähigkeit, langfristige Wirtschaftsstabilität zu fördern, die Abhängigkeit von knappen natürlichen Ressourcen zu verringern und die Umweltauswirkungen zu reduzieren. Um diese Transformation zu erreichen, müssen Unternehmen, Regierungen und Verbraucher zusammenarbeiten, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die auf Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit und vollständiger Rückgewinnung von Materialien am Ende des Produktlebenszyklus basieren.

Ein Schlüsselelement für die Beschleunigung dieser Transformation ist die Integration von künstlicher Intelligenz (KI). KI kann als technisches Werkzeug dienen, das die Veränderungen in der Kreislaufwirtschaft unterstützt und vorantreibt. Durch die Analyse großer Datenmengen kann KI dabei helfen, ineffiziente Prozesse zu identifizieren, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern und die Sammlung und Sortierung von Abfällen für das Recycling zu optimieren.

KI-Systeme können beispielsweise Muster im Verbraucherverhalten erkennen und personalisierte Empfehlungen für nachhaltigere Konsumentscheidungen geben. Sie können auch in der Lieferkette eingesetzt werden, um die Rückverfolgbarkeit von Materialien zu verbessern und sicherzustellen, dass Ressourcen effizient genutzt werden. Darüber hinaus kann KI in der Produktentwicklung dazu beitragen, Materialien und Designs auszuwählen, die eine einfachere Demontage und Wiederverwendung am Ende des Produktlebenszyklus ermöglichen.

Die Schließung der Kreislaufwirtschaftslücke erfordert jedoch mehr als nur technologische Lösungen. Es bedarf, wie bereits angerissen, einer grundlegenden Veränderung in der Art und Weise, wie Gesellschaften Werte schaffen und messen. Wirtschaftswachstum muss neu definiert werden, nicht nur in Bezug auf die Menge der produzierten und verkauften Güter, sondern auch in Bezug auf das Wohlbefinden der Menschen und die Gesundheit des Planeten. Durch eine Betrachtung der Total Cost of lifetime wird die heute vielfach angewandte Externalisierung von Kosten abgeschafft.

Regierungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung der Kreislaufwirtschaft durch die Schaffung von Rahmenbedingungen, die Anreize für nachhaltige Praktiken setzen und die notwendigen Investitionen in Infrastruktur und Innovation erleichtern. Bildung und Bewusstseinsbildung sind ebenfalls wichtig, um ein Umdenken bei den Verbrauchern zu bewirken und die Nachfrage nach kreislauforientierten Produkten und Dienstleistungen zu steigern.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kreislaufwirtschaft eine strategische Notwendigkeit für die Transformation unserer Wirtschaft darstellt. Systemische Veränderungen im Konsumverhalten und die Integration von KI-Technologien sind zentrale Elemente, um die Lücke zu schließen und eine nachhaltige Zukunft zu sichern. Der „Circularity Gap Report 2024“ dient als weiterer Weckruf, um kollektive Anstrengungen zu verstärken und den Übergang zu einer wahrhaft kreislauforientierten Wirtschaft zu beschleunigen.

 

Michael Wiener

 

Der Beitrag ist der vierte Teil unserer Reihe zur Kreislaufwirtschaft.
Teil 1:
Teil 2:
Teil 3: