Gerade hat das Bundesverfassungsgericht in einem viel beachteten Urteil das Klimaschutzgesetz von 2019 in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Die Richter monieren, dem Gesetz fehle die Langfristperspektive. Damit drohen jüngeren Generationen „drastische Einschränkungen“ angesichts eines schwindenden  CO2-Budgets. Das Urteil bietet die Gelegenheit, eingeschlagene Pflöcke, die aus einem zähen Verhandlungsprozess zwischen den Koalitionspartnern und zwischen Bundestag und Bundesrat hervorgegangen sind, noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls nachzusteuern. Ein Element, das verschiedene Politikziele – ökologische, soziale, konjunkturelle und finanzielle – adressieren kann, wäre ein höherer CO2-Preis kombiniert mit einem konjunkturell atmenden Klimabonus. 

 

Eine wesentliche Fragestellung vor der Initiierung des Klimaschutzgesetzes – prominent vorgetragen von Bundesumweltministerin Svenja Schulze – lautete: Wie kann man Klimaschutz sozialverträglich gestalten? Die bösen Erfahrungen Frankreichs mit der Gelbwestenbewegung wollte man in Deutschland vermeiden. Und zu Recht: soll die ökologische Transformation gelingen ohne die Gesellschaft zu spalten, muss sie jene entlasten, die sich Klimaschutz nicht leisten können und jene belasten, die Pro Kopf am stärksten zu den CO2-Emissionen beitragen.

Das verabschiedete Maßnahmenbündel aus zaghaft steigendem und gedeckeltem CO2-Preis, homöopathischer Absenkung der EEG-Umlage, erhöhter Pendlerpauschale, Mobilitätsprämie, Wohngelderhöhung sowie diversen Förderprogrammen und öffentlichen Investitionen wurde in wohlwollenden Kommentarspalten als zumindest teilweise brauchbarer Minimalkonsens bewertet.

Dennoch: der CO2-Preis von anfänglich 25 Euro je Tonne CO2 (ca. 6-7 Cent je Liter Kraftstoff) und der festgelegte Pfad bis 2025 auf 55 Euro gelten als zu niedrig um einen sparsameren Umgang mit fossilen Brennstoffen zu bewirken. Die Kompensationsleistungen sind einerseits vergleichsweise gering und wenig sichtbar (EEG-Umlage), nützen vorrangig hohen Einkommen und fördern Vielfahrer (Pendlerpauschale), laufen überwiegend ins Leere (Mobilitätsgeld) oder gleichen lediglich Versäumnisse der Vergangenheit aus (Wohngeld).

Eine Kompensationsmaßnahme hingegen, die vorher heiß diskutiert wurde, fehlt im Klimapaket hingegen komplett: ein Klimabonus als jährliche Einmalzahlung an alle Haushalte pro Kopf. In den Gutachten verschiedener Forschungsinstitute* für das BMU wurde der Klimabonus insbesondere als Alternative zur Senkung der EEG-Umlage analysiert. Die EEG-Umlagesenkung hat im politischen Prozess das Rennen gemacht, vor allem, weil sie einfacher umsetzbar ist und die Elektrifizierung in einem Abwasch subventioniert (Sektorkopplung).

Aber abgesehen von der entscheidenden Frage, ob mit sinkender EEG-Umlage tatsächlich die Strompreise sinken und die Entlastung bei den Haushalten ankommt, bietet die Klimaprämie auch einige Vorteile: Demnach entlastet eine Pro-Kopf-Zahlung stärker als eine Strompreissenkung primär kleine Einkommen. Vor allem aber ist sie deutlich sichtbarer und könnte damit stärker zur Akzeptanz der Klimaschutzmaßnahmen beitragen.

Schüttet man etwa die Einnahmen aus der CO2-Besteuerung der privaten Haushalte vollständig an diese wieder aus, ergäbe sich bei einem CO2-Preis von 40 Euro je Tonne ein Klimabonus von ca. 100 Euro pro Kopf und Jahr. Mit steigenden Einnahmen stiege auch der Bonus. Haushalte mit kleinen Einkommen und solche mit Kindern würden im Schnitt netto entlastet. Single-Haushalte und solche mit höheren Einkommen zahlen im Durchschnitt zwar netto drauf, hätten mit dem Bonus aber eine sichtbare Kompensationsleistung. Mit den CO2-Steuereinnahmen von Gewerbe, Handel und Dienstleistungen ließen sich immer noch Förderprogramme und öffentliche Investitionen finanzieren.

Denken wir aber den Klimabonus einmal konsequent zu Ende. Die Wirtschaftskrise im Zuge der Covid-19 Pandemie hat gezeigt, dass staatliche Konjunkturstützung wichtig und hilfreich sein kann – wenn sie gut gemacht ist. Verschiedene Studien (etwa vom IMK oder vom IW) kommen zu dem Schluss, dass der Kinderbonus zu einem erheblichen Teil und schnell wieder ausgegeben wurde, insbesondere von solchen Haushalten mit kleinem Geldbeutel. Die Maßnahme hat damit schnell und gezielt die Konjunktur gestützt, gerade als es am nötigsten war.

Warum machen wir den Klimabonus also nicht zu einem ähnlichen Erfolgsrezept? Ein antizyklischer Klimabonus würde im Aufschwung nur kleine Summen ausschütten, im Abschwung aber große. Das Konzept, das an der sog. Sahm-Rule orientiert ist, hätte mehrere Vorteile: läuft die Konjunktur gut und sind die CO2-Emissionen folglich hoch, werden die Haushalte netto stärker belastet, in einer Phase, in der sie sich das eher leisten können. Läuft es wirtschaftlich schlecht, kommt mit dem hohen Klimabonus zur rechten Zeit die Konjunkturstütze. Einem solchen automatischen Stabilisator stünde nicht einmal mehr die notorische Schuldenbremse im Wege: als konjunkturabhängige Ausgabe würde der Bonus das strukturelle Defizit nicht beeinflussen und folglich die knappen Haushaltsspielräume erhalten. In jedem Fall schlägt die Kombination aus CO2-Preis und antizyklischem Klimabonus gleich vier Fliegen mit einer Klappe: Ökologie, Soziales, Konjunktur und öffentliche Finanzen stehen einmal nicht im Konflikt miteinander, sondern harmonieren sogar. Wo gibt es das sonst?

 

Dr. Sebastian Gechert

*Der Autor war an einem dieser Gutachten beteiligt

 

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