In der vergangenen Woche schafften es die Berliner Jusos mit ihrer Ankündigung in die Nachrichten, das Volksbegehren zu unterstützen, das die Enteignung aller Eigentümer von mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin vorsieht. Namensgeber der Initiative ist zwar die Deutsche Wohnen, aber es werden deutlich mehr Unternehmen betroffen sein. Die Initiatoren rechnen ausweislich ihrer Webseite mit 240.000 Wohnungen, die insgesamt in Staatsbesitz übergehen würden.

Ob eine solche Enteignung vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hätte, ist fraglich. Sie könnte aber keinesfalls entschädigungslos erfolgen. Ob eine Entschädigung in Höhe des Marktwertes erfolgen müsste oder auch darunter liegen dürfte, ist ebenfalls juristisch umstritten. Sie dürfte sich aber jedenfalls nicht beliebig weit vom aktuellen Marktwert entfernen. Der Senat müsste mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine Summe im deutlich zweistelligen Milliardenbereich aufwenden, um die Wohnungen zu verstaatlichen.

Sind die Argumente überhaupt plausibel?

Die juristische Unsicherheit des Vorhabens soll aber hier nicht das Thema sein, sondern die Frage nach seiner ökonomischen Plausibilität. Auch diese ist nicht gegeben.

Zunächst einmal ist klar, dass eine Verstaatlichung keinen zusätzlichen Wohnraum schafft. Wir haben es hier mit einem reinen Eigentümerwechsel zu tun. Dieser wird sicherlich dazu führen, dass die Mieten für die enteigneten Wohnungen erst einmal politisch gesetzt werden, also unterhalb der marktüblichen Miete liegen. Tatsächlich können wir deshalb erst einmal davon ausgehen, dass die bestehenden Mieter der betroffenen Wohnungen finanziell profitieren.

Dem stehen aber andere, sehr problematische Effekte gegenüber. Zunächst einmal fehlen bei niedrigen Mieten natürlich auch die Anreize zu aufwändigeren Sanierungen, Instandhaltungen und Modernisierungen. Wer in solchen Wohnungen Mieter ist, muss damit rechnen, schon bald in einer Wohnung zu leben, deren Qualitätsstandard relativ zum Gesamtmarkt zurückfällt.

Vor allem aber muss sicherlich auch ein kurzfristig privilegierter Mieter damit rechnen, irgendwann einmal wieder umziehen zu müssen. Für alle, die eine neue Wohnung suchen, verschlechtert sich die Lage durch eine Enteignung aber.

Wohnungssuchende sind die Leidtragenden

Durch die Politik des Mietendeckels kam ohnehin schon eine gewisse Unsicherheit in den Markt. Eine aktuelle Studie des ifo-Instituts zeigt, dass im regulierten Segment der Mietendeckel das Angebot bereits reduziert hat. Mit einer zunehmend interventionistischen Wohnungspolitik, die auch vor Enteignungen nicht zurückschreckt, dürfte aber insgesamt die Unsicherheit unter Investoren über das Ausmaß politischer Regulierungsrisiken steigen. Auch der Neubau wäre dann negativ betroffen. Das Angebot an Wohnraum, das in Berlin insgesamt zur Verfügung steht, wäre dann kleiner als in einer Welt ohne Enteignungspolitik.

Alle, die eine neue Wohnung suchen oder die Mieter im (noch) unregulierten Sektor sind, wären negativ betroffen. Sie müssten sich entweder auf schneller steigende Mieten einstellen, oder auf Wartezeiten. Denn solange es eine Überschussnachfrage nach Wohnungen gibt, kann gar nichts anderes passieren, als dass diese entweder durch steigende Mieten und den von diesen Mieten angereizten Neubau reduziert wird, oder Menschen noch viel länger als bisher erfolglos nach einer neuen Wohnung suchen.

Am Ende muss eine wachsende Stadt wie Berlin sich der simplen Wahrheit stellen, dass nur ein sehr schnell wachsendes Angebot an Wohnraum die Misere beseitigen wird. Alles andere, seien es Mietendeckel oder eine Verstaatlichung von bestehendem Wohnraum, führt nur zu einer Privilegierung aktueller Mieter im regulierten Sektor auf Kosten von all jenen, die eine Wohnung suchen. Ob dies eine Politik ist, die ein Etikett wie „solidarisch” oder „gerecht” verdient, darf wohl bezweifelt werden.

Milliarden auch anders ausgeben?

Nehmen wir einmal an, der Berliner Senat hätte tatsächlich die Möglichkeit, einen zweistelligen Milliardenbetrag relativ kurzfristig aufzubringen um damit Wohnungspolitik zu betreiben. In diesem Gedankenexperiment wäre eine Enteignung mit Entschädigung sicher nicht das effektivste Instrument. Würden die designierten Mittel stattdessen in den Neubau öffentlicher Wohnungen gesteckt, so würde zumindest ein erheblicher positiver Angebotsschub erreicht. Die Wohnungssuche würde erleichtert, die Mieten würden sinken.

Ein solcher Schritt hätte jedoch natürlich auch eine Auswirkung, die von vielen Berlinern als Nachteil gesehen würde: Um soviel Geld schnell zu verbauen, müsste die Stadt sich verändern. Vielleicht würde man das Tempelhofer Feld zumindest teilweise bebauen. Vielleicht würde man in Bezirken wie Mitte oder Friedrichshain auch höher bauen als bisher, um so mehr Wohnraum auf gleicher Fläche zu schaffen. Das Stadtbild würde sich mancherorts verändern.

Negativ-Beispiel San Francisco

Aber solche Veränderung ist nötig, wenn eine wachsende Stadt keine steigenden Mieten hinnehmen möchte. Was in einer wachsenden Metropole geschieht, die ihren städtebaulichen Charakter unbedingt weitgehend erhalten will, sieht man seit Jahren beispielsweise im Großraum San Francisco in den USA. Gegen die eskalierende Knappheit von Wohnraum, die inzwischen auch Gutverdiener in Wohnmobile umziehen lässt, hilft keine noch so einfallsreiche Regulierung.

Egal aus welcher Perspektive man das Problem betrachtet: eine mögliche Enteignung von Wohnungen ist ein unproduktiver, destruktiver und ineffektiver Ansatz für die Berliner Wohnungspolitik. Man kann den Berlinern nur den Rat geben, stattdessen alle Energie in den Neubau zu lenken und hierfür auch zu akzeptieren, dass die eine oder andere Nachbarschaft ihr Gesicht verändern wird.

 

Prof. Dr. Jan Schnellenbach