Keine Energiewende ohne Wasserstoff

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Andreas Schierenbeck CEO von Uniper SE
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Die Covid-19-Pandemie war, ist und wird auch noch eine riesige Herausforderung bleiben. Bereits jetzt ist zu erkennen, dass die Auswirkungen noch jahrelang zu spüren sein werden.

Noch ist es zu früh, um zu sagen, ob die heutige Krise einen Rückschlag für die Bemühungen um ein sichereres und nachhaltigeres Energiesystem oder einen Katalysator darstellt, der das Tempo der Energiewende beschleunigt. Viele Unsicherheiten bleiben bestehen und entscheidende energiepolitische Entscheidungen müssen noch getroffen werden.

Angesichts einer solch globalen Herausforderung ist eine mutige, zukunftsweisende Vision unabdingbar. Schon allein aus diesem Grund sind die ambitionierten Ziele des „European New Green Deal“ zu begrüßen. Wir brauchen einen wirtschaftlichen Wiederaufbau, der nachhaltig ist und den ehrgeizigen europäischen Klimazielen entspricht.

Uniper unterstützt diese Pläne mit voller Kraft. Wir wollen unser Stromerzeugungsportfolio in Europa bis 2035 kohlenstoffneutral gestalten. Bis 2025 werden wir in Deutschland rund drei Gigawatt (GW) an Steinkohlekapazität unserer Kraftwerksflotte stilllegen und unsere CO2-Emissionen um weitere 40 Prozent reduzieren. Einschließlich früherer Stilllegungen wird dies zu einer Einsparung von CO2-Emissionen von knapp 20 Mio. t führen.

Damit wollen wir unseren Beitrag zu den Ambitionen der EU leisten, die europäische Wirtschaft bis 2050 vollständig klimaneutral zu gestalten. Hierfür brauchen wir möglichst viel „grünen Strom“, leistungsfähige Speicher und eine klare Strategie für den langfristigen Übergang zu „grünem“ Gas und Wasserstoff. Wir wollen auf den Erfolgen der Vergangenheit aufbauen: Keine andere Branche hat in den vergangenen Jahren ihren CO2-Footprint so stark reduziert wie die Energiewirtschaft, wie der jüngste Klimaschutzbericht der Bundesregierung feststellt. Solche Erfolge brauchen wir auch für Landwirtschaft, Verkehr und den Wärmemarkt. Der Schlüssel liegt in der sog. Sektorenkopplung, einer noch besseren Verzahnung der Minderungsmaßnahmen über die verschiedenen Branchen hinweg.

Das bedeutet vor allem, dass wir so schnell wie möglich auf bisherige fossile Energieträger wie Kohle und Öl verzichten bzw. Schritt für Schritt auf den CO2-ärmsten Energieträger Erdgas umstellen. Das ist zugleich der schnellste und kosteneffizienteste Weg zur CO2-Minderung um 55 Prozent bis 2030. Und diese Entwicklung ist schon in vollem Gange: Laut dem jüngsten World Energy Outlook der IEA, ist die Ölnachfrage um 8% und der Kohleverbrauch um 7% in diesem Jahr gesunken. Das steht in scharfem Kontrast zu einem leichten Anstieg des Beitrags der erneuerbaren Energien. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die weltweite Stromnachfrage im Laufe des Jahres um relativ bescheidene 2% zurückgeht. Vor der Krise ging man davon aus, dass der Energiebedarf weltweit bis 2030 um 12% steigen würde – heute liegt die Schätzung bei 9%,

Eins ist also klar: Den erneuerbaren Energien wird in Zukunft eine noch wichtigere Rolle zukommen als in der Vergangenheit. Gleichzeitig ist offenkundig, dass eine 100-prozentige Versorgung durch Wind und Sonne wegen der fluktuierenden Einspeisungen vorerst nicht möglich ist. Daher sind Gas und Wasserstoff die natürlichen Partner für die Erneuerbaren, um die Energiewende nachhaltig erfolgreich zu gestalten.

Es wird leider nicht reichen, dabei nur auf die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien zu setzen. Der Blick auf die energieintensive Industrie und die Sektoren Wärme und Verkehr, vor allem Flugverkehr, Schiffe und schwere LKWs, zeigt, dass wir zusätzliche Lösungsmöglichkeiten benötigen. Hier spielt Wasserstoff die entscheidende Rolle: Derzeit gibt es kaum ein staatliches Klima- oder Wirtschaftsprogramm, das nicht in irgendeiner Form auf die Entwicklung einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft als Zukunftsmotor setzt.

Dies ist richtig, denn es geht jetzt darum, gemeinsam die Produktion von Wasserstoff hochzufahren, den Handel zu stärken und geeignete Lösungen für die industriellen Kunden zu entwickeln, um die Wettbewerbsfähigkeit von Wasserstoff schnellstmöglich zu erreichen. So wie Erdöl zu Beginn des 20. Jahrhunderts der kraftvolle Motor der Weltwirtschaft wurde, wird Wasserstoff die Basis legen für eine nachhaltige Entwicklung, die neue Beschäftigung und Wirtschaftswachstum schafft und uns allen ungeahnte neue Möglichkeiten eröffnen wird.

Ein Vorteil von Wasserstoff: Er kann dort hergestellt werden, wo es die technisch wie wirtschaftlich „besten“ Bedingungen hierfür gibt, kann in großen Mengen gespeichert und dorthin transportiert werden, wo Nachfrage besteht. Die erforderlichen Technologien stehen bereit. Würden alleine die überschüssigen Stromerzeugungsmengen aus erneuerbaren Energien, die derzeit aus netztechnischen Gründen nicht genutzt werden können, für die Herstellung von „grünem Wasserstoff“ eingesetzt, wären die bundesdeutschen CO2-Emissionen bereits deutlich niedriger.

Insgesamt bietet die aktuelle Situation auch eine große Chance – sowohl für Europa als auch für Deutschland. Die europäischen Volkswirtschaften mit ihren führenden Industrie-Unternehmen in den Bereichen Stahl, Chemie und Mobilität sind dringend auf neue Technologien angewiesen, die es ihnen ermöglichen, die Dekarbonisierung voranzutreiben ohne dabei Wachstum und Beschäftigung zu gefährden.

Gerade Deutschland hat mit seiner wirtschaftlichen Größe, seinen technologischen und finanziellen Möglichkeiten alle Chancen, eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Das ist allerdings keine Aufgabe für einzelne Unternehmen oder Staaten: Europäische Länder und Unternehmen müssen kooperieren, technische Fähigkeiten bündeln und gemeinsame Strategien entwickeln, wie sie gemeinsam mit Finanzinvestoren an der Herstellung von Wasserstoff partizipieren. Nur so kann die Abwanderung der Industrie verhindert werden und gleichzeitig wertvolle Arbeitsplätze gesichert werden.

Bei aller Aufbruchsstimmung darf man gewisse Gegebenheiten allerdings auch nicht ignorieren: Deutschland und Europa insgesamt werden Netto-Importeure von Wasserstoff bleiben. Schon alleine aus diesem Grunde sind internationale Partnerschaften von enormer Bedeutung, wenn wir die notwendigen internationalen Infrastrukturprojekte umsetzen wollen.

Bei Uniper sind wir davon überzeugt, dass eine erfolgreiche Energiewende nur gelingen kann, wenn wir nicht nur auf uns schauen, sondern global denken und handeln. „Empower“ heißt daher für uns: Wir wollen gemeinsam mit politischen Entscheidungsträgern, NGOs, Kunden und ebenso mit Technologie-Partnern an der Energie der Zukunft arbeiten.

 

Andreas Schierenbeck